Restaurierung eines Sgraffito endet mit Eklat

Der preußische König Friedrich der Große überraschte zum zweiten Mal

Der Tatort ist wieder das Postgebäude in Deutsch Lissa (Leśnica), einem Stadtteil von Wrocław (Breslau).

Auf einem Postgebäude in Deutsch Lissa (Leśnica), heute einem Stadtteil von Wrocław (Breslau), wurde Ende 2022 ein berühmtes Sgraffito restauriert. Das Ergebnis hat die Einwohner und Beobachter in Aufruhr versetzt.

Die Vorgeschichte

Der Sieg des preußischen Königs Friedrich des Großen am 5. Dezember 1757 in der Schlacht bei Leuthen (heute Lutynia) während des Siebenjährigen Krieges besiegelte die Zugehörigkeit Schlesiens zu Preußen. Am Abend desselben Tages machte sich Friedrich der Große in Begleitung eines kleinen Gefolges auf den Weg ins nahe gelegene Deutsch Lissa (seit 1973 Breslauer Stadtteil Leśnica). Er wählte sich das dort liegende Schloss als Ruheort nach der Schlacht. Den Weg zum Schloss sollte ihm der Besitzer eines Gasthauses im Dorf Saara bei Lissa beleuchten. Bis 1945 rühmte sich das Gasthaus, eine Laterne zu haben, die damals zur Beleuchtung des Weges gedient hat (das Gasthaus wurde im Februar 1945 zerstört).

Das Gasthaus Saara bei Deutsch Lissa, wo es eine Laterne gab, die 1757 dem preußischen König den Weg beleuchtet hat. Das Gasthaus wurde im Februar 1945 zerstört.

Der König war davon überzeugt, dass sich im Schloss höchstens der Eigentümer und seine Familie befanden und dass die österreichischen Soldaten längst nach Breslau flohen. Wie groß war seine Überraschung, als er das Schloss betrat und dort einen Stab von feindlichen Offizieren vorfand. Das Treffen war für beide Seiten eine Überraschung. Die Österreicher hatten nicht erwartet, dass der Feind so schnell eintreffen würde, und noch weniger, dass zuerst der König kommen würde. Friedrich der Große ließ sich nicht aus der Fassung bringen und begrüßte die Offiziere auf Französisch: “Bon soir, messieurs! Gewiss werden Sie mich nicht hier vermuten; kann man hier auch noch mit unterkommen?”

“Bon soir, messieurs! Dieses Motiv wurde auf vielen Gemälden und Postkarten verbreitet.

Danach erklärte er, dass das Schloss und der Ort bereits von preußischen Truppen besetzt seien und jeder Widerstand zwecklos sei. Trotz des Mangels an weiteren Informationen glaubten die Offiziere dem König und unternahmen keinen Versuch, ihn festzunehmen. Friedrich speiste mit ihnen so lange, bis seine Armee in Deutsch Lissa eingetroffen war.

In der Volksrepublik Polen und heute

Diese Geschichte oder Legende wurde so populär, dass man sie später auf vielen Gemälden (u. a. von A. Menzel, R. Knötel, C. Rohling) und Postkarten sehen konnte. In Form von Sgraffito wurde sie auch an der Wand des Postamtes in Deutsch Lissa (in der ulica Skoczylasa-Str.) dargestellt. Und was besonders überrascht war, das Sgraffito ist auch nach dem Zweiten Weltkrieg geblieben. Eigentlich konnte es niemand richtig erklären – warum. Es war nicht so selbstverständlich, weil Friedrich der Große als „Polenfresser“ angesehen wurde und alles was deutsch, und besonders alles was „preußisch“ war, musste in den Zeiten der Volksrepublik Polen aus der Öffentlichkeit verschwinden. Das Sgraffito ist geblieben und mit der Zeit zu einer Attraktion des Ortes geworden.

Das berühmte Sgraffito vor der Sanierung.
Sgraffito nach der Sanierung.

Vor kurzem hat man sich entschieden, das Gebäude des Postamtes zu restaurieren und somit auch das Sgraffito. Wie groß war die Überraschung, als sich Ende Dezember 2022 herausstellte, dass das Sgraffito nach der Restaurierung kaum sichtbar ist. Durch die Aufbringung von neuer Putzschicht ist es praktisch unkenntlich gemacht worden. Man kann es nur von der unmittelbaren Nähe erkennen.

Deutsch Lissa vor 1945. Postkarte aus der Sammlung von Małgorzata Urlich-Kornacka.

“Die Restaurierungsarbeiten wurden nach den Regeln der Kunst der Konservierung unter der Aufsicht des städtischen Denkmalpflegers durchgeführt und von diesem abgenommen. Die Arbeiten wurden von einem Unternehmen durchgeführt, das auf die Erhaltung historischer Gebäude spezialisiert ist. Die tatsächliche Auswirkung wird voraussichtlich nicht sofort sichtbar sein, da die angewandten Maßnahmen die Auswirkungen der Witterung berücksichtigen. Wie beabsichtigt, wird das Sgraffito mit der Zeit intensiver werden, und das ist ein natürlicher Prozess” – so lautet die Antwort der Stadt.

Das Postamt stammt aus dem Jahr 1898 und ist das Werk von Eduard Freytag, der Dutzende von Gebäuden in Deutsch Lissa (Leśnica) entworfen hat, darunter einen Wasserturm, eine Schule, eine Kirche und seine eigene Villa.

Die Sache wird noch geklärt. Laut Experten wurde die Restaurierung von Sgraffito falsch gemacht. Die Einwohner von Deutsch Lissa sind im Schock. “Wenn das Sgraffito durch Kontakt mit der Luft wieder seine Farben zurückgewinnen soll, müssen wir jetzt intensiver mit Kohle heizen” – scherzen sie. Zum Glück wurde das Sgraffito nicht zerstört. Friedrich der Große hat einfach zum zweiten Mal überrascht und vielleicht bald sagt wieder “Bon soir, messieurs! – nur diesmal auf Polnisch.

Text & Bilder (wenn nicht anders angegeben): Małgorzata Urlich-Kornacka