Karl Heinrich Klingert und sein Taucheranzug

Vor 225 Jahren fand in der Oder bei Breslau der erste  professionelle Tauchgang statt

Klingert war genialer Mechanikus und Gründungsmitglied der „Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur“ in Breslau.

Am 24. Juni 2022 wird an den 225. Jahrestag des ersten professionellen Tauchganges in der Oder erinnert. Er fand 1797 im Dorf Ottwitz, dem heutigen Opatowice (Teil von Wrocław) statt. Der Jäger Friedrich Wilhelm Joachim erklärte sich bereit, einen von dem genialen Breslauer Physiker und Mechanikus Karl Heinrich Klingert (1760-1828) erfundenen Taucheranzug anzuziehen und nach fünfwöchiger Vorbereitung unter dem Oderwasser zu marschieren. In den fünf Wochen musste er vor allem lernen, wie man Luft durch einen Schlauch mit der Nase ansaugt und wie man ihn durch einen anderen Schlauch mit dem Mund ausstoßt. Allein die Tatsache, dass ein Mann mehr als drei Meter unter Wasser getaucht ist, auf dem Flussbett lief und durch einen Schlauch, an dessen Ende sich ein Rohr befand, zu den Zuschauern sprach, wäre schon ein außergewöhnliches Ereignis gewesen. Warum führte dann ein Taucher drei verschiedene Handlungen unter Wasser aus? Er fesselte einen der untergetauchten Körper mit einem Seil, zersägte einen Baumstamm, der auf dem Grund lag, und fällte zur Freude der Zuschauer einen Ast, der aus dem Boden ragte, mit einer Axt. Das war kein Zufall…

Der Taucheranzug von Karl Heinrich Klingert wurde rekonstruiert. Man kann ihn im Hydropolis, dem Zentrum des Wissens über das Wasser sehen (Quelle: MPWiK).

Karl Heinrich Klingert wurde 1760 in Herrnprotsch (Pracze Odrzańskie, heute auch ein Teil von Wrocław) geboren. Er war ein typischer Vertreter der Aufklärungszeit. Er erhielt eine sorgfältige Ausbildung am evangelischen Maria-Magdalenen-Gymnasium in Breslau. Er leitete dort später feinmechanische Werkstatt für seine Schüler. In den Jahren 1819–1828 arbeitete er auch als Lehrer für Physik und Mathematik an der Breslauer Bau- und Gewerbeschule und schuf Anschauungsmittel und Modelle, die die Breslauer Lehrer für ihre Beobachtungen und Experimente benötigten. Im Laufe seines Lebens erfand er zahlreiche praktische Gegenstände, darunter ein Feuerzeug, das mit Druckluft betrieben wurde, eine Armprothese für einen Adeligen, der bei einem Jagdunfall den rechten Arm verloren hatte, einen Stuhl für Rehabilitationsübungen – die sogenannte „heilgymnastische Maschine“, eine Leiter mit Korb zur Rettung von Menschen aus Bränden, ein Thermometer und einen Kompass für Blinde oder die erste elektrische Uhr, die nicht mehr aufgezogen zu werden brauchte. Seine bedeutendste Erfindung war aber der Taucheranzug. Klingert nannte ihn „eine in allen Flüssen brauchbare Tauchermaschine“. Er entwarf nicht nur einen Taucheranzug, sondern auch einen Drucklufttank, der am Grund eines Flusses verankert den Unterwasser-Spaziergang ermöglichte, Sicherheit garantierte und Luft liefern sollte. Der Tank sollte gleichzeitig als ein Fahrstuhl dienen.

So sah der Taucheranzug aus. Die Zeichnung wurde vom bekannten Kupferstecher Friedrich Gottlob Endler vorbereitet.

Klingert war einer der Mitgründer der „Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur“, die als Akademie der Wissenschaften in Breslau fungierte. Er stellte den Mitgliedern regelmäßig seine Erfindungen vor und schrieb Artikel. Für seine Verdienste erhielt er 1803 den Titel eines Ehrenmitglieds der Philosophischen Fakultät der Breslauer Universität (die Leopoldina-Akademie hatte damals nur zwei Fakultäten: Theologie und Philosophie). Leider gingen Ruhm und Reichtum nicht Hand in Hand. Die meiste Zeit seines Lebens litt Klingert unter Armut und konnte sich kaum über Wasser halten.

Um seine weiteren Ideen zu verwirklichen, brauchte der Erfinder einen Spender, der die Kosten für die Umsetzung übernahm: genau 400 Rheintaler. Zu Klingerts Zeiten könnte dieser Förderer Graf Karl Georg Heinrich von Hoym gewesen sein, „Seine Exzellenz der Minister von Schlesien“ (er regierte 36 Jahre lang und wurde manchmal Vizekönig genannt), der sich vor allem um die Wirtschaft kümmerte. Es war daher notwendig, ihn davon zu überzeugen, dass eine Tauchmaschine sehr nützlich wäre, da sie aus dem Boden ragende Äste entfernen und einen reibungslosen Flussverkehr ermöglichen würde (die Oder war zu dieser Zeit stark verschmutzt und sehr schwer zu befahren). Wenn zwei Personen mit der Ausrüstung ausgestattet waren, konnten sie sogar große Holzstämme, die auf dem Flussbett lagen, mit einer Säge in Stücke schneiden. Und wenn die Säge versagte, konnten die Äste mit einer Axt gefällt werden – der Taucheranzug erlaubte volle Bewegungsfreiheit. Leichtere Stämme konnten selbst entfernt werden, große und schwere Stämme konnten von einem Taucher an einem Seil befestigt werden und vom Ufer rausgezogen werden.

Der erste professionelle Tauchgang fand im Dorf Ottwitz (Opatowice), heute einem Teil von Wrocław, statt.

Daher auch die spektakuläre Vorführung bei dem ersten Odertauchgang. Dieser fand daher nicht nur in Anwesenheit von Schaulustigen statt, sondern auch von Professoren der Breslauer Universität und Lehrern des Maria-Magdalena-Gymnasiums. Ein von ihnen unterzeichnetes gemeinsames Dokument, in dem der erfolgreiche Versuch bestätigt wurde, sollte die Bemühungen von Klingert unterstützen und fördern. Eine erfolgreiche Vorführung sollte den Minister also dazu bewegen, in die Erfindung zu investieren. Bei der Beschreibung seiner Maschine im Oktober 1797 wandte sich der Erfinder direkt an den Thronfolger – König Friedrich Wilhelm II. – und in der Einleitung an Minister Hoym. Früher wie heute gilt es: ohne Sponsoren geht es nicht!

Text und Bilder: Małgorzata Urlich-Kornacka