Carlsruhe (Pokój) in Oberschlesien auf der Suche nach verlorenem Glanz

Es gibt nicht viele Orte in der Region, die während des Zweiten Weltkrieges derart tiefe Wunden erlitten 

Was nach der Zerstörung durch die Rote Armee von dem alten Carlsruhe übrig blieb, ist nur ein Bruchteil der ursprünglichen Anlage.

Es gibt nicht viele Orte in der Oder-Region, die während des Zweiten Weltkrieges derart tiefe Wunden erlitten. Was nach der Zerstörung durch die Rote Armee von dem alten Carlsruhe übrig blieb, ist nur ein Bruchteil der ursprünglichen Anlage. Die geschlossene Bebauung des Ortskerns wurde im Januar 1945 weitgehend dem Erdboden gleichmacht. Damit verlor Carlsruhe, ab dann Pokój, seinen städtischen Charakter. Die meisten Gebäude, die sich um das zentral gelegene Schloss befanden, und auch das Schloss selbst, wurden zerstört oder so stark beschädigt, dass sie später abgerissen wurden. Damit verschwand die urbane Struktur des Ortes fast komplett.

Das zentral gelegene Schloss im 19. Jahrhundert. Quelle: Wikimedia Commons, Alexander Duncker.

Mit seinem sternförmigen Grundriss zählte Carlsruhe bis zum Kriegsende zu den interessantesten Kleinstädten der Region. Der Ort, der in mehreren Etappen entstand, entwickelte sich seit 1748 von einer Jagdresidenz des Herzogs Carl Christian Erdmann von Württemberg-Oels (1716-1792). Dass das badische Karlsruhe, das sich in der Hand der gleichen Familie befand, als Vorbild für die oberschlesische Tochterstadt galt, steht außer Frage. Letztere fiel zwar deutlich bescheidener aus, doch nahm sie dennoch aufgrund der hohen Ambitionen ihrer Gründer schon bald einen bedeutenden Platz auf der kulturellen Karte Schlesiens ein. Bereits seit 1755 hatte die inmitten großer Waldkomplexe gelegene Siedlung eine eigene Theaterbühne. Im Laufe der Zeit etablierte sie sich überdies als wichtiges Zentrum des Musiklebens im Osten Preußens.

Der Ortskern mit Schloss in der Zwischenkriegszeit. Quelle: Wikimedia Commons, Königer, Ernst: Kunst in Oberschlesien, 1938.
Aktuelle Luftaufnahme des Ortskerns mit dem früheren Standort des Schlosses. Quelle: Maciej Krent, Gemeindeamt Carlsruhe / Urząd Gminy Pokój.

Der berühmte Komponist, Dirigent und Virtuose Carl Maria von Weber verbrachte in Carlsruhe knapp ein Jahr (1806–1807) als Gast des Herzogs Eugen Friedrich Heinrich von Württemberg. Während dieses Aufenthaltes schuf er unter anderem seine beiden Symphonien. Offensichtlich ließ er sich von dem Liedgut der slawisch-oberschlesischen Bevölkerung inspirieren, denn in seinem Werk „Andante e rondo ungarese“ erkennt man eindeutig die Klänge der populären Melodie „Mietlorz“. Hier eine Hörprobe (ab 4:26):

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts verwandelte sich Carlsruhe, in dem bisher nur eine kleine Gruppe privilegierter Menschen Erholung genießen durfte, in ein weit über die Grenzen Schlesiens hinaus bekanntes Kurbad. In erster Linie wurden dort rheumatische Erkrankungen behandelt. In dieser Zeit entstand mit dem Kurhaus, dem Schweizer Haus, dem Sanatorium und einigen weiteren Objekten eine entsprechende Infrastruktur.

Evangelische Kirche in Carlsruhe. Foto. D. Smolorz.

Der Ort, in dem in den 1930er Jahren ca. 2.700 Menschen lebten, hat heute 1.400 Einwohner. Auch wenn die Kriegsnarben wahrscheinlich nie geheilt werden, unternimmt man seit einigen Jahren zunehmend Versuche, Carlsruhe zumindest einen Teil seines alten Glanzes zurückzugeben. Ein Wiederaufbau des Schlosses wird zwar nicht in Erwägung gezogen, doch die Parkanlagen werden nach und nach restauriert. Gleichzeitig wird an die große Musiktradition angeknüpft. Das Carl-Maria-von-Weber-Festival, das seit etwa 20 Jahren in diesem Ort stattfindet, lockt Musikfreunde aus dem In- und Ausland. 

Text: Dawid Smolorz 

Anmerkung der Redaktion (Agnieszka Bormann): 

Das Inventar der barocken Schloss- und Parkanlage Carlsruhe wurde noch vor Kriegsende in Sicherheit gebracht und blieb über mehrere Generationen im Besitz der Familie von Württemberg. Erst nach dem Tod von Ferdinand Herzog von Württemberg im Jahre 2020 gelangten die Gegenstände in ein Auktionshaus. Bei einer 2022 in München stattgefundenen Auktion konnte das Schlesische Museum zu Görlitz mit Unterstützung seines Fördervereins und der Ernst von Siemens Kunststiftung u. a. die Porträts des Herzogs Carl Christian Erdmann von Württemberg-Oels und der Herzogin Marie Sophie Wilhelmine von Württemberg-Oels erwerben.

In der Ausstellung „Neue Kunstschätze im Schlesischen Museum“. Links: Unbekannter Künstler, Herzog Carl Christian Erdmann von Württemberg-Oels (1716-1792), nach 1753, Öl/Leinwand (Unbekannter Künstler), rechts: Johann Georg Ziesenis d. J., Herzogin Marie Sophie Wilhelmine von Württemberg-Oels (1721-1793), um 1752, Öl/Leinwand.

Der Herzog ist mit Harnisch, Helm und Feldherrnstab als erfolgreicher Kriegsherr dargestellt. Den gut sichtbaren Elefantenorden erhielt er für seine Dienste am dänischen Hof. Seit 1747 war er in Schlesien Generalleutnant der Kavallerie unter Friedrichs II. der Herzogshut belegt zugleich seine Machtstellung als schlesischer Standesherr. Die von ihm 1752 bis 1757 errichtete barocke Schlossanlage Carlsruhe ist im Hintergrund zu sehen.

Nicht weniger selbstbewusst präsentiert sich die Herzogin in prunkvoller, modischer Kleidung. Sie hatte als Tochter eines hessischen Grafen durch ihre Heirat 1741 bedeutend an Prestige gewonnen. Ihr Porträt ist das Leitmotiv der aktuellen Sonderausstellung „Neue Kunstschätze im Schlesischen Museum“.

Ein großer Teil der Schlossausstattung gelang in derselben Auktion auch ans Museum des Oppelner Schlesiens (Muzeum Śląska Opolskiego) und wird dort als „Schatz der Familie von Württemberg“ in einer Sonderausstellung präsentiert.