Zwischen den Fronten: Zum 150. Geburtstag und 70. Todestag von Carl Ulitzka

Prälat Carl Ulitzka war ein katholischer Geistlicher und Politiker, der in die nationalen Schemata der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht passte

Seinerzeit gehörte er zu den einflussreichsten Persönlichkeiten Oberschlesiens.

Carl Ulitzka (1873-1953) kam am 24. September 1873 in Jernau (Jaroniów) im Kreis Leobschütz (Głubczyce) zur Welt. Anders als in weiten Teilen der Region war in seinem Heimatort nicht der slawisch-oberschlesische Dialekt, sondern Deutsch die Umgangssprache. Oberschlesisch und Polnisch lernte er erst später als Student der katholischen Theologie in Breslau (Wrocław) und Seelsorger in Ratibor (Racibórz). Nach seiner Priesterweihe, die 1893 stattfand, war er zunächst in Gegenden tätig, in denen die Katholiken in Minderheit waren: in Kreuzburg (Kluczbork) und im brandenburgischen Bernau.

Seit 1919 war Ulitzka aktiver Politiker der katholischen Zentrumspartei – zunächst nur auf lokaler, später auch auf nationaler Ebene. Von 1920 bis 1933 repräsentierte er Oberschlesien im Reichstag. Als nach dem Ersten Weltkrieg über die staatliche Zugehörigkeit der Region entschieden werden sollte, engagierte sich Ulitzka mit ganzem Einsatz für deren Verbleib beim Reich. Für eine solche Lösung warb er auch bei der Pariser Friedenskonferenz. Er war überzeugt, dass das Land an der Oder – obwohl laut Volkszählung von 1910 mehr als die Hälfte seiner Einwohner einen polnischen Dialekt als Muttersprache sprachen – aufgrund der geschichtlichen Entwicklung Teil des deutschen Kulturraumes war und mit Deutschland vereint bleiben sollte. Er lancierte sein Idealbild von Oberschlesien als einer mit breiter Autonomie ausgestatteten Region des Deutschen Reiches, in der die Rechte der slawischsprachigen Bevölkerung respektiert würden. Das postulierte „Reichsland Oberschlesien“ ist zwar am Ende nicht entstanden, doch auch die Gründung einer von der Breslauer Verwaltung unabhängigen, separaten preußischen Provinz mit Hauptstadt Oppeln war damals ein Erfolg. Sein Ziel war, das Land vor der Loslösung von Deutschland und vor weiteren nationalen Konflikten zu schützen.

Privatsammlung von Pfarrer Konrad Glombik.

Während er in den Zeiten der Weimarer Republik mit seinem Engagement für die polnischsprachige Seelsorge vonseiten seiner politischen Gegner nur Kritik riskierte, machte er sich damit nach dem Januar 1933 zum Feind der neuen, nationalsozialistischen Machthaber. Es ist kurios und absurd, dass ein Mann, der zweifellos zum deutschen Sieg bei der Volksabstimmung von 1921 beigetragen hatte, nun von den braunen Genossen als „polnischer Hund“ bezeichnet wurde. Im Juli 1939 wurde Ulitzka schließlich aus Schlesien ausgewiesen, weil er trotz des enormen Drucks vonseiten der Behörden in seiner Ratibor-Altendorfer Kirche Predigten in polnischer Sprache hielt. Bis zu seiner Einweisung in das Konzentrationslager Dachau, die 1944 nach dem Attentat auf Hitler erfolgte, lebte er in Berlin-Karlshost, wo er in einem von den (schlesischen) Marienschwestern betriebenen Krankenhaus als Kaplan tätig war.

Nach Kriegsende arbeitete Carl Ulitzka zunächst als Seelsorger der ehemaligen polnischen Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge im Westen Deutschlands. Für eine kurze Zeit kam er 1945 nach Ratibor zurück, doch schnell musste er feststellen, dass er auch im polnisch gewordenen Oberschlesien unerwünscht war. Angesichts der Morddrohungen verließ er die Heimatregion und ging erneut nach Berlin, wo er sich neben der seelsorgerischen Tätigkeit auch für die neu gegründete CDU engagierte. Er starb in Berlin am 12. Oktober 1953 und fand auf einem Friedhof in Karlshorst seine letzte Ruhestätte.

Privatsammlung von Pfarrer Konrad Glombik.

Bis 1989 durfte in Polen, außer im negativen Kontext, an den für Oberschlesien hoch verdienten Carl Ulitzka nicht erinnert werden. Wegen seines starken Engagements für den Verbleib der Region bei Deutschland ist er aber auch heute nicht unkontrovers. Aus diesem Grund scheiterte 2009 die Initiative, eine Straße im Ratiborer Stadtteil Ottitz (Ocice) nach ihm zu benennen. Die Erinnerung an den Prälaten, den beide totalitären Systeme für ihren Feind erklärt haben, ist vor allem in der katholischen Kirche und innerhalb der einheimischen oberschlesischen Bevölkerung lebendig. 2010 wurde in der St. Nikolaus-Kirche in Ratibor-Altendorf, in der der Geistliche fast 30 Jahre als Pfarrer tätig war, eine ihm gewidmete zweisprachige Gedenktafel enthüllt. Den Feierlichkeiten wohnte damals der amtierende Stadtpräsident von Ratibor bei. 2022 hatte der Dokumentarfilm „Ulitzka – ungekrönter König Oberschlesiens“ (poln. Originaltitel: Ulitzka – niekoronowany król Górnego Śląska) von Adrian Szczypiński seine Uraufführung. Der erste Teil des Streifens ist in polnischer Sprache unter folgendem Link www.youtube.com/watch?v=hueV8RIzJ-E zu sehen. 

Am 24. September 2023 findet im Oberschlesischen Landesmuseum in Ratingen die Deutschlandprämiere des Filmes.

Prälat Ulitzka (1 v. l.) an der Gedenksäule der Oberschlesier am Annaberg in Haltern, Quelle: Rabanus Flavus, Wikimedia Commons.

Text: Dawid Smolorz