Karl Eduard von Holtei – „Der Alte vom Berge”

Karl von Holtei, der schlesische Dichter, Schauspieler, Lustspielautor, Schriftsteller und Rezitator, wurde oft als „der Alte vom Berge“ bezeichnet.

Sein Leben ist eng mit Niederschlesien verbunden.

Karl von Holtei (1798-1880), eine der berühmtesten Persönlichkeiten ihrer Zeit, wurde oft als “der Alte vom Berge” bezeichnet. Der Name bezog sich jedoch weniger auf die Ziegelsteinbastion in Breslau (später Holteihöhe genannt), wo der Dichter oft stundenlang auf einer Bank saß und den Blick auf die Dominsel genoss, auch kaum auf den heiligen Berg der Slawen, den Zobtenberg, den der Dichter so schön in seinem Gedicht beschrieben hat: 

Ach Zutaberg! Du schiener bloer Hübel,
Du bist urnähr a Wächter uff em Turm,
Du meldst ins jeglich Gudes, jedes Uebel,
Du meldst ins Rägen, Sunnaschein und Sturm,
Wie ufte ho ich ni aus meinem Stübel
No dir gelinzt und denner Uhnefurm,
Denn worschte blo, do kunnt ma Rägen spieren
Und worschte gro, do gingen mer spazieren.

„Ach Zutaberg! Du schiener bloer Hübel“ – eine Postkarte vom Zobtenberg mit dem Gedicht von Karl von Holtei (aus der Sammlung von Małgorzata Urlich-Kornacka).

Die Bezeichnung „Der Alte vom Berge“ wurde auch nicht mit dem Belvedere (heute Holtei-Hügel) in Bad Obernigk (Oborniki Śląskie) in Verbindung gebracht, auf dem ein Aussicht-Pavillon wiederaufgebaut wurde, obwohl der Dichter in dem Kurort einige Jahre seines Lebens verbrachte.

Viel mehr bezog sich der Name auf seine Breslauer Wohnung, in der er von 1865 bis 1876 lebte. Sie befand sich in der Büttnerstraße (heute ulica Rzeźnicza 32–33) im dritten Stock des Gasthofs „Zu den drei Bergen“. Am Eingang des Hauses (es wurde 1901 im Jugendstil umgebaut und wurde später zum Kaufhaus Schlesinger & Grünbaum) befindet sich seit 1998 eine Marmortafel, die den schlesischen Dichter würdigt.

Marmortafel mit dem Relief von Karl von Holtei an der Büttnerstraße, wo Holtei einige Jahre lang wohnte. Die Tafel wurde 1998 anlässlich des 200. Geburtstag des Dichters enthüllt. Urheber der Tafel ist der Breslauer Bildhauer Tomasz Rodziński.

Es heißt, die Schlesier seien damals auf vier Dinge stolz gewesen: das Rathaus, die Universität, die Jahrhunderthalle und Holtei. Der Dichter erfreute sich damals großer Popularität. Jeder kannte seine berühmten Worte auswendig: „Heem will ich, suste weiter nischt ack heem!“ Für seine Heimatliebe wurde Holtei geschätzt und bewundert. Oft wurde gesagt: „Wo Holtei ist, ist Schlesien.“ Und es stimmt. In seinen Gedichten ist die Liebe für Schlesien erkennbar:

„Das Land, wo ich geboren,
Du Land Silesia,
Dich habʼ ich nicht verloren,
Ich bin Dir ewig nah!
Es tun mirʼs ja die Meinen
Mit Freuden treulich Kund;
Ich lebe in den Deinen,
Mein Lied in manchem Mundt.“

(Zit. n. Karl Schindler: Carl von Holtei – ein Stück Alt-Breslau. München 1985, S. 1.)

Zwei Jahre nach dem Tod des Dichters wurde auf der Ziegelsteinbastion in Breslau ein kleines Denkmal für Holtei von Albert Rachner aufgestellt. Der Ort wurde zur Holteihöhe umbenannt (Postkarte aus der Sammlung von Małgorzata Urlich-Kornacka).

Karl Eduard von Holtei wurde 1798 im „Roten Haus“ in der Reuschestraße 45 geboren, in dem acht Jahre früher Johann Wolfgang von Goethe bei seiner schlesischen Reise gewohnt hatte. Holteis Mutter starb kurz nach der Geburt des Kindes, deshalb entschied sich der Vater, ein preußischer Husarenoffizier, seinen Sohn bei der jüngeren Schwester seiner verstorbenen Frau in Obhut zu geben. Holtei wurde also von adeligen Pflegeeltern erzogen, die mit dem faulen Schüler des Friedrichs- und dann Maria-Magdalenen-Gymnasiums viele Probleme hatten. Schon als Kind ging er oft ins Theater und beschloss, Schauspieler zu werden. Sein Vorbild war Ludwig Devrient, der damals in der „Kalten Asche“ auf der Taschenstraße (heute ul. Piotra Skargi) vorzügliche Theatervorstellungen gab. Holtei erfand zahlreiche Ausreden und Lügen, um immer wieder ins Theater gehen zu können.

