Rezension der 5. Auflage des schönen und informativen Reise-Handbuchs von Arne Franke
Eine Buchempfehlung von Peter Börner aus Siegburg.
Wer heute als Privatperson nach Schlesien reist, tut dies aus mancherlei Motiven: Neben dem Wunsch, die Heimat der Kindheit aufzusuchen, stehen mittlerweile viele touristische Ziele. Man denke an Görlitz, an Breslau oder Hirschberg mitsamt dem Riesengebirge. Aber auch der Kurbetrieb in der Perlenkette schlesischer Bäder von Bad Flinsberg bis Bad Kudowa lockt längst wieder deutsche Gäste als Touristen und als Erholungssuchende in die facettenreiche Kulturlandschaft am Fuße der Sudeten.
Arne Franke, Architektur-Historiker und Spezialist für Denkmalpflege und seiner Mitautorin, der Landschaftsarchitektin Katrin Schulze, gelingt es in ihrem neuerdings in 5. stark erweiterter Auflage auf den Markt gekommenen Handbuch, das von ihnen so genannte „Schlesische Elysium“ im Hirschberger Tal wieder erlebbar zu machen, auf eine höchst ansprechende und informative Weise. So wie es einmal war und so wie es sich uns heute darstellt. Um es vorweg zu sagen: Viel für immer verloren Geglaubtes ist auf beglückende Weise wieder erstanden und lässt alten Glanz und alte Schönheit erahnen. Adressaten des Handbuchs – ja, trotz der 306 Seiten ist es handlich im Umfang, sorgfältig recherchiert und fast bibliophil in der Gestaltung – sind kunst- und kulturbewusste Schlesien-Freunde und alle, die bereit sind, sich von Neuem, Unerwartetem überraschen und begeistern zu lassen.
Die Autoren eröffnen dem erstaunten Leser einen weiten Horizont: Jene einstmals weltberühmte Garten- und Architektur-Landlandschaft am Fuße des Riesengebirges mit all seinen Schlössern und Herrensitzen und Parkanlagen. Ein ungewöhnliches, ein schönes und ein ermutigendes Buch!
Lesende Besucher des Hirschberger Tals können unter Anleitung von Franke und Schulze in alphabetischer Reihenfolge 35 Orte kennenlernen. Sie stehen aber nicht isoliert da, sondern werden durch ergänzende Überblicksdarstellungen in größere Zusammenhänge eingebettet, die nicht nur Hintergrundwissen vermitteln, sondern auch zu eigenständigen Lesestreifzügen einladen.
Dies gilt für das Vorwort und die Einleitung ebenso wie für die ansprechend bebilderte historische Einführung und insbesondere für fünf in den Text eingefügte Exkurse, u.a. über das einst so wirkmächtige Adelsgeschlecht der Schaffgotsch, die Glaubensflüchtlinge aus Tirol und über Gartenkunst im Hirschberger Tal. Im Anhang runden ein 40seitiges Personen-Lexikon, ein Personen- und ein Ortsregister, ein Glossar der Fachausdrücke und ein umfangreiches Literaturverzeichnis das Handbuch ab.
Die einzelnen Orts- und Objekt-Beschreibungen sind je nach Bedeutung und Erhaltungszustand von unterschiedlicher Länge. Besonders zu empfehlen – auch für den Einstieg – sind die Kapitel zu Bad Warmbrunn, Buchwald, Fischbach, natürlich zu Lomnitz, zu Schildau und zu Stonsdorf. Auch viele der weniger oder kaum bekannten Orte wurden aufgenommen. Die neue Auflage kann zudem mit einer wertvollen Ergänzung aufwarten: Wer in einem der oft zu Hotels ausgebauten Schlösser oder Herrensitze Urlaub macht (auch dazu gibt das Buch nützliche Hinweise) erhält im 10-seitigen Schlusskapitel Anregungen für Tagesausflüge zu den Adelssitzen und anderen Orten in der weiteren Umgebung des Hirschberger Tals, z. B. nach Lehnhaus oder zu Schloss Fürstenstein bei Waldenburg.
Sehr leserfreundlich die reiche Bebilderung und die Rand-Zitate von Zeitgenossen, die in die Kulturgeschichte des 19. Jahrhunderts und damit in die Blütezeit der Schloss- und Parklandschaft des “Schlesischen Elysiums“ einführen. So erhalten wir – fast nebenbei – authentische, lebendige Einblicke in eine heute wenig bekannte Epoche der preußisch-deutschen Geschichte.
Gerade der unübersehbare preußische Einfluss war ein wesentlicher Grund für den oft katastrophalen Umgang mit diesen Kulturgütern am Ende des Zweiten Weltkrieges – und lange danach. Der Plünderung durch Russen und Polen folgten Jahrzehnte der Ausschlachtung, des Verfalls und bestenfalls der Vernachlässigung, auch dann, wenn die Baulichkeiten für Erholungsheime, Schulen, Produktionsstätten und Ähnliches genutzt wurden. Eine Ausnahme, wenn auch nur zum Teil, bildeten Überreste aus vorpreußischer Zeit, die sich polnischerseits als Zeugnisse der piastischen Ära, also als „nationales Kulturerbe“, verstehen ließen.
Allmählich, z. T. schon in der Spätphase des kommunistischen Polens, setzte ein Umdenken ein. Exemplarisch lassen sich Verfall und zaghaft einsetzender Wiederaufbau in der Tagungs-Dokumentation „Schinkel in Schlesien“ von 1994/5 ablesen. Projektleiter war Lothar Hyss, Herausgeber der Verein Haus Schlesien e.V., Königswinter. Die Beiträge sind mehrheitlich von polnischen Autoren! Der Artikel von Kazimierz Śliwa zu Fischbach und Erdmannsdorf hätte wegen seines exemplarischen Charakters einen Platz im Literaturverzeichnis verdient.
Einen wesentlichen Anstoß für die Entwicklung zur heutigen, weitgehend positiven Gesamtsituation bildete 2001 die unter Projektleitung von Arne Franke erarbeitete zweisprachige Wanderausstellung „Das Tal der Schlösser und Gärten […] Ein gemeinsames Kulturerbe“. Aus ihr ging die erste Auflage dieses Buches hervor.
All das war erst möglich nach der politischen Wende 1989/90. Wer sich an den Früchten dieser Wende erfreuen möchte und sie zu einer gedanklichen, besser noch: zu einer persönlichen Reise nach Schlesien nutzen möchte und zugleich ein Zeichen der Anerkennung für Gelehrtenfleiß und guten bibliophilen Geschmack setzen möchte, dem sei die Anschaffung dieses Buches nachdrücklich empfohlen.
Franke, Arne: Das schlesische Elysium. Burgen, Schlösser, Herrenhäuser und Parks im Hirschberger Tal. 282 Seiten, gebunden, zahlreiche Farb- und S.-W.-Abbildungen, zweisprachige Karten, Glossar, Kurzbiografien, Ortsnamenkonkordanz, Personenverzeichnis. Potsdamer Bibliothek östliches Europa – Kulturreisen, Potsdam 2021 (5., aktualisierte und erweiterte Auflage).
Text: Peter Börner (Siegburg)