“Die Kaiserbrücke ist die erste wirklich monumentale Brücke Breslaus.
Die Bedeutung der Brücke liegt nicht nur auf dem Gebiete des Verkehrs, sondern auch auf dem der Kunst und des Fortschrittes im Allgemein.”
Die ehemalige Kaiserbrücke, heute Most Grunwaldzki, feiert ihren 110. Geburtstag. Woran liegt ihre Einmaligkeit?
Erstens: sie war damals die allererste Brücke, die an dem Ort gebaut wurde, wo es früher keine Brücken oder Oderübergänge gab (alle anderen Brücken hatten ihre hölzernen Vorgänger). Zweitens: sie wurde sofort zu einem Wahrzeichen der Stadt ernannt. „Die Bedeutung der Brücke liegt nicht nur auf dem Gebiete des Verkehrs, sondern auch auf dem der Kunst und des Fortschrittes im Allgemein. Die Kaiserbrücke ist tatsächlich die erste wirklich monumentale Brücke Breslaus“ – berichtete die Schlesische Zeitung. Es wurde unterstrichen, dass sie vorne imposant und monumental aussieht, von der Seite aber mit ihrer Leichtigkeit überrascht. Man könnte den Eindruck haben, die Ingenieure und Architekten schufen in diesem Fall ein Idealwerk. Drittens: die Verbindung von Granit und Stahl gab ihr eine besondere Eleganz. Die Eisenkonstruktion sicherte die Firma Beuchelt & Co. aus Grünberg (Fabrik für Brückenbau und Eisenkonstruktionen Beuchelt). „Eine so große Kettenbrücke ist in Deutschland noch nicht gebaut worden“ – stand in der Presse. Den Granit lieferte die Firma Paeschke aus dem Riesengebirge. Einen großen Eindruck machte auch die Konstruktion: die Ingenieure haben die tragenden Elemente an massiven, über 25 Meter hohen Pylonen, aufgehängt. Die Bauzeit betrug fast drei Jahre und die Gesamtkosten beliefen auf fast 3 Millionen Mark. Wie der damalige Oberbürgermeister Dr. Georg Bender berichtete, mussten die Kosten um 100 000 Mark verteuert werden, da im Interesse der Schifffahrt die Brücke ohne Pfeiler ausgeführt werden musste.
Die offizielle Eröffnung der Brücke fand am 10.10.1910 um 16 Uhr statt. „Tausende von Menschen hatten sich auf beiden Seiten des Stromes angesammelt, um bald als erste den Weg über die Brücke zu nehmen“ – so berichtete die Presse. Das Interesse war so groß, dass die Straßenbahn Sonderzüge einlegen musste, um den Verkehr zu bewältigen. Die Beamten, Unternehmer und die Ehrengäste versammelten sich am linken Ufer der Oder vor dem mit Fichtengirlanden und Kränzen geschmückten Brücke. Die Feier begann mit der Ansprache des Stadtbauinspektors Ingenieur Dr. Günther Trauer, der den ganzen Bau leitete. Danach trat der Stadtbaurat Alfred von Scholz, der die Bedeutung der neuen Brücke hervorhob und u.a. an seinen verstorbenen Vorgänger Richard Plüddemann erinnerte, der ein eifriger Vorkämpfer des Projekts war. Zum Schluss übergab er die Brücke dem Oberbürgermeister Dr. Georg Bender. Er sagte, die Brücke übertraf alle Erwartungen und fand bei allen das lobende Urteil, was „in einer Stadt, in der man sehr zur Kritik neige“ keine Selbstverständlichkeit ist. Und er beendete seine Rede mit einem Hoch zu Ehren des Kaisers Wilhelm II., dessen Namen die Brücke bekam (der Kaiser war bei der Eröffnung der Brücke nicht anwesend).
Nach den Ansprachen konnten endlich die Feuerwehrwagen, Ehrengäste und Menschenmassen über die neue Brücke fahren und gehen. Die Feier verwandelte sich in ein großes Fest. Sogar ein Ehepaar mit allen Hochzeitgästen entschied sich, in das neue Leben über die neue Brücke einzutreten. Die Nachfeier fand im Breslauer Rathaus statt. Die Beamten und Ehrengäste vergnügten sich bei dem kalten Büffet und dem Haase-Bier und Wein aus dem Schweidnitzer Keller. Dr. Bender sagte, dass es wohl Sitte sei, dass der Bauherr immer am Ende einen Schmaus gebe. „Das könne die Stadt nicht, denn bei den vielen Bauten, die sie ausführe, würde man aus dem Schmausen nicht herauskommen“. Die Brücke gibt, seiner Meinung nach, ein Abbild der gespannten Lebenskräfte der Stadt selbst. Er wünschte sich, dass diese Lebenskraft der Stadt bewahrt bleibt. Und er schloss mit einem freudig aufgenommenen Hoch „auf die gute Stadt Breslau“. Und wir schließen uns den Worten zu und wünschen dem „Geburtstagskind“ weitere 110 Jahre!
Text und Fotos: Małgorzata Urlich-Kornacka
Quellen: Artikel aus der „Schlesischen Zeitung” Nr. 709 vom 9.10.1910, der „Schlesischen Zeitung” Nr. 712 vom 11.10.1910 und der „Schlesischen Zeitung” Nr. 715 vom 12.10.1910