Die Büste von Karl Eduard von Holtei in der Galerie der Großen Breslauer im Rathaus. Angefertigt vom Bildhauer Ryszard Zarycki.

Die Familie war über seine Zukunftspläne entsetzt, weil Schauspieler in der adeligen Gesellschaft damals als Schande angesehen wurden. Um Holtei dem Theaterleben zu entziehen, schickte ihn die Familie zum Gutsbesitzer Karl Wolfgang Schaubert nach Obernigk (Oborniki Śląskie), wo er zum Landwirt ausgebildet werden sollte. Zu seinem Glück aber war Napoleon 1814 von Elba zurückgekehrt und der Krieg brach wieder aus. Der 16-jährige Holtei meldete sich sofort als Kriegsfreiwilliger bei einem freiwilligen Jägerkorps in Breslau. Nach dem Krieg wurde ein sogenannter Kabinettsbefehl erlassen, nach dem jeder preußische Freiwillige ohne Abitur studieren konnte, wenn er es allmählich nachholte. Holtei nutzte die Situation, um Rechtswissenschaften zu studieren. Obwohl er sich zahlreichen Theaterbesuchen hingab und für seine Liebeleien mit Schauspielerinnen bekannt war, gelang es ihm, das Abitur zu machen. Weiter wollte er jedoch nichts mit diesem Studium zu tun haben.

Zusammen mit seinem Freund Karl Seydelmann ging er nach Grafenort (Gorzanów) in der Grafschaft Glatz, wo er einige Zeit im Schlosstheater des Grafen Johann Hieronymus von Herberstein arbeitete. Im Jahr 1817 erschien auf der Breslauer Bühne sein erstes Stück „Die Farben“. Zwei Jahre später debütierte er als Schauspieler in „Maria Stuart“ und wurde Mitglied des Breslauer Stadttheaters. Mit seiner Frau – der Schauspielerin Louise Rogée, die er im Theater in Grafenort kennen lernte – wanderte er später durch verschiedene Städte, bis sie plötzlich im Alter von 25 Jahren starb. Holtei gab seine beiden Kinder in Schlesien in Obhut und versuchte seinen Schmerz mit schriftstellerischer Tätigkeit zu stillen.

Der rekonstruierte Pavillon auf dem Holtei-Hügel in Oborniki Śląskie. Foto: Nadia Szagdaj.

Damals trat er mit seinen Theaterstücken erfolgreich hervor. 1830 gab er seine „Schlesischen Gedichte“ heraus, die er im Dialekt verfasste. Er wollte den Einheimischen verständlich werden und den schlesischen Dialekt gegenüber anderen, wie Bayerisch oder Schwäbisch, stärken. Das gelang ihm zuerst nicht: Seine Gedichte wurden stark kritisiert. Ein Kritiker schrieb, der Holtei sei ja „ein recht guter Kerl“, seine Lustspiele seien „auch ganz nett“, aber mit seinen Schlesischen Gedichten habe er „doch eigentlich die ganze Provinz vor Deutschland lächerlich gemacht“. Nach vielen Jahren kam jedoch der Umschwung. Schulkinder lernten Holteis Gedichte auswendig, seine Stücke wurden mehrere Jahre im Theater gespielt.

Holtei führte ein unruhiges Wanderleben. Er unternahm zahlreiche Theaterreisen durch die deutschen Städte, arbeitete als Regisseur, Schauspieler und als Rezitator. Überall, wo er Dramen vorlas, waren die Säle gedrängt voll, immer aber herrschte atemlose Stille, so wunderschön rezitierte er. Leider hatte er privat kein Glück. 1836 starb sein Sohn aus erster Ehe, zwei Jahre danach seine zweite Frau bei der Geburt von Zwillingen, die auch nicht überlebten.

Im Königlichen Schloss (dem Historischen Museum der Stadt Wrocław) befindet sich ein musikalisch-theatralisches Zimmer, in dem unter anderem das Porträt von Karl von Holtei zu sehen ist.

Eine Zeitlang (1844/45) war Holtei auch künstlerischer Leiter des Stadttheaters in Breslau, gab aber diese Tätigkeit bald auf und arbeitete für mehrere Jahre als Sekretär beim Fürsten Hatzfeld in Trachenberg (Żmigród).

