Beckmann: die erloschene Marke der Automobilgeschichte

Vor 120 Jahren schlug die Geburtsstunde des ersten Motorwagens aus Breslau

Beckmann-Wagen waren die ersten und auch die einzigen Kraftfahrzeuge, die komplett in Breslau entwickelt und hergestellt wurden.

Im Breslauer Adressbuch von 1874 findet sich die erste Erwähnung der Familie Beckmann. Zunächst spezialisiert sich Otto Beckmann Senior auf die Metallverarbeitung. Sein Unternehmen stellt u. a. Rohrleitungen aus Metall und Uhrmacherteile her.

Bevor Beckmann sich einen Namen als Automobilbauer machte, produzierte er Fahrräder, damals Velocipede genannt. Die 1884 gegründete Erste Schlesische Velociped-Fabrik gehörte zu den besten in der Region. Otto Beckmanns Sohn Paul ist der Einstieg in die Automobilindustrie zu verdanken.

„Der Beckmann-Wagen war keinesfalls ein Serienfahrzeug“, so Karol Machini, Automobilhistoriker. „Durch die Sitzanordnung und genau gesagt, die vis-à-vis-Bestuhlung, ähnelte der erste Beckmann-Wagen mehr einer Kutsche wie etwa einem Landauer oder einer Chaise als einem Kraftfahrzeug.   Der Fahrer saß in Fahrtrichtung und drehte mit der Kurbel nach rechts und nach links.“

Die Familie Beckmann verfolgte das Ziel, ihre Automobile in hohen Stückzahlen zu verkaufen, deshalb wurde für ein Netz an Vertriebsbüros gesorgt, u. a. in Berlin, Leipzig und Frankfurt am Main. Das erfolgreichste aber hatte seinen Sitz in Petersburg. Zu den Kunden gehörte auch die russische Zarenfamilie, die 1908 einen Beckmann-Wagen kaufte. Im gleichen Jahr erwarb ein Berliner Taxiunternehmen 50 Fahrzeuge mit dem Markennamen Beckmann.

Obwohl der Motorwagenhersteller aus Breslau über einen relativ kurzen Zeitraum auf dem Automobilmarkt tätig war, ging er in die Automobilgeschichte als Erfinder des ersten Sicherheitsgurtes ein: Es war ein einfacher über das Becken verlaufender Lederriemen.

Ilse Beckmann, Paul Beckmanns Tochter, begann 1922 ihre Karriere als Rennfahrerin und so konnte das Unternehmen sein Markenimage auch via Motorsport stärken. Ilses Beifahrer war vorläufig Rudolf Caracciola selbst, der größte Automobilrennfahrer seiner Zeiten. Ihre Rennaktivitäten waren jedoch bis auf Autorennen von regionaler Bedeutung begrenzt. 1926 steigt sie auf den Sportwagen SL 40 von Beckmann, mit 42 PS starkem Motor um. Sie ist eine vielversprechende Rennfahrerin. Erwähnenswert ist ihre Bravourleistung, als sie auf den bloßen Felgen die Ziellinie überquerte.

Nach Ende des Ersten Weltkriegs veränderte sich der Weltmarkt tiefgreifend und viele Kleinunternehmen gerieten in eine Schieflage. Auch die Zukunft von Beckmann stand auf wackeligen Beinen. Nach Kriegsende nahm das Unternehmen seine Tätigkeit im Automobilbau zwar wieder auf, aber erst 1924 wurden zwei neue Modelle auf den Markt gebracht: eine Limousine und ein Sportwagen. Beckmann Otto & Co. Automobil-Fabrik  wurde 1927 mitsamt den 150 Beschäftigten an Opel verkauft. Familie Beckmann betrieb die Verkaufs- und Kundendienst-Werks-Niederlassung, die von Opel anstelle der vorherigen Produktionsstätte gegründet wurde. Otto Beckmann Junior war bis 1945 deren Geschäftsführer.

Ein Oldtimer aus Breslau befindet sich heutzutage in privaten Händen: Ein Fan klassischer Automobile aus Norwegen besitzt einen echten Beckmann-Wagen Baujahr 1911.

Textvorlage: Radio Wrocław
Bildquelle: Radio Wrocław/Fotoarchiv der Familie Beckmann/Rune Ashima
Übersetzung: Jowita Selewska