Bad Oppelsdorf/ Opolno-Zdrój will dem Tagebau Turów nicht zum Opfer fallen

Die polnische Regierung hat die Verlängerung des Kohleabbaus bis 2044 bestätigt

Können Kunst und Kultur den alten Kurort retten?

Keiner der Dorfbewohner, die Ende des 18. Jahrhunderts im Zittauer Becken nach Torf und Braunkohle gruben, konnte ahnen, dass 200 Jahre später die Büchse der Pandora, die sie ausgruben, so viel Verwirrung über ihre Heimat bringen würde. Doch bevor sich die Dämonen in der Gegend zwischen Zittau und Reichenau (Bogatynia) ausbreiteten, sind viele vom Graben reich geworden. Die Grafen Einsiedel aus Reibersdorf, Ernst und Friedrich Apelt aus Oppelsdorf, die Aktionäre der Braunkohlen-Aktiengesellschaft-Herkules und später der sächsische und zum Schluss der polnische Staat. Einschließlich ihrer Bewohner, die seit mehr als 100 Jahren im organisierten Bergbau und in der Energiewirtschaft arbeiten.

Heute erscheint der Braunkohletagebau Turów sehr oft in deutschen, tschechischen und polnischen Medien. Nicht, weil es ein innovatives und wichtiges Unternehmen ist. Seit Jahren ist der Betrieb ein Zankapfel, seit einigen Tagen hat die umstrittene Entscheidung zur Verlängerung des Kohleabbaus bis 2044 für neuen Streitstoff gesorgt. Eingezwängt in die äußerste Ecke Polens, zwischen der Tschechischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland, ist es die Quelle eines schwelenden politischen Streits auf internationalen Ebene. Es vergiftet die polnisch-tschechischen und polnisch-deutschen Beziehungen auf der lokalen und europäischen Ebene. Es hat die Ausmaße eines der größten Erdlöcher des Kontinents angenommen. Kein Tagebau in Polen ist so groß, und auch in Deutschland und Tschechien gibt es nur wenige ähnliche Tagebaue. Aber nicht die Größe ist das eigentliche Problem, sondern die Folgen. Die Tschechen werfen Turów vor, in einem weiten Gebiet Grundwasser abzusaugen, und wollen vor dem Europäischen Gerichtshof den Abbau stoppen. Eine durch den Bergbau verursachte Absenkung führte vor 60 Jahren zum Niedergang des sachsenweit bekannten Kurortes Bad Oppelsdorf (heute Opolno). Das Heilwasser floss unwiederbringlich in die Grube und der Kurort verwandelte sich in eine traurige Karikatur von sich selbst.

Und Deutschland wirft die Frage nach der europäischen Klimapolitik auf. In der Mine wird Brennstoff abgebaut, der in dem benachbarten Kraftwerk verbrannt wird – dabei gehen gigantische Mengen an CO2 in die Atmosphäre.

Die Polen selbst stellen nach 76 Jahren Abbau sowie ständiger Vergrößerung des riesigen, die Landschaft und Ortschaften verschluckenden Tagebaus immer lauter die Frage nach dem Sinn einer solchen Wirtschaft. Sie sagen sogar lautstark NEIN dazu. Die Einwohner von Opolno (Bad Oppelsdorf), das unmittelbar am Rande des riesigen Lochs quasi im Schatten der Bagger steht, wollen nicht das Schicksal von zehn anderen Orten in der Gemeinde Bogatynia (Reichenau) teilen, die von den Bergleuten ganz oder größtenteils beseitigt wurden. Zumal es sich um ein einzigartiges Dorf handelt, das einzige seiner Art im ganzen Landkreis Zgorzelec, bebaut mit Pensionen, Hotels und Badeanstalten aus dem 19. Jahrhundert. Obwohl sie seit 70 Jahren nicht mehr die Rolle erfüllen, für die sie gebaut wurden, haben sie immer noch unbestreitbare Qualitäten und das Potenzial, wieder ein touristischer Stützpunkt zu werden. Zugegeben, nicht ganz bald, erst in einem halben oder dreiviertel Jahrhundert, wenn aus dem riesigen Loch im Boden ein weiterer anthropogener See im Lausitzer Seenland wird. Genauso wie die nahe gelegenen Berzdorfer und Olbersdorfer See in Deutschland oder Christinasee in der Tschechischen Republik.

