Geheimnisse um das „Breslauer Gold“ wohl gelüftet

Jahrzehnte lang wurde in Polen nach dem Gold der Breslauer Banken gesucht

Das neue Buch von Tomasz Bonek beendet die Spekulationen – und auch die Legende vom „Goldzug”.

Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurden im Untergeschoss des Polizeipräsidiums Breslau/ Wrocław Kisten mit dem Inhalt der Bankschließfächer angehäuft. Es handelte sich um rund siebzig Tonnen Goldbarren. Diese sollten im Frühjahr 1945 den Weg in Richtung Riesengebirge nehmen und an einem geheimen Ort versteckt werden. Ihr Verbleib ist bis zum heutigen Tag ungeklärt und das Gold wartet womöglich noch darauf, gefunden zu werden. Um das Kriegsende ranken sich viele Legenden, aber diese – wohl bekannteste – befeuert die Fantasie der Schatzsucher und wird von einer Generation an die nächste weitergegeben. Und wie war es wirklich?

Mit diesem Thema setzte sich Tomasz Bonek auseinander, Autor des in polnischer Sprache soeben erschienenen Buches Zaginione złoto Hitlera. Bezpieka PRL na tropie skarbu Festung Breslau (Hitlers verschollenes Gold. Der Sicherheitsdienst der Volksrepublik Polen dem Schatz Festung Breslau auf der Spur). Der Schriftsteller und Journalist stieß auf neue Dokumente, aus denen er sensationelle Schlüsse zog.

„Die Geschichte von siebzig Tonnen Goldbarren beginnt nicht während des Krieges, wie allgemein angenommen, sondern einige Jahre nach Kriegsende, als der polnische Sicherheitsdienst ein Unternehmen für die Geländeerforschung (poln. Przedsiębiorstwo Poszukiwań Terenowych) gründete. Dessen Suchtrupps wurden beauftragt, vor allem Industriemaschinen, Nichteisenmetalle und andere Rohstoffe, die die Deutschen beim Verlassen der Region zurückgelassen hatten, ausfindig zu machen. Es wurden diesbezüglich viele hunderte Augenzeugen verhört. Die beteiligten Inspekteure hörten oft Berichte über Orte, an denen angeblich Schätze verborgen lagen. Darunter auch von Herbert Klose, einem Augenzeugen, der aussagte, beim Wegschaffen der Kisten mit Gold aus dem Polizeipräsidium Breslau mitgemacht zu haben. So wurde eine Suchmaschinerie in Gang gesetzt, die sich nicht mehr aufhalten ließ“, erklärt Tomasz Bonek.

Niemand weiß, wo die detaillierten Informationen zu der Menge der Goldbarren ihren Ursprung haben. In den 1980er Jahren machten sich jedenfalls Geheimdienst, Militär und Vertreter der polnischen Regierung auf die Schatzsuche. Im Rahmen einer gemeinsamen Suchoperation wurde u.a. die ehemalige Zisterzienseranlage in Leubus/ Lubiąż, die größte ihrer Art in Niederschlesien, durchsucht. Im Übrigen wurde das gesamte Riesengebirge zum Suchgebiet erklärt. Alles erfolgslos. Die vom Staat in Auftrag gegebenen Suchaktivitäten haben jedoch die Legendenbildung befördert und immer neue Geschichten heraufbeschworen. Nach einer gewissen Zeit tauchte schließlich das Gerücht auf, „das Gold aus Breslau“ sei vermeintlich mit dem Zug abtransportiert worden, was im Jahr 2015 ein großes Goldfieber rund um den „Goldzug“ auslöste.

Infolge seiner Archivrecherche brachte Tomasz Bonek manche bis dato unbekannte Dokumente ans Tageslicht, die die letzten Wochen vor dem Einmarsch der Roten Armee in Breslau schildern. Aus den Archivalien geht hervor, dass die Breslauer Banken bis in die letzten Kriegstage Bargeld auszahlten. Die Geschichte von Herbert Klose über das vermeintliche Gold erscheint unglaubwürdig. Wahrscheinlich versuchte er auf diese Art und Weise den Verdacht, ein Mitglied der Gestapo und später subversiver Gruppierungen zu sein, von sich zu weisen. Ihm war auch daran gelegen, in Niederschlesien bleiben zu dürfen. Seine vermutlich erfundene Geschichte beförderte die Legendenbildung über „das Gold aus Breslau“, die sich bis heute hält.

Boneks neuerschienenes Buch ist nicht der einzige Grund, warum das Thema der Breslauer Banken wieder aufgegriffen worden ist. In Wrocław wurden kürzlich einige historische Gebäude in der Altstadt saniert, in denen früher Banken untergebracht waren. Am ehemaligen Sitz der Schlesischen Boden-Credit-Actien-Bank in der Nähe des Rings wurden dabei acht alte durch die Firma Panzer AG Berlin entwickelte Tresore vom Anfang des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt. Auch sie tragen dazu bei, dass die Legende vom Gold aus Breslau neue Nahrung erhält.

Text und Bilder: Joanna Lamparska
Übersetzung: Jowita Selewska