Ein Symbol des Breslauer Stadtrates wieder im Rathaus der Odermetropole

Nach fast 80 Jahren kehrt ein silbernes Kreuz aus dem Jahre 1652 zurück

Es ist besonders wichtig für die Geschichte der Stadt als Symbol ihrer Freiheiten und Selbstverwaltung.

Es handelt sich um das Kruzifix, das dem Breslauer evangelischen Stadtrat gehörte. Gestiftet wurde es von einem der Ratsherren – Johannes von Götz und Schwannenflies. Auf der Rückseite des Kreuzes steht die Inschrift: „Johann Götz Cämmrer und im Rath / zum Gdechtniß mich verehret hat“. Fast 300 Jahre lang legten die neuen evangelischen Mitglieder des Stadtrates und wahrscheinlich auch die neuen Bürger der Stadt einen Eid auf dieses Kruzifix.

Das Kruzifix aus dem Jahr 1652. Das originale, mit Samt ausgekleidete Lederetui ist ebenfalls erhalten geblieben.

Vor kurzem wurde das Kreuz von einem Auktionshaus in Bamberg ausgestellt. „Ich habe sofort den Direktor der Kulturabteilung der Stadt benachrichtig. Die Entscheidung für den Kauf wurde von dem jetzigen Stadtrat einstimmig eingenommen. Der Breslauer Stadtrat hat zwar eine Kopie, die vor einigen Jahren anhand der Katalogbilder von dem Breslauer Juwelier gefertigt wurde, aber das Original ist natürlich etwas Besonderes“ – sagt Dr. Maciej Łagiewski, Direktor des Stadtmuseums. Und so wurden Mittel für den Kauf freigegeben.

Der Breslauer Stadtrat, 23 Mitglieder des Breslauer Stadtrates auf einem Gemälde aus dem Jahr 1668, das in der Ratsältestenstube des Rathauses hängt – das Bild von Georg Scholtz dem Jüngeren.

Der historische Gegenstand, der bis 1945 im Breslauer Rathaus aufbewahrt wurde, ging nach dem Zweiten Weltkrieg verloren – niemand wusste, was mit ihm passiert ist. Vielleicht wurde er von einem Beamten mitgenommen. Das Kreuz war nicht im Museumsinventar aufgeführt (gehörte ja dem Stadtrat), wurde also nie als Kriegsverlust anerkannt und konnte deshalb nicht auf dem Rechtsweg wiederbeschaffen werden. „Wir wissen, dass es sich in den 1950er Jahren in der Sammlung eines Anwaltes befand, danach wurde es verkauft.

Von links: Johannes von Götz und Schwannenflies, Stifter des Kruzifixes und Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau, Ratsherr und Dichter, ein Teil des Bildes von Georg Scholz dem Jüngeren.

Die neuen Besitzer stellten das Kruzifix dem Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg als Dauerleihgabe zur Verfügung. Dort wurde es zwar ausgestellt, befand sich aber die ganze Zeit im Privatbesitz. Als sich die Besitzer entschieden haben, es zu verkaufen, haben sie einige Museen benachrichtigt, u. a. das Stadtmuseum in Wrocław. „Dieses Kruzifix ist für uns ein Gegenstand von einem unschätzbarem Wert. Es geht hier nicht darum, dass es ein Werk des Breslauer Goldschmiedes ist. Es ist besonders wichtig für die Geschichte der Stadt, die ihre Freiheiten bewahrte, sich selbst verwaltete und sich den Königen ebenbürtig fühlte“ – erzählt Dr. Maciej Łagiewski, der besonders stolz auf den Kauf ist.

„Die Gruppe der Macht“, also die acht Mitglieder des ordentlichen Rates.

Das Kruzifix ist ein Werk des Goldschmieds Gottfried Vogel – es ist aus Silber gemacht, seine Enden haben die Form eines dreiblättrigen Kleeblatts. Auf Kleeblättern sind Symbole der vier Evangelisten sichtbar: der Adler steht für Johannes, der Löwe für Markus, der Stier für Lukas und der Mensch für Matthäus.

Sindikuse Petrus von Stolzedof mit dem Kruzifix und Andreas Assig mit dem aufgeschlagenen Buch (wahrscheinlich Bibel), ein Teil des Bildes von Georg Scholz dem Jüngeren.

Das Kruzifix kann seit dem 14. Februar 2024 – also ab dem Aschermittwoch (der Tradition nach wurde am Aschermittwoch der Stadtrat ausgewählt) – im Rathaus besichtigt werden. Und wahrscheinlich bleibt es dort in der Dauerausstellung. Es gibt einen besonderen Grund dazu: in einem Saal des Rathauses – in der Ratsältestenstube – hängt nämlich ein Bild von Georg Scholz dem Jüngeren, auf dem 23 Ratsherren dargestellt wurden. Und unter ihnen wurde der Stifter des Kreuzes und das Kreuz selbst verewigt! Das Bild ist 3 Meter hoch und 5 Meter breit und stellt den Stadtrat in dem Jahre 1668. Jeder Funktion im Stadtrat wurde ein Sitz im Saal zugewiesen: links sind sieben jüngere Schöffen: Sigismund Schreiber, Christoph Grundmann, Sigismund Reinhart von Pein, Georg Ernst von Kohlhaas, Sigismund von Seifert, Adam Kaspar von Arzat und Johann Sigismund von Haunold. Weiter an dem Ratstisch sitzen acht Mitglieder des ordentlichen Rates, also „die Gruppe der Macht“: Johannes von Götz und Schwannenflies – der Stifter des Kreuzes, Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (Vertreter der sogenannten „Zweiten Schlesischen Dichterschule“ und Begründer des „galanten Stils“ in der deutschsprachigen Poesie), Augustin Heinrich von Kromayer, Samuel von Säbisch, Johann Burkhard von Löwenburg, Adam Wenzeslaus von Reichel, Jacob Fiedler und Melchior Schlecht. Rechts sind vier ältere Schöffen zu sehen: David von Eben und Brunnen, Sigismund von Fürst, Matthäus Riedel von Löwenstern, Ferdinand von Mudrach. Weiter an dem Pult kann man zwei Syndikuse Petrus von Stolzedorf – bei ihm liegt eben das Kruzifix – und Andreas Assig sehen. Der zweite hält die rechte Hand auf der Brust, die linke Hand auf einem aufgeschlagenen Buch (wahrscheinlich Bibel). Ganz rechts sind Sekretäre (Schriftführer) Johannes von Kretschmar und David Hoffman sichtbar.

Warum ließen sich die Ratsherren auf dem Bild porträtieren? In dem Jahr der Entstehung des Bildes (1668) traf der Rat die Entscheidung über den Bau des Zuchthauses. Der Stolz auf so eine wichtige Institution und zugleich auf ein gewaltiges architektonisches Werk war so groß, dass die Ratsherren den Eindruck hatten, sich verdient gemacht zu haben und verewigen zu müssen.

Das Bild und das wiedergewonnene Kreuz kann man im Breslauer Rathaus im Muzeum Sztuki Mieszczańskiej sehen.

Text und Bilder: Małgorzata Urlich-Kornacka

Quellen:

Anna Jezierska: „Wrocławska Rada Miejska w portretach Georga Scholza Młodszego”, 2008

Beata Maciejewska: „Sensacyjnie odnaleziony symbol Wrocławia. 370-letni krucyfiks przysięgowy wraca do ratusza”.