Mit der Verleihung des Kulturerbe-Siegels wird die Bedeutung von Lamsdorf als einer wichtigen europäischen Gedenkstätte hervorgehoben
Neben Lamsdorf ist auch die Breslauer WuWA-Siedlung unter den Ausgezeichneten.
Unter den Gedenkstätten Oberschlesiens nimmt Lamsdorf/ Łambinowice einen besonderen Platz ein. Nicht nur, weil sie mit 133 ha die flächenmäßig größte in der Region ist. Ein Unikum ist, dass sich in diesem Ort während aller größeren Konflikte zwischen 1870 und 1945 Lager für Angehörige gegnerischer Armeen befanden. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm die polnische Verwaltung das bisherige deutsche Gefangenenlager und verwandelte es in ein Arbeits- und Internierungslager für oberschlesische Deutsche.
Während des preußisch-französischen Krieges hielten sich in Lamsdorf ca. 3.000 französische Gefangene auf. In der Zeit des Ersten Weltkrieges wurden dort insgesamt ca. 90.000 Soldaten der Entente-Armeen gefangen gehalten, unter anderem britische, russische, serbische und italienische Staatsangehörige. Das dunkelste Kapitel in der Geschichte der Lamsdorfer Lager stellen der Zweite Weltkrieg und die Periode danach dar. Von den ca. 400.000 Soldaten von mehr als 40 Nationalitäten, die dort inhaftiert waren, überlebten ca. 42.000 die Gefangenschaft nicht. Dramatisch war vor allem die Lage in dem sogenannten Russenlager, in dem unmenschliche Verhältnisse herrschten – beispielsweise wurden viele sowjetische Soldaten anfänglich in Erdhöhlen untergebracht, die sie selbst graben mussten.
Zwischen Juni 1945 und September 1946 wurden in dem mittlerweile offiziell zu Łambinowice umbenannten Ort zwischen 5.000 bis 10.000 deutsche Zivilisten aus Oberschlesien inhaftiert, auf brutale Weise schikaniert und zur Zwangsarbeit verpflichtet. Etwa 1.000 von ihnen fanden dort den Tod. 1964 entstand in Lamsdorf das Zentrale Museum der Kriegsgefangenen, wobei die Nachkriegsgeschichte des Lagers bis zum Fall des Kommunismus 1989 aus allgemein bekannten Gründen ein Tabu war.
Mit der Verleihung des Kulturerbe-Siegels wird die Bedeutung von Lamsdorf als einer wichtigen europäischen Gedenkstätte hervorgehoben. Die Auszeichnung, die bisher 48 Stätten bzw. Phänomenen zuerkannt wurde, hat ausschließlich einen Prestigewert und ist mit keiner finanziellen Förderung verbunden.
Text: Dawid Smolorz
Foto: Dawid Smolorz/Julo, Wikimedia Commons/Jacques Lahitte, Wikimedia Commons
Lamsdorf/ Łambinowice in Literatur
Zum schwierigen Thema der unmittelbaren Nachkriegsgeschichte des Lagers veröffentlichte die polnische Journalistin, Reporterin und Buchautorin Magdalena Grzebałkowska Ende 2014 die Reportage „Singt, ihr Nazis!“ in der großen polnischen Tageszeitung “Gazeta Wyborcza”. Der Text wurde 2015 mit dem Deutsch-Polnischen Tadeusz-Mazowiecki-Journalistenpreis ausgezeichnet und auch im 2015 erschienenen Buch der Autorin “1945. Wojna i pokój” (1945. Krieg und Frieden) mit veröffentlicht.
Mit Zustimmung der Autorin und der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit dürfen wir Ihnen den Text hier präsentieren. Die Rechte liegen beim Verlag Agora.
Zusatztext von Agnieszka Bormann