Vor 85 Jahren vollzogen sich in Schlesien territoriale Veränderungen
Die Folgen waren von kurzer Dauer, der Zweite Weltkrieg änderte noch einmal die Karte Europas.
Ende September 1938 erkannten Großbritannien und Frankreich die Ansprüche Deutschlands auf das Sudetenland an und – in der Überzeugung, den Frieden zu retten – zwangen de facto im Münchner Abkommen die Regierung in Prag zu Gebietskonzessionen gegenüber dem Deutschen Reich. Die schwierige Situation der Tschechoslowakei nutzten anschließend Polen und Ungarn aus, um mit dem geschwächten Nachbarn alte Rechnungen zu begleichen.
Warschau forderte in einem Ultimatum den Anschluss der von polnischsprachiger Bevölkerung bewohnten Teile des Teschener Schlesien. Ungarn wurden wiederum im sog. Ersten Wiener Schiedsspruch mehrheitlich ungarisch besiedelte Teile der Südslowakei zugesprochen.
Am 1. Oktober überschritten die Verbände der Wehrmacht die Grenze zur Tschechoslowakei und besetzten in den Folgetagen die dem Deutschen Reich im Münchner Abkommen zugesprochenen Gebiete. Ihre Fläche betrug knapp 29.000 km2, ca. 85% der Bevölkerung machen dort Deutsche aus. Im fast gesamten ober- und niederschlesischen Abschnitt wurde die deutsch-tschechoslowakische Grenze nach Süden verschoben – am tiefsten, um. ca. 70 km, im Raum Sternberg (Šternberk) – Mährisch Trübau (Moravská Třebová).
Westlich von Bad Kudowa (Kudowa Zdrój) befand sich wiederum eine der wenigen Stellen an der bisherigen deutsch-tschechoslowakischen Grenze, die von den Münchner Bestimmungen unberührt blieben. Da die gegenüber diesem niederschlesischen Kurort gelegene Stadt Nachod (Náchod) fast ausschließlich von Tschechen bewohnt war, blieb die Trennungslinie dort unverändert. Bei den an Deutschland angeschlossenen Gebieten handelte sich um Teile der historischen Regionen Böhmen und Mähren sowie den größeren Teil Tschechisch-Schlesiens.
Forderungen des polnischen Staates
Nach dem Abschluss des Münchner Abkommens stellte Warschau ein Ultimatum an die Prager Regierung. Angesichts ihrer ausweglosen Situation akzeptierte die Tschechoslowakei die darin enthaltenen Forderungen. Daraufhin besetzte die polnische Armee zwischen dem 2. und dem 11. Oktober 1938 das Olsagebiet – den überwiegend von polnischsprachiger Bevölkerung bewohnten Teil des Teschener Schlesien (insgesamt ca. 900 km2). Warschau sah darin einen „Akt der historischen Gerechtigkeit“, da die 1920 im Teschener Schlesien gezogene Grenze aus polnischer Perspektive ein „Ergebnis des tschechischen Verrats“ gewesen sei und in dieser Form nur deshalb durchgesetzt worden sei, weil Polen damals im Osten einen erschöpfenden Krieg gegen das Sowjetrussland geführt habe.
Territorialen Veränderungen von kurzer Dauer
Die territorialen Veränderungen infolge des Münchner Abkommens waren nur von kurzer Dauer. Nach der Zerschlagung des tschechoslowakischen Reststaates im März 1939 wurde die nur fünf Monate zuvor festlegte Staatsgrenze auf die Grenze zwischen dem Reich und dem von Berlin abhängigen Protektorat Böhmen und Mähren reduziert. Nicht einmal ein Jahr dauerte die Zugehörigkeit des Olsagebietes zu Polen. Bereits im September 1939 wurde es nach der Teilung des Landes zwischen Deutschland und die Sowjetunion dem Reich einverleibt. Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieg wurden alle Bestimmungen des Münchner Abkommens und die als dessen Folge durchgeführten Grenzverschiebungen für ungültig erklärt. Die ursprüngliche deutsch-tschechoslowakische Grenze wurde somit in ihrem ober- und niederschlesischen Abschnitt 1945 zur Grenze zwischen der Tschechoslowakei und Polen bzw. den polnisch verwalteten Gebieten und im Teschener Schlesien setzte Moskau die Wiederherstellung der polnisch-tschechoslowakischen Grenze von 1920 durch.
Text: Dawid Smolorz