Postkartensammlung aus Oberschlesien

Alte Postkarten sind ein wertvoller Schatz für Historiker und Geschichtsinteressierte

Sie erzählen viel über die Vergangenheit einer Region. Die Wojewodschaftsbibliothek in Oppeln ist gerade dabei, ihre Sammlung mit Vorkriegsmotiven zu erweitern.

Rund 5000 Postkarten aus der Oppelner Woiwodschaft besitzt die Bibliothek bisher, darunter etliche, die das deutsche Vorkriegs-Oppeln zeigen. Bibliothekarin Barbara Gierdrojć mag die alten Postkarten besonders gern. „Sie gewähren uns einen Einblick in vergangene Zeiten und zeigen viele Orte, die es heute nicht mehr gibt“, sagt Gierdrojć. Die Synagoge am Schlossplatz zum Beispiel, die in der Reichsprogromnacht vom neunten auf den zehnten November 1938 zerstört worden ist.

Für das kommende Jahr 2022 plant Barbara Gierdrojć eine Postkarten-Ausstellung, die Oppeln und Umgebung zu deutschen Zeiten zeigt. Foto. Marie Baumgarten.

Seltene Aufnahme: Das Rathaus ohne Turm

Ein ganz besonderes Exemplar befindet sich bereits seit zwei Jahren im Besitz der Bibliothek. Man muss schon zwei Mal hinschauen, um zu erkennen, dass es sich hierbei um den Oppelner Ring aus Vogelperspektive handelt. Der Grund: Das prägnante Rathaus, das im Baustil dem Florenzer Palazzo Vecchio nachempfunden ist, fehlt. So scheint es zumindest. „Eine seltene Aufnahme aus den 30er Jahren, als das Rathaus keinen Turm hatte“, erklärt Barbara Gierdrojć.

Anfang der 30er Jahre wurden die an der westlichen Seite des Gebäudes gelegenen Krämerhäuser abgerissen. Danach kam es zum Einsturz des Rathausturmes. Durch das Fehlen der Häuser hatte der Turm seine Stützen verloren. 1934 begann man mit dem Neubau des 60 Meter hohen Turmes, der 1936 fertiggestellt wurde.

Beliebtes Motiv: der Bahnhof

Auf einer anderen Postkarte ist der Oppelner Bahnhof zu sehen, der sich seit seiner Erbauung optisch kaum verändert hat und dem prachtvollen Danziger Bahnhof in nichts nachsteht. So verwundert es kaum, dass „Opole Główne“ heute zu den schönsten Bahnhöfen Polens zählt. „Der technische Fortschritt spielte eine große Rolle. Als es die ersten Bahnstrecken gab, wurden Bahnhöfe zu beliebten Motiven“, führt Gierdrojć aus. Die Karte zeigt auch ein Bismarck-Denkmal vor dem Bahnhof. Es ist nach dem Krieg verschwunden, aber die halbrunde Beton-Ballustrade, die das Denkmal umgeben hat, steht bis heute.

Bei Bauarbeiten am Oppelner Ostbahnhof im Januar 2021 wurde die Säule des Denkmals entdeckt. Sie soll in den Bestand des „Museums des Oppelner Schlesiens“ gehen. An derselben Stelle wurden bereits in den Jahren zuvor mehrere Gegenstände aus deutscher Zeit bei Grabungen entdeckt.

Quelle: Aus dem Bestand der Woiwodschaftsbibliothek Oppeln.

Besonders wertvoll: lithografische Drucke

„Postkarten haben ihre Blütezeit erlebt, als sich der Massentourismus entwickelt hat“, erklärt Barbara Gierdrojć. „Die Menschen haben angefangen zu verreisen, und sie wollten Karten verschicken von den Orten, die sie besuchten.“ In der Sammlung der Bibliothek finden sich so auch einige von der Schneekoppe und dem Riesengebirge oder auch von Kurorten wie dem niederschlesischen Bad Salzbrunn. „Besonders hübsch sind die lithografischen Drucke“, schwärmt Gierdrojć. „Sie gehören zu den ältesten Postkarten. Sie sind aufgrund ihrer besonderen Ästhetik sehr wertvoll und zeigen häufig seltene Motive.“

Zu den seltensten Motiven gehöre der Bahnhof  Oppeln Ost, so Gierdrojć. Da könne eine Postkarte heute gern einmal 300 Zloty kosten. Sehr beliebt sei dagegen der damalige Friedrichsplatz (heute plac Daszynskiego) gewesen. Solche Postkarten bekommen Sammler deshalb schon fast als Schnäppchen.

Die Karten-Sammlung wird von der Bibliothek digitalisiert und ist für Interessierte einzusehen. Gerade ist die Bibliothek dabei, ihre Sammlung zu vergrößern. Für das kommende Jahr plant Barbara Gierdrojć eine Ausstellung, die Oppeln und Umgebung zu deutschen Zeiten zeigt. Dort wird man die neuen Errungenschaften bewundern können.

Text: Marie Baumgarten