Im Oppelner Teil Oberschlesiens wurden deutsch-polnische Ortstafeln mittlerweile zu einem festen Bestandteil der Landschaft
Sie sind eines der sichtbaren Ergebnisse der am 6. Januar 2005 verabschiedeten Rechtsakte.
Bis 2005 konnten sich die in Polen lebenden Minderheiten auf die polnische Verfassung bzw. auf bilaterale Verträge berufen – die deutsche Volksgruppe beispielsweise auf den 1991 zwischen der Bundesrepublik und Polen abgeschlossenen Nachbarschaftsvertrag. Erst mit der Verabschiedung des „Gesetzes über nationale und ethnische Minderheiten sowie die Regionalsprache“ – so der vollständige Name dieses Dokuments – wurde aber ein umfassender Rahmen für den Schutz aller in Polen ansässigen ethnischen Gruppen geschaffen.
Der Weg dazu war aus mehreren Gründen lang und steinig. Denn einerseits spielte das Thema im politischen Leben eher eine untergeordnete Rolle. Schließlich war der Anteil der Angehörigen nationaler und ethnischer Minderheiten nach der Westverschiebung der Landesgrenzen 1945 relativ niedrig. Anderseits gab es innerhalb der Mehrheitsbevölkerung zum Teil dennoch Vorbehalte und in einigen Kreisen sogar die Überzeugung, man solle anderen nationalen Gruppen nicht zu viele Privilegien einräumen. Zurückzuführen war diese Einstellung vor allem auf die negativen Erfahrungen mit den Minderheiten in der multinationalen Republik Polen der Zwischenkriegszeit und während des Zweiten Weltkrieges. In den ersten Jahren nach der politischen Wende von 1989 gelang es deshalb den konservativen und nationalen Gruppierungen im Warschauer Sejm, die Arbeiten an einem Minderheitengesetzt mit Erfolg zu torpedieren. So kurios es klingen mag (schließlich waren die polnischen Kommunisten alles andere als minderheitenfreundlich), verbesserte sich das Klima für dieses Anliegen erst nach 2001, als das postkommunistische Bündnis der Demokratischen Linken (SLD), die linke Arbeitsunion (UP) und die Bauernpartei (PSL) eine Koalitionsregierung bildeten und die parlamentarische Mehrheit stellten.
Nationale und ethnische Minderheiten in Polen
Das 2005 verabschiedete Gesetz entspricht völlig den EU-Standards. Den Angehörigen alteingesessener nicht-polnischer Bevölkerungsgruppen garantiert es unter anderem das Recht auf den Gebrauch der Muttersprache in der Verwaltung, das Recht auf muttersprachlichen Unterreicht sowie die Wahrung und die Entfaltung der eigenen Kultur. Die Rechtsakte nennt neun nationale und vier ethnische Minderheiten, die in Polen offiziell anerkannt sind und somit in den Genuss der Bestimmungen des Gesetzes kommen. Zu der ersteren Gruppe gehören die Deutschen, die Weißrussen, die Tschechen, die Litauer, die Armenier, die Russen, die Slowaken, die Ukrainer und die Juden. Zu der letzteren zählen die Tataren, die Lemken, die Karäer und die Roma.
Der langjährige Vertreter der deutschen Volksgruppe im Warschauer Parlament, Henryk Kroll, der an den Arbeiten am Minderheitengesetz beteiligt war, bezeichnete es als Höhepunkt seiner politischen Karriere: „In diesem Dokument steht alles, was uns wichtig war. (…) Ehrlich gesagt haben wir nicht damit gerechnet, dass zweisprachige Ortstafeln akzeptiert werden, weil diesbezüglich von vielen Seiten Bedenken geäußert wurden. Stark hat dagegen beispielsweise das Oppelner Woiwodschaftsamt protestiert. Es hat uns schon geholfen, dass das Gesetz in einem Wahljahr auf den Tisch kam. Viele Abgeordnete waren mit ihren Gedanken schon beim Wahlkampf und wollten die Diskussionen über Minderheitenrechte nicht ins Unendliche hinauszögern“ (Quelle: „Wir kamen aus dem Nichts“)
Polnisches Minderheitengesetz von 2005 in deutscher Sprache und im Original.
Text: Dawid Smolorz