In Niederschlesien bricht erneut das Schatzfieber aus – ein Schloss profitiert davon ganz besonders
Die Stiftung Schlesische Brücke zeigt Dokumente, die auf konkrete Verstecke hinweisen.
Fünf Jahre nach dem großen Goldfieber rund um den „Goldzug“ von Waldenburg/ Wałbrzych ist es wieder soweit: In Niederschlesien bricht erneut das Schatzfieber aus.
Diesmal sorgt die Deutsch-Polnische Stiftung Śląski Pomost (Schlesische Brücke) für Spannung und Aufmerksamkeit. Einer der Stiftungsvertreter hat vor einigen Tagen mitgeteilt, er wisse genau, wo 28 Tonnen Gold, Schmuck und Münzen aus dem Zweiten Weltkrieg verborgen liegen. Der Schatz befindet sich vermeintlich im Parkbrunnen, am Schloss Rohnstock/Roztoka, dem ehemaligen Besitz der Familie von Hochberg. Er soll ungehoben auf dem Brunnenboden ruhen. Fast alle Medien berichten darüber und verflechten dabei die wahren Ereignisse und die lokalen Legenden eng miteinander.
Die Geschichte hat im März 2019 ihren Anfang genommen, als die Stiftung Kopien der Auszüge aus dem Kriegstagebuch, das einem SS-Offizier namens Michaelis gehört hatte, Journalisten und dem polnischen Ministerium für Kultur und Nationales Erbe zur Verfügung stellte. In diesen durch die Handschrift teilweise unleserlichen Tagebucheinträgen tauchen einige Ortsnamen, hier und da eine Auflistung der verborgenen Gegenstände und ein paar Namen, die vor allem Geschichtsinteressierten ein Begriff sind, auf. Die Echtheit der Aufzeichnungen wird jedoch in Zweifel gezogen. Übrigens, das Ministerium hat sie als wertlos eingestuft. Trotzdem sind sich die Stiftungsmitglieder sicher, das Kriegstagebuch liefere Hinweise auf elf potenzielle Fundorte, an denen gegen Ende des Zweiten Weltkrieges unvorstellbare Reichtümer, darunter auch die Goldreserven der Breslauer Reichsbank, versteckt worden waren.
„Es ist einfach unmöglich, dass die Breslauer Banken zum damaligen Zeitpunkt, in den letzten Kriegstagen, über Gold in so großen Mengen verfügten. Heute wissen wir das genau. Hätte es so viele Tonnen Goldbarren wirklich gegeben, wäre der Zweite Weltkrieg sicherlich anders ausgegangen. Das „Gold aus Breslau“ ist nur eine Legende, die bis heute kolportiert wird“, behauptet Tomasz Bonek, Autor des in polnischer Sprache soeben erschienenen Buches Zaginione złoto Hitlera (Hitlers verschollenes Gold).
Über ein Jahr lang hat sich nichts getan, was das Thema des Kriegstagebuches angeht. Erst vor Kurzem gab einer der Stiftungsvertreter bekannt, dass sich auf einer der entzifferten Tagebuchseiten ein Hinweis befinde, dass 28 Tonnen Gold in den Brunnen am Schloss Rohnstock geworfen worden seien. Die für den Schatztransport zuständigen Angehörigen der Feldgendarmerie seien danach getötet worden. Überdies liefert eine Notiz im Tagebuch die Informationen darüber, Günther Grundmann, der letzte deutsche Provinzialkonservator für Niederschlesien sei daran beteiligt gewesen, das Gold zu verstecken. Anschließend sei das Versteck gesichert und vermint worden, sodass niemand Zugang bekommen konnte. Unter den im Fernsehen gezeigten Dokumenten befand sich auch eine echte Auflistung der Gemälde aus Kamenz/Kamieniec Ząbkowicki, die vor der vorrückenden Sowjetarmee in Sicherheit gebracht worden waren. Auf diese Art und Weise wurden zwei unabhängige Geschichten zu einem Ganzen verschmolzen. Während der Wahrheitsgehalt der einen Geschichte nicht eindeutig festgestellt werden kann, stimmt die andere Geschichte zwar mit der Wahrheit überein, aber sie bezieht sich auf einen ganz anderen Ort.
Małgorzata und Arkadiusz Śnieżek, Besitzer des gerade sanierten Schlosses Rohnstock, freuen sich aber über das erregte Aufsehen. Das Grand Opening findet zwar erst am 1. Juli 2020 statt, aber bereits jetzt kommen durch die Legende vom Gold angelockte Besucher.
„Ich glaube, jede vernünftige Person ist sich dessen bewusst, dass es sich hier nur um Wunschdenken handelt. Wer könnte all diese Informationen für glaubwürdig halten, die sonst nichts weiter als eine Mischung aus Gerüchten und Halbwahrheiten sind, die sich um die verborgenen Nazi-Schätze ranken. 28 Tonnen Gold haben jedoch eine besondere Anziehungskraft, die mit der Legende vom Goldenen Zug vergleichbar ist. Nach Niederschlesien kommen nicht nur Touristen, sondern auch viele ausländische Journalisten. Ich denke, eine ähnliche Aufregung, wie im Falle des legendären Goldzugs, wird es doch nicht geben. Die Region aber profitiert davon“, sagt die Autorin Joanna Lamparska, die Bücher über Niederschlesien und dessen Geheimnisse verfasst.
Text & Bilder: Lidia Kawecka
Mehr dazu in der Sendung Kowalski & Schmidt vom 13. Juni 2020: “28 Tonnen Gold bei Breslau“