Eichendorff-Liederabend in Wrocław (Breslau)

Unter dem Motto „Nachtzauber“ findet am 18. Oktober im Oratorium Marianum in Wrocław beim freien Eintritt ein deutsch-polnisches Konzert statt

Veranstalter ist der Verein Ars Augusta e. V. aus Görlitz.

Am 18. Oktober 2023 wird in Wrocław (Breslau) mit einem deutsch-polnischen Liederabend an Joseph von Eichendorff erinnert. Unter dem Motto „Nachtzauber / Magia Nocy“ organisiert der Verein Ars Augusta e.V. aus Görlitz das Konzert im Oratorium Marianum an der Breslauer Universität. Künstler des Abends sind der Bariton Vincent Kusters und der Pianist Charlie Bo Meijering aus den Niederlanden. Das Konzert beginnt um 19:30 Uhr, der Eintritt ist frei.

Die Veranstaltung wird gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien über das Kulturreferat für Schlesien am Schlesischen Museum zu Görlitz.

Die Organisatorin des Konzertes, Eleni Ioannidou, schreibt Folgendes zum Kontext des Konzertes:

Die seit der Wende andauernde, aber im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Stadt Wrocław (Breslau) auf die Austragung von Kulturhauptstadt Europas 2016 besonders intensive Wiederentdeckung des reichen Kulturerbes der schlesischen Hauptstadt, ermöglicht immer wieder auch konkrete Zeichen der Rückbesinnung auf dieses Erbe. So wurde im Jahr 2014 im Botanischen Garten der Universität Wrocław ein Denkmal für Joseph von Eichendorff aufgestellt, eine exakte Kopie dessen, was zwischen 1911 und 1945 im Scheitniger Park (heute Park Szczytnicki) stand.

Die Breslauer Universität ist eng mit dem kulturellen Erbe verbunden, sogar ein Teil davon. Sie wurde 1702 als Academia Leopoldina, eine Jesuitenschule, vom habsburgischen Kaiser Leopold I. gestiftet. Teil dieser Jesuitenschule war das St.-Matthias-Gymnasium, ein klassisches (humanistisches) katholisches Gymnasium für Knaben im Alter zwischen 10 -18 Jahren, wo mehrheitlich deutsche- aber auch polnischsprachige Schüler unterrichtet wurden. Heute beherbergt dieses Gebäude das Ossolineum. Aus dem mehrheitlich katholischen Oberschlesien stammend, studierten auch die zwei Brüder Wilhelm und Joseph von Eichendorff zwischen 1801-1805 an diesem Gymnasium.

Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff wurde am 10. März 1788 auf Schloss Lubowitz (heute Łubowice) bei Ratibor (Racibórz) geboren. Er war Sohn des preußischen Offiziers Adolf Theodor Rudolf Freiherr von Eichendorff und dessen Frau Karoline geb. Freiin von Kloch, die aus einer schlesischen Adelsfamilie stammte, aus deren Besitz sie Schloss Lubowitz erbte. Das katholische Adelsgeschlecht der Eichendorff ist seit dem 17. Jahrhundert in Schlesien ansässig. Seit 2000 gibt es in der Nähe der Schlossruine in Łubowice, das Oberschlesische Eichendorff Kultur- und Begegnungszentrum, das seine Tradition pflegt. Joseph verbrachte in diesem Schloss die glücklichsten Jahre seiner Kindheit und Jugend. Auf dem Land in Oberschlesien lebte damals eine polnische Mehrheit. Viele Bauern auf dem Gut der Familie waren Polen und Joseph beherrschte beide Sprachen. Der Verlust des Schlosses später, aufgrund der finanziellen Schwierigkeiten der Familie, prägten die Seele des Dichters zeitlebens.

Nach 1805 studierte Joseph in Jena und Heidelberg weiter, reiste nach Paris und Wien, nahm um 1813 an den Napoleonischen Kriegen teil und kehrte um 1815 nach Breslau zurück. In diesem Jahr wurde auch die Breslauer Universität zum Schauplatz der Studentenbewegungen des Vormärzes (1815-1848). Diesen Studenten, die das Lied „Die Gedanken sind frei“ sangen, lag auch die polnische Befreiung am Herzen. „Polen“ hieß die erste Schrift des schlesischen Schriftstellers Heinrich Laube (Sprottau 1806 – Wien 1884), einem der bedeutendsten Kämpfer des Vormärzes und auch Mitglied Breslauer Studentengruppen. Er war es auch, der das Genie des jungen Wagners in Leipzig entdeckte und dem er das Libretto für eine Oper mit dem Titel „Kościuszko“ schenkte!

Das Oratorium Marianum, 1733 als Kirche der Marienkongregation gegründet, wurde im Jahr 1815 zum Musiksaal der Universität. Studenten und Musiker verbanden hier romantische Ideale mit Musik. Komponisten wie Franz Liszt, Clara Wieck-Schumann, Nicoló Paganini und später Henryk Wieniawski, Anton Rubinstein oder Johannes Brahms traten hier auf.

