Das Tagebuch des Architekten von Schloss Kamenz findet den Weg zurück nach Kamieniec Ząbkowicki

Das Schloss der niederländisch-preußischen Prinzessin Marianne von Oranien-Nassau in Kamenz ist eins der prachtvollsten in Schlesien

Die Nachfahren von Ferdinand Martius lassen das Original für Regionalforschung digitalisieren.

Das legendäre Tagebuch von Ferdinand Martius, der am Bau des Schlosses der niederländisch-preußischen Prinzessin Marianne von Oranien-Nassau in Kamenz beteiligt war, kehrt nach Niederschlesien zurück – als Kopie und Digitalisat des Originals. Dieses wertvolle Zeitdokument liefert u. a. Informationen über einzelne Bauschritte zur Fertigstellung der größten und einer der schönsten Schlossanlagen in diesem Teil Europas.

Aus Martius‘ Tagebuch erfahren wir auch einiges über die nicht immer einfachen Beziehungen zwischen der Auftraggeberin und dem Architekten. Das Tagebuch befindet sich derzeit im Besitz der in Deutschland und Österreich lebenden Nachkommen von Ferdinand Martius, zu denen Mateusz Gnaczy (41), der Vorsitzende des Vereins „Freunde des Kamenzer Landes“ (Towarzystwo Miłośników Ziemi Kamienieckiej), den Kontakt hergestellt hatte.

Prinzessin Marianne von Oranien-Nassau war Tochter des niederländischen Königs Wilhelm Friedrich von Oranien-Nassau und der Wilhelmine von Preußen. Sie war 28 Jahre alt, als sie 1838 zum ersten Mal nach Kamenz kam, das ihr als Erbgut von ihrer Mutter zugefallen war. Im gleichen Jahr legte der berühmte preußische Architekt Karl Friedrich Schinkel der Prinzessin den ersten Entwurf für das Schloss vor. Bei der Bauausführung unterstützte ihn ein junger, begabter Baumeister, Ferdinand Martius. Die Bauarbeiten dauerten, mit Unterbrechungen, 33 Jahre an. Inzwischen ließ sich Marianne unter skandalösen Umständen von ihrem Ehemann Prinzen Albrecht von Preußen, dem Sohn Friedrich Wilhelms des Dritten scheiden, nachdem es sich gezeigt hatte, dass sie ein Verhältnis mit ihrem Stallmeister Johannes van Rossum hatte.

Auch bei der Verwirklichung des Bauwerks häuften sich Probleme. Drei Jahre nach der Entwurfsvorstellung verstarb Karl Friedrich Schinkel und die Bauleitung übernahm der ihm nahestehende Assistent, Ferdinand Martius.

„Im Umfeld preußischer Architekten war der junge Ferdinand ein Phänomen. Bereits im Alter von 18 Jahren wurde er königlich-preußischer Obergeodät und Regierungs-Conducteur. Niemals vorher und niemals nachher bekleidete solch eine junge Person dieses hohe Amt“, erzählt Mateusz Gnaczy. „Seit Anfang der Bauarbeiten in Kamenz wusste Martius, dass er die Schlossanlage zu seinem Lebenswerk macht. Schinkel war krank und konnte sich für dieses Bauvorhaben nicht vollkommen engagieren. Der große Baumeister war in Kamenz nur zwei Mal zu Besuch. Alle Pläne und deren Umsetzung lagen ganz in den Händen des jungen Assistenten. Die letzten zehn Jahre bahnte ich mir mühsam den Weg, der mich endlich dazu brachte, eine Vorabeinigung mit den Nachkommen von Ferdinand Martius, den Besitzern seines Tagebuches, zu erzielen. Das Buch ist einfach ideal. Martius brachte zu Papier sein ganzes Leben. Darin beschreibt er nicht nur seine langjährige Arbeit am Bauwerk, sondern auch seine Beziehungen zu Marianne und ihrem Ehemann. Sie waren sehr jung und bildeten ein Team, um gemeinsam Träume in Realität zu verwandeln.“

Mateusz Gnaczy war zusammen mit dem Verein „Freunde des Kamenzer Landes“ jahrelang darum bemüht, dass das Original des Tagebuchs in Kamenz aufbewahrt werden kann. „Das ist ein bahnbrechendes Dokument. Eine Art Brücke zwischen dem materiellen Erbe, d. h. dem Schloss, dessen Erben und Betreuer wir gegenwärtig sind und der Schlossgeschichte, die vor uns bis zum jetzigen Zeitpunkt verborgen blieb. Es ist mir gelungen, die Nachkommen des Architekten davon zu überzeugen, dass gerade jetzt die beste Zeit gekommen ist, mit dem Tagebuch an die Öffentlichkeit zu gehen.“

Ein Teil der Abschrift liegt dem Verein bereits vor. Das Original möchte die Familie Martius weiterhin in ihrem Besitz behalten, hat jetzt aber dessen Digitalisierung zugestimmt. Die wissenschaftliche Bearbeitung übernimmt ein von Mateusz Gnaczy gebildetes Forscherteam unter der Leitung von Dr. Bartosz Grygorcewicz. Eine Einladung zur Zusammenarbeit bekam auch der Autor Dr. Kees van der Leerem, der viele Bücher über Prinzessin Marianne von Oranien-Nassau verfasst hat. Für den formalen Rahmen ist Tomasz Karamon zuständig.

„Dieses Tagebuch ist mein Heiliger Gral“, sagt Mateusz Gnaczy. „Es muss aber zunächst übersetzt werden. Auch Forschungsarbeiten müssen durchgeführt werden. Erst dann kann man das Tagebuch der Welt und auch Ihnen zeigen, damit Sie sich einen Überblick über seinen hinreißenden Inhalt verschaffen können. Ein Hausherr ist wohl wenig wert, wenn er die Geschichte seines Gehöftes nicht kennt, oder?“

Für das Projekt der Übersetzung, Erforschung und Veröffentlichung des Tagebuchs sammelt der Verein aktuell Geld. Man kann ihn mit einem beliebigen Beitrag auf folgendes Konto unterstützen:

Towarzystwo Miłośników Ziemi Kamienieckiej
Plac Kościelny 3, PL-57-230 Kamieniec Ząbkowicki
Bank Spółdzielczy Ząbkowice Śląskie Oddział Kamieniec Ząbkowicki
SWIFT/BIC: POLUPLPR 
IBAN: PL 38 9533 1030 2005 0500 0765 0001

Ansprechpartner für Fragen:
Mateusz Gnaczy (spricht Deutsch), Tel. +48 697 485 234 zarzad.tmzkam@gmail.com  www.facebook.com/TMZKam

Text und Bilder: Joanna Lamparska
Bilder des Schlosses: Agnieszka Bormann (Stand Oktober 2018)
Übersetzung: Jowita Selewska