Mit Dampf und Rauch durch Tschechisch-Schlesien

Die Hotzenplotzer Schmalspurbahn

Mit dem Auto kommt man von Hotzenplotz (Osoblaha) nach Röwersdorf (Třemešná) in 20 Minuten. Die Schmalspurbahn braucht für die Strecke zwischen 50 und 75 Minuten.

Die Hotzenplotzer Schmalspurbahn verbindet die Orte Hotzenplotz (Osoblaha) und Röwersdorf (Třemešná) in Tschechisch-Schlesien. Mit dem Auto kann man die Strecke in 20 Minuten bewältigen. Die Schmalspurbahn braucht dafür zwischen 50 und 75 Minuten. Die Fahrt mit dem Zug kann man zum einen deswegen so lange genießen, weil die eingesetzten Dampf- und Dieselloks die Geschwindigkeit von 30 bis 40 km/h meistens nicht überschreiten. Zum andern führt die 20 km lange Trasse mit ihren 102 Kurven auf Umwegen durch malerische Täler des heutigen tschechisch-polnischen Grenzlandes, um allzu große Höhenunterschiede zu vermeiden.

Historischer Rückblick

Die 1898 als Lokalbahn der österreichischen Staatsbahnen in Betrieb genommene Linie war von Anfang an für den Personen- und Güterverkehr gedacht. Obwohl der Zipfel um Hotzenplotz heute als Teil Tschechisch-Schlesiens gilt, bildete er zwischen 1783 und 1928 eine der sogenannten mährischen Enklaven in Schlesien. Folglich wurde der Bau der Schmalspurbahn nicht von der Verwaltung des österreichischen Kronlandes Schlesien, sondern vom Mährischen Landtag in Brünn (Brno) initiiert und finanziert.

Ein Wochenend-Dampfzug. Quelle: Oleksandr Dede, Wikimedia Commons.

Obwohl im Raum Leobschütz (Głubczyce) – Hotzenplotz in der Endphase des Zweiten Weltkrieges zum Teil schwere Kämpfe zwischen der deutschen Wehrmacht und der Roten Armee stattfanden, überstand die Schmalspurbahn die dramatischen Frühjahrsmonate 1945 ohne allzu große Schäden. Schon im Herbst desselben Jahrs nahm sie den Verkehr wieder auf, bald wurde dieser jedoch aus einem wichtigen Grund eingestellt. Infolge der beinahe kompletten Aussiedlung der Deutschen 1946 war die Gegend so gut wie entvölkert. Erst 1948, nachdem sich mehrere Tausend Tschechen und Slowaken in Hotzenplotz und Umgebung niedergelassen hatten, wurde der Betrieb wiederaufgenommen.

Der Bahnhof in Hotzenplotz mit zweisprachiger Ortsbeschilderung. Quelle: Mikuláš Galuszka, Wikimedia Commons.

Die Eigenart der Hotzenplotzer Schmalspurbahn besteht heute unter anderem darin, dass sie zwei Funktionen erfüllt und von zwei Unternehmen betrieben wird. Unter der Woche dient sie als normales Verkehrsmittel der Tschechischen Bahn (České dráhy, ČD), das den Einwohnern dieser peripheren Region der Republik die täglichen Fahrten zur Arbeit und zur Schule ermöglicht. Bei den „Normalfahrten“ werden Dieselloks eingesetzt. An Wochenenden verwandelt sie sich wiederum in eine touristische Attraktion, die von der Schlesischen Landesbahn (Slezské zemské dráhy, SZD) betrieben wird. Samstags und sonntags werden die Züge von Dampfloks gezogen, sodass sie ohne Eile durch einen äußerst malerischen Teil Tschechisch-Schlesiens rollen. Eine Merkwürdigkeit der Wochenendzüge ist der Bierwaggon, der den Reisenden auf der gesamten Strecke Erfrischungsgetränke anbietet. Da die Hotzenplotzer Schmalspurbahn in diesem Jahr ihr 125. Jubiläum feiert, sind für die zweite Jahreshälfte Sonderfahrten geplant.

Der Bierwaggon. Quelle: Marcin Szala, Wikimedia Commons.

Wer den Namen Hotzenplotz mit der Figur eines Räubers aus der Kinderliteratur assoziiert, der liegt nicht falsch. Denn der Autor Otfried Preußler (1923-2013), gebürtig aus Reichenberg (Liberec), benannte seinen Protagonisten bewusst nach der Stadt und dem Fluss in Tschechisch-Schlesien, die er aus seiner Kindheit kannte.

Webpräsenz der Hotzenplotzer Schmalspurbahn (Tschechisch, Deutsch, Polnisch, Englisch): www.osoblazsko.com

Hier die Fahrt mit der touristischen Bahn von Hotzenplotz nach Röwersdorf in einem 15-minütigen Video zusammengefasst:

Text: Dawid Smolorz