Nach 1945 ließen sich in Niederschlesien nicht nur Polen aus den von der Sowjetunion annektierten und zentralen Regionen Polens nieder
Auch eine Gruppe polnischer Rückwanderer aus Bosnien war dabei.
Außer den Polen aus den von der Sowjetunion annektierten östlichen Woiwodschaften und den zentralen Regionen des Landes ließ sich in Niederschlesien nach 1945 auch eine Gruppe polnischer Rückwanderer aus Bosnien nieder. Wie kam es dazu?
Im Jahr 1878 wurden Bosnien und Herzegowina unter österreichisch-ungarische Verwaltung gestellt. Obwohl das Land nominell weiterhin Bestandteil des Osmanischen Reiches blieb, betrieben Wien und Budapest in ihrem Kondominium fortan eine aktive Besiedlungspolitik. In die Täler des Balkans zogen nun außer Deutschen, Ungarn, Ruthenen und Tschechen auch Polen – vor allem bisherige Einwohner der österreichischen Kronländer Galizien und Bukowina. Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Zerfall der Habsburgermornarchie wurden die polnischen Siedler zu Bürgern des neugebildeten Vielvölkerstaates Jugoslawien. Ihre alte und neue Heimat trennten nun mehrere Grenzen. Die jugoslawische Verwaltung behandelte die Siedler misstrauisch, was sich unter anderem in der Schließung der polnischen Schulen äußerte. Das Zusammenleben mit den südslawischen Nachbarn gestaltete sich bis zum deutsch-ungarischen Angriff auf Jugoslawien im April 1941 dennoch größtenteils harmonisch.

Während des Zweiten Weltkrieges wurde der Balkan abgesehen von den regulären Kampfhandlungen zum Schauplatz eines brutalen ethnischen Konflikts zwischen den Serben und den Kroaten. Seit 1941 gerieten somit die Polen zwischen die Mühlsteine und wurden immer häufiger zu Opfern der rivalisierenden Parteien. Die meisten Nachkommen der galizischen und bukowinischen Siedler konnten sich daher ihr Leben in einem Land, über das sich eine Welle von grausamster Gewalt ergossen hatte, nicht mehr vorstellen. So beschlossen sie, nach etwa sechs Jahrzehnten Bosnien zu verlassen. Die Entscheidung fiel umso leichter, als die kommunistische Regierung in Warschau bestrebt war, die 1945 unter ihre Verwaltung gestellten Ostprovinzen des Deutschen Reiches nach der Vertreibung der deutschen Bevölkerung mit Polen zu besiedeln.
Anfangs schätzte man die Zahl der ausreisewilligen Polen auf etwa 20.000. Am Ende entschlossen sich 15.301 Menschen aus knapp 3.000 Familien für eine Umsiedlung, die dann 1946 und 1947 erfolgte. Die meisten Nachkommen der polnischen Auswanderer wurden im niederschlesischen Kreis Bunzlau (Bolesławiec) angesiedelt. In Tschirne (Czerna), Herrmannsdorf (Kierżno), Paritz (Parzyce) und Thiergarten (Zabłocie) machten sie sogar 100 Prozent der Einwohner aus. Der südwestliche Teil des Kreises Bunzlau um das Städtchen Naumburg am Queis (Nowogrodziec) bildete ein weitgehend geschlossenes Siedlungsgebiet der bosnischen Polen. Überdies wurden die Rückwanderer in den Gegenden um Alt Warthau (Warta Bolesławicka), Gremsdorf (Gromadka) und Tiefenluft (Parowa) angesiedelt.

Während die Polen aus den von der Sowjetunion annektierten Ostgebieten, die ebenfalls in Niederschlesien angesiedelt wurden, noch lange auf eine Rückkehr in die Heimat hofften, war das für die Rückwanderer aus Bosnien überhaupt kein Thema. Die übernommenen deutschen Bauerhöfe betrachteten sie daher nicht als vorläufiges, sondern als endgültiges Domizil. Dies wirkte sich auch auf die Art und Weise aus, wie man mit den Immobilien und deren Umgebung umging und im Endeffekt auch auf die Ästhetik der „bosnischen“ Dörfer. Deshalb machen sie auch heute in der Regel einen besseren Eindruck als die zum Teil vernachlässigten Orte, welche nach Kriegsende von den Ostpolen besiedelt wurden.

Die Rückwanderer und ihre Nachkommen sind in einem in Bunzlau tätigen Verein versammelt (Stowarzyszenie Reemigrantów z Bośni, ich Potomków oraz Przyjaciół). Im Jahr 2016 wurde das 70. Jubiläum der Umsiedlung nach Niederschlesien mit mehreren Veranstaltungen feierlich begangen. Im Juli wird wiederum in dem bei Naumburg am Queis gelegenen Gießmannsdorf (Gościszów) das alljährliche bosnische Schweinebratenfest Pečenica organisiert.
Das Schicksal der Rückwanderer thematisiert der Dokufilm „Nasza Bośnia“ (Unser Bosnien) das auf YouTube in polnischer Sprache verfügbar ist.
Text: Dawid Smolorz