Natürlich geht es nicht nur um solche weitreichenden Pläne. Es geht vor allem darum, das Hier und Jetzt zu sichern. In den letzten drei Generationen ist es den Polen gelungen, in Opolno endgültig heimisch zu werden und niemand gibt gerne seine Häuser und Gärten des immer noch hübschen Dorfes auf. Lokale Initiativen des letzten Jahrzehnts beweisen, dass sich die Einwohner mit dem Ort identifizieren und das Erbe ihrer Vorgänger, der deutschen Bewohner respektieren. Sie haben den Gedenkstein der Familie Oppeln renoviert, einen touristischen Weg „Auf den Spuren der Vergangenheit“ bestimmt und ausgeschildert, die Retro-Picknicks “Vor 100 Jahren in Bad Oppelsdorf” organisiert. Nun wollen sie mit den neuesten Initiativen ihren Ort vor der Liquidierung schützen.

Im letzten Winter wurde eine Informationskampagne zur Rettung des ehemaligen Kurortes gestartet. Der neulich gegründete Verein “Na trójstyku”, die EKO-UNIA aus Wrocław und die lokalen Leader, die das kulturelle Erbe der polnischen Oberlausitz, vor allem die Fachwerk- und Umgebindehäuser, bewahren, mit dem Verein Dom Kołodzieja (Stellmacherhaus) aus Zgorzelec an der Spitze, haben ein Projekt zur Rettung des ehemaligen Kurortes vorbereitet. Sie bereiteten Pressemitteilungen, eine online-Konferenz und einen Film mit dem Titel Świat, który nie może zaginąć. Górne Łużyce (Oberlausitz. Die Welt, die nicht verschwinden darf, online-Premiere am 12. März 2021, Film in polnischer Sprache) vor.

Gemeinsam mit der Akademia Sztuk Pięknych (Akademie der Bildenden Künste) und dem Muzeum Współczesne Wrocław (Zeitgenössische Museum) wurde der Wettbewerb “Kunst für die Erde und den Menschen” ausgerufen. Es ist der erste Punkt des Zyklus “Entdeckungen. Das Programm des 50. Jubiläums der Pleinair-Werkstatt Zgorzelecer Land”. Es bezieht sich auf die Veranstaltung, die vor 50 Jahren stattgefunden haben, nämlich das Künstlertreffen “Zgorzelecer Land – 1971” unter dem Motto “Wissenschaft und Kunst für den Umweltschutz”. Als eine der ersten Veranstaltungen in Polen verband das Pleinair den Umweltschutz und die Kunst. Die Organisatoren des Jubiläums haben mit der Frage „Können Kunst und Kultur Opolno retten?“ eine Diskussion eröffnet, die bereits im Internet geführt wird.

Die gerechte Transformation, also der gewaltige Prozess der Umstellung von Kohleenergie auf saubere Technologien, nimmt im Landkreis Zgorzelec eine dynamische Wendung. Die Vereine und Aktivisten, die Opolno retten, versuchen gleichzeitig, das voreilig beseitigte Dorf Wigancice Żytawskie (früher Weigsdorf) wiederherzustellen. Es wird intensiv an der Neugestaltung des Dorfes gearbeitet, im Einklang mit der Umwelt aber auch nach modernen baulichen und sozialen Konzepten. Wenn die “Wiederauferstehung” von Wigancice Żytawskie gelingt, was viele Menschen glauben und unterstützen, dann wird es ein Präzedenzfall, ein beispielloses Ereignis nicht nur in Polen, nicht nur im Dreiländereck Zittau-Hradek-Bogatynia, sondern europaweit.

Text: Arkadiusz Lipin
Redaktion und Übersetzung: Agnieszka Bormann