Legende auf Schienen

Vor 85 Jahren fuhr der „Fliegende Schlesier“ zum ersten Mal von Beuthen nach Berlin

Er war anders, als alle anderen Züge, die man in Oberschlesien bisher gesehen hat.

Da in diesem Schnelltriebwagen ein Dieselmotor eingesetzt wurde, hatte er keine klassische Lokomotive und zog auch keine Rauchwolke hinter sich. Deshalb wunderten sich viele bei der ersten Begegnung mit dem „Fliegenden Schlesier“, dass er „von alleine fuhr“, ohne eine typische Dampflok. Auch seine Form war für die Verhältnisse der 1930er Jahre alles andere als gewöhnlich, denn bei der Baureihe SVT137 handelte es sich um einen aerodynamisch gestalteten Stromlinienzug mit zwei identischen Zugenden. So war der „Fliegende Schlesier“, genauso wie der „Fliegende Hamburger“, der bereits seit 1933 zwischen Berlin und der Hansestadt verkehrte, eine wahre Sensation auf Schienen.

Für die Strecke Beuthen – Berlin brauchte der „Fliegende Pieron“, wie man den Zug in Oberschlesien manchmal scherzhaft nannte, ca. 4 Stunden und 40 Minuten. Heute dauert die Reise von Kattowitz nach Berlin mit dem Eurocity „Wawel“ etwas mehr als 6 Stunden. Die Tageszeitung „Der oberschlesische Wanderer“ berichtete im Mai 1936 mit Stolz, dass der „fliegende“ Zug den Abschnitt von Gleiwitz nach Breslau in nur 90 Minuten zurückgelegt habe. An diese Leistung näherten sich die Schnellzüge der Polnischen Staatsbahn PKP erst vor relativ kurzer Zeit. Die Revolution bestand damals zudem darin, dass dank der modernen Dieselschnelltriebwagen der Deutschen Reichsbahn Reisen von Oberschlesien in die Hauptstadt und zurück nun auch ohne Übernachtung möglich wurden. Ab diesem Zeitpunkt schaffte man die Hin- und Rückfahrt an nur einem Tag. Zwischen Breslau und Berlin erreichte der Zug die Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h. Die „fliegenden“ deutschen Züge gehörten somit neben den britischen Eilzügen Silver Jubilee, die übrigens von Dampfloks gezogen wurden, zu den schnellsten im planmäßigen Einsatz befindlichen Eisenbahnverbindungen in Europa.

Überschrift im „Oberschlesischen Wanderer“ vom 14. Mai 1936.

Im August 1939 wurden alle „fliegenden“ Züge aus dem Fahrplan gestrichen, weil Deutschland im Zusammenhang mit dem geplanten Krieg große Mengen an Treibstoffen brauchte. Wider Erwarten wurden die Schnelltriebwagen nicht bald wieder eingesetzt. Nach Schlesien kehrte der „Fliegende Schlesier“ überhaupt nicht mehr zurück. Einige der einstigen „fliegenden“ Züge verkehrten noch nach Kriegsende auf der Strecke Berlin-Hamburg und Berlin-Wien. Ein anderer diente wiederum als Salonwagen für hohe Staatsfunktionäre der DDR.

Der Tachometer am Führerstand zeigt 160. Quelle: „Der Oberschlesische Wanderer“, 14. Mai 1936.

Text: Dawid Smolorz