Mit 52 Jahren kaufte er seinen ersten eigenen Schreibtisch, zog zu seiner Tochter nach Graz und beschloss, eine neue schriftstellerische Phase zu beginnen. Von da an wollte er Romane schreiben. Das war ein Wendepunkt in seinem Leben: Aus dem fahrenden Liedersänger wurde ein fleißiger Bücherschreiber. 14 Jahre lang wohnte Holtei bei seiner Tochter, dann aber fasste ihn so große Sehnsucht nach Schlesien, dass er dahin zurückkehren musste.

„Nach meinem kleenen Haus in Obernigk
samt seinem Schindeldächel und a Tannen,
die vur der Türe stihn, däm bissel Garten,
dem Taubenschlage und där grünen Laube!
Wie dutzendmal – du weeßtʼs, mei lieber Gott –
hab ihch geseufzt und seufzʼ ich hinte noch:
Heem will ihch, suste weiter nischt, ack heem!“

(Zit. n. Karl Schindler, Carl von Holtei – ein Stück Alt-Breslau. München 1985, S. 11).

Von 1864 bis zu seinem Tod im Jahr 1880 lebte Karl von Holtei in Breslau: zuerst in der Wohnung in der Büttnerstraße, ab 1876 in dem Kloster der Barmherzigen Brüder (Bonifratrów) in der Klosterstraße (heute ul. Romualda Traugutta) – hier hatte er ein Zimmer und wurde von den Mönchen gepflegt. Nach seinem Tod wurde Holtei noch populärer: In fast allen schlesischen Städten gab es einen Holteipark, Holteiteich, eine Holteipromenade, jedes Jahr wurde der Holtei-Tag gefeiert, zu seinem 80. Geburtstag entstand auch die Holtei-Stiftung, die begabte Schriftsteller fördern sollte. In Breslau wurde die Ziegelbastion in Holteihöhe (heute Wzgórze Polskie) umbenannt und ein kleines Denkmal Holtei zu Ehren aufgestellt.

Anlässlich des 180. Jubiläums der Breslauer Oper wurde eine Ausstellung zur Geschichte des Gebäudes vorbereitet. Karl von Holtei war 1844/45 der künstlerische Leiter des damaligen Stadttheaters.

Leider wurde der Alte Friedhof St. Bernhardin in der Ofenerstraße (ul. Krakowska), wo Holtei begraben wurde, Ende der 1970er Jahre zerstört und eingeebnet. Das Grab, auf dem die Worte „suste nischt ack heem“ (sonst nichts als heim) standen, kann man heute nicht mehr finden. Die Erinnerung an Karl von Holtei verschwand aber nicht. Die Büste des Dichters hat einen Ehrenplatz im Breslauer Rathaus (Galerie der Großen Breslauer) und er selbst zählt zu den Ehrenbürgern der niederschlesischen Hauptstadt. Warum er diesen Ehrenplatz einnimmt, ist es klar: Sein Polenkult und seine wahre Begeisterung für Polen haben wesentlich dazu beigetragen. Es ist wirklich erstaunlich, mit welcher Genauigkeit Holtei 1825 sein Liederspiel über den polnischen Nationalhelden Tadeusz Kościuszko „Der alte Feldherr“ schrieb. Er erkundigte sich dafür nach allen Details aus Kościuszkos Leben bei dessen Biografen Karl Falkenstein. In der Widmung des Stückes stand: „Zur Erinnerung froh durchlebter Jugendzeit widme ich meinen lieben Freunden in Polen den ‚Alten Feldherrn‘.“ Im Vergleich zu anderen Dichtern, die sich nur für kurze Zeit mit Polen beschäftigten, zog sich sein Interesse an dem Land durch sein ganzes Leben.

Der polnische Nationalheld Tadeusz Kościuszko wurde von Karl von Holtei im Liederspiel „Der alte Feldherr“ gewürdigt.
In der Komödie „Sie schreibt an sich selbst“ ließ sich Holtei vom polnischen Lustspielautor Aleksander Fredro „inspirieren“.

Auch sein anderes Stück: „Sie schreibt an sich selbst“ kann als solches Beispiel dienen. Es wird behauptet, dieses Stück beinhalte umfangreiche Zitate aus dem Stück „Śluby Panieńskie“ des polnischen Lustspielautors Aleksander Fredro. Die Komödie wurde zuerst in Frankreich plagiiert sowie aufgeführt und dann von Holtei fürs deutsche Publikum ins Deutsche übersetzt. Das Stück muss ziemlich bekannt gewesen sein, denn als Aleksander Fredro sein Stück 1878 in Wien uraufführte, wurde er erstaunlicherweise beschuldigt, Holteis Stück plagiiert zu haben!

Text & Bilder: Małgorzata Urlich-Kornacka

Die historischen Postkarten kommen aus der Sammlung der Autorin.