Im selben Jahr, 1815, heiratete Joseph von Eichendorff seine Verlobte Luise in der St.-Vincent-Kirche (heute Katedra Greckokatolicka pw. Świętych Wincentego i Jakuba) in Breslau und lebte mit ihr dort bis 1821 zusammen. Joseph, der mit dem Schreiben von Gedichten nicht genug Geld verdienen konnte, erhielt eine Anstellung in Berlin bei der höheren Kriegskommission und wurde 1819 nach bestandenem Staatsexamen Beamter im Kultusministerium. Seine Aufgabe konzentrierte sich auf die Angelegenheiten der katholischen Bevölkerung Preußens. 1821 verließ er Breslau für immer und arbeitete bis zu seinem Lebensende in Danzig, Königsberg und Berlin. Neben seiner Tätigkeit als Beamter war er weiterhin schriftstellerisch tätig. Seine Novellen, wie „Aus dem Leben eines Taugenichts“, seine Romane, Theaterstücke aber vor allem seine Gedichte, begeisterten schon zu seinen Lebzeiten viele Menschen in ganz Europa. Seine letzten Jahre verbrachte er als Gast des Breslauer Fürstbischofs Heinrich Förster auf dessen Sommerresidenz Schloss Johannesberg bei Jauernig und starb am 26. November 1857 im Alter von 69 Jahren an einer Lungenentzündung in Neiße (heute Nysa). Dort ruht er neben seiner Frau unter schlichten Steinplatten aus schlesischem Marmor auf dem Neiße-Friedhof.

Es gibt vielleicht keinen Ort für einen musikalischen Abend rund um Joseph von Eichendorff, der besser geeignet wäre als das Oratorium Marianum in Wrocław. Seine Lyrik, geprägt von der Sehnsucht nach der schlesischen Heimat, der Liebe zur Natur, seinem tiefen christlichen Glauben, sowie volkstümlichen Legenden oder Geschichten über wandernde Studenten und Musikanten, inspirierten wie kein anderer Dichter der Romantik viele Komponisten. Tatsächlich, nach Goethe wurden die Gedichte Joseph von Eichendorffs am häufigsten vertont.

1839 wählten Clara und Robert Schumann (Zwickau 1810 – Bonn 1856) zwölf Gedichte von Eichendorff aus, die Schumann in seinem produktivsten Jahr, dem „Liederjahr“ 1840, für den Liederkreis Op.39 vertonte. Aus diesem Liederzyklus geht die berühmte „Mondnacht“ hervor. Auch Hugo Wolf (Windischgrätz 1860 – Wien 1903) vertonte 1889 in Wien Lyrik von Eichendorff, wo auch Studentenlieder vertreten sind. Besonders bekannt daraus sind „Nachtzauber“, „Verschwiegene Liebe“ oder „Der Musikant“. Weniger bekannt sind Eichendorff-Vertonungen von Hans Pfitzner (Moskau 1869 – Salzburg 1949). Trotz der umstrittenen Haltung des Komponisten während der Zeit des Nationalsozialismus, gelten seine Eichendorff-Vertonungen für viele Lied-Interpreten als einige der Schönsten.

Zu diesem Programm wird auch ein Lied von Bolko von Hochberg (Schloss Fürstenstein 1843 -Bad Salzbrunn 1929) hinzugefügt. Der Intendant des Königlichen Schauspielhauses in Berlin und Gründer der Schlesischen Musikfeste in Görlitz war selbst Komponist und schrieb viele Lieder. Das war der Grund, warum Ars Augusta e. V. einen internationalen Bolko-von-Hochberg-Liedwettbewerb im Jahr 2022 in Görlitz aus der Taufe gehoben hat. Viele junge Künstler aus Polen, Deutschland und anderen Ländern der Welt wurden dort Preisträger oder Finalisten und gaben bereits viele Liederabende in der Region. Einer dieser Liederabende findet am 18. Oktober 2023 im Oratorium Marianum mit dem Bariton Vincent Kusters und dem Pianisten Charlie Bo Meijering aus den Niederlanden statt.

Die Künstler Vincent Kusters und Charlie Bo Meijering.

Das Programm trägt den Titel „Nachtzauber“, wie das Lied von Hugo Wolf, das das Programm abschließt. Die restlichen Lieder sind eine repräsentative Anthologie der schönsten Gedichte Eichendorffs. An diesem besonderen Ort, dem Oratorium Marianum, wird ein internationales Publikum, Alt und Jung, das schlesische Erbe gemeinsam feiern können.

Der Eintritt zum Konzert ist frei. Spenden für den Publikumspreis „Silesia“ der kommenden Ausgabe des Internationalen Liedwettbewerbs „Bolko von Hochberg“ (26.-29. Mai 2024 in Görlitz) sind willkommen.

Das Projekt wird gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien über das Kulturreferat für Schlesien am Schlesischen Museum zu Görlitz. Die Idee für das Konzert entwickelte die Vorsitzende des Ars Augusta e. V., die in Wrocław (Breslau) geborene, polnisch-griechische Sängerin, Eleni Ioannidou.

Text: Eleni Ioannidou, Ars Augusta e. V.