Sächsischer Dichter in preußischen Diensten: Gotthold Ephraim Lessing in Breslau

Am  22. Januar 1729 wurde in Kamenz Gotthold Ephraim Lessing geboren 

Am 15. Februar 2021 wird an seinen 240. Todestag erinnert. Anlass genug, über seinen Bezug zu Breslau/ Wrocław zu berichten.

Am 22. Januar 1729 wurde in Kamenz Gotthold Ephraim Lessing geboren (1729-1781). Bald, am 15. Februar 2021, wird an seinen 240. Todestag erinnert. Das sind gute Anlässe, über den Dramaturg, Literaturkritiker, Schriftsteller und Herausgeber und seinen Bezug zu Breslau (heute Wrocław) zu berichten.

Die Freiheitsbrücke (Most Pokoju) von dem Domturm gesehen. Die Brücke entstand in den 50-er Jahren an der Stelle der zerstörten Lessingbrücke.

Gotthold Ephraim Lessing lebte in Breslau vom November 1760 bis Mitte April 1765, also über vier Jahre. Er war hier nicht als Schriftsteller tätig, sondern arbeitete als Sekretär des Generals Friedrich Bogislav von Tauentzien. Er verweilte oft in der Gesellschaft des Generals, deshalb werden gewisse witzig-ironische Äußerungen, die dem General Tauentzien in den Mund gelegt wurden, Lessing zugeschrieben. Offiziell durfte sich Lessing in Breslau nicht mit der publizistischen und schriftstellerischen Tätigkeit beschäftigen, aber er beobachtete fleißig das Offiziersleben, sammelte Erfahrungen, genoss das Leben und richtete für sich eine bedeutende Privatbibliothek ein. Im Jahre 1760 schrieb er in sein Tagebuch: „Ich will mich eine Zeit lang als ein hässlicher Wurm einspinnen, um wieder als ein glänzender Vogel ans Licht zu kommen“.

Der Gasthof „Goldene Gans“, wo Lessing das Treffen eines jungen Offiziers mit einer Dame sah (aus dem Archiv von M. Urlich-Kornacka).

Die Geschehnisse des Siebenjährigen Krieges, derer Zeuge er war, u. a. die Erstürmung der Festung von Schweidnitz, der Frieden von Hubertusburg, die Münzentwertung und die Armut vieler Soldaten, gaben ihm Stoff dazu, seine berühmteste Komödie Minna von Barnhelm oder das Soldatenglück zu schreiben. Die Handlung des Werkes spielt im Jahre 1763. Die Begegnung zwischen Tellheim und Minna sollte der Dichter persönlich in dem Gasthof „Goldene Gans“ in der Junkerstraße in Breslau gesehen haben. Lessings jüngster Bruder Karl Gotthelf Lessing war der Meinung, dass das Werk nicht entstanden wäre, wenn Lessing den Posten in Breslau nicht angenommen hätte. Den Entwurf für die Komödie schrieb Lessing in heiteren Frühlingsstunden im Göllerschen Garten (der auch als „Gelehrter Garten“ bekannt wurde) auf dem Bürgerwerder. Als er die Stadt verließ, war das Stück fertig. „Nur die letzte Hand sei noch anzulegen“. Diese Hand legte er in Berlin an. Deshalb hängt im Berliner Nikolaiviertel eine Tafel „Hier stand das Haus, in dem Lessing 1765 Minna von Barnhelm beendete“. In Breslau wurde auch der erste Band des Laokoons (Laokoon oder über die Grenzen der Malerei und der Poesie) entworfen und ausgearbeitet.

Gedenktafel zu Ehren Gotthold Ephraim Lessings im Nikolaiviertel in Berlin, Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Tafel.lessing.nikolaiviertel.JPG

Und wie verbrachte Lessing die Zeit in Breslau? Fast jeden Abend ging er ins Theater „Kalte Asche“ (Ecke Ohlauer- und Taschenstraße). In dem Theater, das von Franz Schuch geführt wurde, konnte er u. a. Miss Sarah Sampson, den Freigeist oder das Volksschauspiel von Doktor Faust sehen. Die Aufführungen begannen um 17 Uhr. Lessing kam immer gegen 18 Uhr und ging sehr oft vor dem Schluss wieder weg. Es wurde aber behauptet, „er sah mit einem Blicke mehr als anderer mit stundenlanger Aufmerksamkeit“. Nach dem Theaterbesuch verbrachte Lessing die Zeit in einer Spielgesellschaft und kehrte oft sehr spät nach Hause zurück. Der Pfefferküchler, bei dem Lessing lange wohnte, war mit Lessings häufigem nächtlichen Nachhause-Kommen unzufrieden und sollte sich dafür rächen: er machte eine Pfefferkuchenform mit Lessings Missgestalt und seiner Unterschrift.

Früher gab es in Breslau ein Lessing-Restaurant (Adalbertstraße 10), eine Lessing-Loge (Agnesstraße 5), eine Lessingbrücke, eine Lessingstraße mit Lobe-Theater, ein Lessingplatz, ein Lessing-Haus. Heute ist von Lessing leider keine Spur zu sehen – alle Gebäude, Straßenzüge, die alte Brücke – alles wurde in dem Zweiten Weltkrieg in Schutt und Asche gelegt.

Text und Fotos: Małgorzata Urlich-Kornacka

Zitiert aus: Theodor Wilhelm Danzel, G.E. Lessing: sein Leben und seine Werke, Leipzig 1849