Kinderspielstadt „mini miasto – Klein Raschau“ fand vom 27. Juni bis zum 1. Juli 2022 statt
Eine besondere Ferienfreizeit mit dem Anspruch: pädagogisch wertvoll. Es gibt sie seit mittlerweile zehn Jahren.
Es wird gehämmert, gesägt und gemalert auf der Kinder-Baustelle im oberschlesischen Raschau, und unter den vielen kleinen Holz-Bauten entsteht ein „Schlesien-Haus“. So zumindest ist es auf das Dach geschrieben. Wir sind in der Kinderspielstadt „mini miasto – Klein Raschau“, einer besonderen Ferienfreizeit mit dem Anspruch: pädagogisch wertvoll. Es gibt sie seit mittlerweile zehn Jahren.
„Ich habe damals nicht davon geträumt, dass es so etwas geben kann. Wir haben als Kinder mehr draußen gespielt, es gab keine Computerspiele. Und das fehlt jetzt den Kindern enorm“, sagt Margarete Wysdak, Vorsitzende des Vereins Pro Liberis Silesiae. „Jetzt können sich Kinder nur selten handwerklich betätigen, deshalb ist der Baubereich immer der größte.“
Pro Liberis Silesiea hat vor genau zehn Jahren die Kinderspielstadt nach Raschau geholt, einer rund 1000-Einwohner-Ortschaft in der zweisprachigen Gemeinde Leschnitz. Der Verein steht der deutschen Minderheit nahe und ist Träger von deutsch-polnischen Schulen und Kindergärten in Oberschlesien. Mit dem Leuchtturmprojekt will der Verein die Ferienkinder zu mehr Selbständigkeit und Verantwortung ermuntern. Und zwar im Sinne von Maria Montessori. Einer klugen Frau, die Anfang des 20. Jahrhunderts erkannte: nicht erziehen, begleiten ist der Schlüssel. Damit aus glücklichen Kindern glückliche Erwachsene werden. Ihrer Reformpädagogik hat sich der Verein verschrieben.
Ortswechsel: Wir sind in Oppeln. Einige der Mini-Stadt-Kinder sind mit einer besonderen Mission in die weite Welt gereist. Heute ernennen sie einige Erwachsene zu Ehrenbürgern. Einer von ihnen ist Kubilay Topal, der Vizekonsul des deutschen Konsulats. Er wird im nächsten Monat Oppeln verlassen und freut sich deshalb ganz besonders über die Auszeichnung. „Ein Teil meines Herzens wird immer in Oberschlesien bleiben. Ehrenbürger Klein Raschaus zu sein, ist ein guter Grund wieder vorbei zu schauen in meiner Stadt“, sagt Topal.
Und auch sie gehört zu den Erwählten: Oppelns Vizemarschallin Zuzanna Donath-Kasiura. Die Ehrenbürger-Ukrunde soll einen Ehrenplatz in ihrem Büro im Marschallamt bekommen, verspricht die zur deutschen Minderheit gehörende Vizemarschallin.
Zurück in Raschau: Schaut man einmal, was sich hier in den vergangenen zehn Jahre getan hat, wird eines deutlich: Der Zeitgeist formt und prägt die große wie die kleine Welt immens. Und mit ihm hat sich auch die Kinderspielstadt gewandelt. „Was gewachsen ist, ist das Thema Ökologie. Es gibt keine Plastik mehr, wir versuchen die Kinderspielstadt möglichst ökologisch und vegetarisch zu gestalten“, sagt Margarete Wysdak.
Umwelt-Bewegungen wie Fridays for Future hinterlassen hier also ihre Spuren und bringen neue Greta Thunbergs hervor. Der Palnet dankt´s. Doch mit der neuen Generation der „Digital Natives“ kommen auch neue Probleme. Sinkendes Konzentrationsvermögen ist nur eines davon, sagen Experten. Als Übeltäter gelten Smartphone und Internet. Hier soll bewusst darauf verzichtet werden. Stattdessen: Achtsamkeit üben mit dem aus Sri Lanka stammenden Thilina Manoj Fernando und seinen vibrierenden Klang-Schalen. „Es ist eine Art Meditation. Die Vibration hilft bei Problemen von Körper und Geist. Der ganze Körper vibriert“, erklärt der Ayurveda-Therapeut. Der elfjährige Miłosz jedenfalls ist begeistert: „Das entspannt und beruhigt mich sagt“, sagt er.
Doch es gibt noch viel mehr. Wie die Kinder-Küche: Pizza, Kuchen und allerlei anderer Leckereien entstehen hier. Auch ein Krankenhaus gibt es und ein Kinder-Rathaus, alles hat eine Funktion. Eine Woche lang wächst sie und entwickelt sich die Mini-Stadt in Raschau – im gemeinsamen demokratischen Entscheidungsprozess, das ist wichtig und gehört zum Konzept. „Man muss zum Beispiel im Rathaus einen Antrag stellen, man muss Genehmigungen einholen und angeben, was man baut, denn es sollte gemeinnützig sein für die Spielstadt“, erklärt Margarete Wysdak. Kommunikationssprache unter den schlesischen Kindern, den Kindern aus der Ukraine, die erstmalig mit dabei sind, und den vielen Volontären aus Deutschland sind dabei Deutsch, Polnisch und Englisch.
Zehn Jahre Mini Miasto-Klein Raschau, das sind zehn Jahre Ferienfreizeit mit einem besonderen pädagogischen Konzept. Das ist die große Konstante, die über dem steten Wandel liegt, die eine Idee, die alles zusammenhält: Nämlich bedürfnisgerechte Bildung auf der Basis unserer demokratischen Grundwerte.
Die Kinderspielstadt fand vom 27. Juni bis zum ersten Juli statt.
Text: Marie Baumgarten