Stolpersteine für Mitglieder der jüdischen Familie Herz in Breslau (Wrocław)

Vier neue Stolpersteine wurden am 19. Februar 2024 vor dem Sitz der Stiftung OP ENHEIM in Breslau eingelassen

Sie erinnern an Olga, Hilde, Walter und Steffi Herz, deren Leben sich vor dem Zweiten Weltkrieg in diesem Mietshaus abspielte.

Vier Stolpersteine für Mitglieder der jüdischen Familie Herz wurden am 19. Februar 2024 in den Bürgersteig vor dem Sitz der Stiftung OP ENHEIM in Breslau (Wrocław) auf dem Plac Solny 4 (früher Blücherplatz) eingemauert. Sie erinnern an Olga, Hilde, Walter und Steffi Herz, deren Leben sich vor dem Zweiten Weltkrieg in diesem Mietshaus abspielte.

Vier neue Stolpersteine in Breslau (Wrocław).

Das Bürgerhaus wurde 1810 auf die Veranlassung des Bankiers Heymann Oppenheim gebaut (das Datum und der Buchstabe “O” sind in dem Eingangsportal sichtbar), später diente es der jüdischen Stiftung Oppenheim als Sitz. Die Gelder aus der Miete erlaubten der jüdischen Gemeinde karitative Tätigkeit zugunsten ihren Mitgliedern. Im dem Gebäude befanden sich zahlreiche Geschäfte und Wohnungen, u. a. das 1894 von Ludwig Herz eröffnete Schuhgeschäft. Das Geschäft bot eine große Auswahl an handgefertigten Schuhen an und war für die hohe Qualität der verkauften Produkte bekannt. Ludwig Herz warb für sein Geschäft mit einem einprägsamen Slogan, der sich auf den Familiennamen bezog: „Mit dem Herz auf der Sohle“.

Das Oppenheim-Bürgerhaus auf dem Blücherplatz vor dem Zweiten Weltkrieg. Im Erdgeschoss ist das Herz-Schuhgeschäft sichtbar (Quelle: www.polska-org.pl).

In den folgenden Jahrzehnten erweiterte die Familie Herz ihr Geschäft durch die Einführung des Versandhandels, der ihre Schuhe in fast alle Kontinente brachte. Ludwig Herz war Meister des Marketings. Er beklebte Eisenbahnwaggons mit dem Herz-Logo und stellte sein Unternehmen bei wichtigen Ereignissen der Stadt, wie z. B. bei der Eröffnung der Jahrhunderthalle, vor. Seine Familie trug die schönsten Schuhe in der Stadt – das kann man noch heute auf den Fotos sehen.

Bald konnte die im Geschäft erfolgreiche Familie in ein neues schönes Haus in der Kaiser-Wilhelm-Straße (heute Powstańców Śląskich) einziehen. Das Geschäft blieb aber auf dem Blücherplatz. Ludwig Herz starb 1924. Die Leitung des Unternehmens übernahm sein 28-jähriger Sohn unterstützt von seiner Frau Hilde und seiner Stiefmutter Olga.

Das Leben der Familie Herz änderte sich drastisch in den 1930er Jahren. Das Schuhgeschäft wurde 1936 in eine von der NSDAP erstellte Liste jüdischer Geschäfte aufgenommen: der NS-Propaganda nach, wer in solchen Geschäften einkaufe, schade sich selbst und dem Vaterland. Die Familie Herz und andere jüdische Bewohner des Mietshauses erlebten zunehmende Repressionen, die ihren Gipfel in der Pogromnacht hatten (die damals 10-jährige Steffi hat die brennende Neue Synagoge gesehen).

Walter Herz beschloss zu emigrieren und schaffte es fast in letzter Minute, ein Visum für Chile zu erhalten (der Bruder seiner Frau, der sich bereits dort niedergelassen hatte, half dabei). Die Familie verließ Breslau am 1. August 1939. Das Geld konnte sie nicht mitnehmen, aber Walter gelang es, einige Dokumente und Familienerbstücke zu retten. Nur Olga Herz, Ludwigs zweite Frau, blieb am Blücherplatz zurück. Sie wurde 1942 in das Durchgangslager in Grüssau (Krzeszów) und später nach Theresienstadt deportiert. Dort wurde sie am 27. Dezember 1942 im Alter von 73 Jahren ermordet.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es niemanden mehr, der sich an die Familie Herz erinnern konnte. Die Grenzen wurden verschoben, neue Einwohner sind in die Stadt gekommen, aus Breslau wurde das polnische Wrocław. Im Jahre 2012 wurde das Bürgerhaus auf dem Salzmarkt von der polnischen Geschäftsfrau Viola Wojnowski aus Berlin gekauft, saniert und für den Sitz der Stiftung OP ENHEIM bestimmt. Zur Erinnerung an die Familie Herz wurde der Multifunktionsraum im Dachgeschoss des Gebäudes “Herz-Salon” genannt.

Die Stiftung startete das Projekt “Mit Herz für die Geschichte – auf den Spuren der Familie Herz” („Z sercem do historii – śladami rodziny Herz”). Einige Freiwillige wurden engagiert, ein Bildungs- und Kunstprojekt zu entwickeln, das die Geschichte der Familie und ihres Schuhgeschäfts im Vorkriegs-Breslau erzählen sollte. Es sind zahlreiche Mini-Projekte entstanden wie z. B. ein Schaufenster, wo die Geschichte des Schuhgeschäfts präsentiert wird, Postkarten, wo die Mitglieder der Herz-Familie dargestellt werden, eine künstlerische Installation, die an die Pogromnacht erinnert, eine Kindergeschichte, eine Internetseite, die wie ein Profi-Schuhgeschäft aussieht, aber unter den Produkten Geschichten versteckt, die mit der Familie Herz verbunden sind. Die Stiftung OP ENHEIM hat ganz viele Materialien von Steffi Herz bekommen, u. a. auch das Hochzeitmenü von Hilde und Walter Herz, wo zur Nachspeise die dreifarbige Hermann-Pückler-Eistorte serviert wurde.

Die künstlerische Installation, die an die Pogromnacht (genannt auch Kristallnacht) erinnert.

Die Verlegung der Stolpersteine war auch ein Teil des Projekts „Mit Herz für die Geschichte – auf den Spuren der Familie Herz“.

Mehr über die Veranstaltung und über die Tätigkeit der Stiftung OP ENHEIM kann man unter https://openheim.org/pl/kamienica/op-enheim/ finden.

Text und Bilder: Małgorzata Urlich-Kornacka