Otfried Preußler zum 100. Geburtstag

Der Regionalforscher Ullrich Junker schreibt über seine Begegnungen mit dem berühmten Kinderbuchautor

Böhmen und Schlesien spielen in beiden Biografien eine große Rolle.

Otfried Preußler wurde am 20. Oktober 1923 in Reichenberg im tschechischen Isergebirge als Sohn von Josef Syrowatka und dessen Ehefrau Erna, geb. Tschervenka geboren. Die Eltern waren beide Lehrer. Vater Josef war außerdem ein Heimatforscher und Volkskundler. Er veröffentlichte auch etliche Aufsätze in der schlesischen Zeitschrift „Der Wanderer im Riesengebirge“. Josef Syrowatka hat am 16.12.1941 laut Eintragung im Kirchenbuch von Reichenberg (Copulationen) seinen slawischen Namen abgelegt und den Familiennamen Preußler, der auf dem Namen seiner Großmutter Agnes Praizler (1831–1891) basierte, angenommen, ebenso dessen Eltern. Im Kirchenbuch wird der Name mit „Praizler“, in den Generationen zuvor mit Preysler, Preisler usw. angegeben. Und somit trug Otfried nun auch den Namen Preußler.

Vor 33 Jahren habe ich Otfried Preußler in Wangen kennengelernt. Er wurde dort vom Wangener Kreis mit dem Eichendorff-Literaturpreis ausgezeichnet. Ich erzählte ihm, dass ich im Staatsarchiv in Decin an der Elbe, in Nordböhmen das Grundbuch von Polaun eingesehen hätte und der letzte Benutzer-Eintrag hinten im Grundbuch Josef Syrowatka, also sein Vater, gewesen wäre. Wir sprachen dann über Klein Iser im böhmischen Isergebirge und den bekannten Maler Enzmann und die Riedel-Glashütte und über Groß Iser im schlesischen Isergebirge. Otfried war 1933 mit seinem Vater beim Heger Gustav Junker (meinem Großonkel) in Groß Iser gewesen. Josef Syrowatka hatte damals Material gesammelt, für seinen späteren Aufsatz im „Wanderer im Riesengebirge“ über meinen Ururgroßvater, den „Großen Junker“, dem Führer einer Wildererbande.

Seit dieser Begegnung, bei der gemeinsame heimatkundliche Interessen geweckt wurden, stand ich mit Otfried Preußler bis zu seinem Tod in Verbindung. Vor etwa acht Jahren traf ich Herrn Dr. Raimund Paleczek, Vorsitzenden des Sudetendeutschen Instituts e.V., im Museum „Gablonzer Haus“ in Neu-Gablonz in Bayern. Wir kamen auch auf Otfried Preußler zu sprechen und er sagte mir, dass er die Familie von Otfried Preußler erforscht hätte. Zu meiner großen Freude konnte ich nun feststellen, dass der Ahnherr von Otfried Preußler, der Glashüttenbesitzer Daniel Preußler (* 1625/30  † 1702) auch mein Vorfahre ist.

Neben den Familien Schürer und Friedrich ist die Familie Preußler eine über Generationen bestehende Glasmacherfamilie. So haben Christian und Gottfried 1699 die „Glaß“-Hütte St. Antoniwaldt an der Jser besessen. Aus diesem Standort ging der Ort Polaun / Wurzelsdorf hervor. Die Preußlers waren an vielen Orten als Glasmacher im Isergebirge ansässig. Ein Wolfgang Preußler besaß vor 1617 eine Glashütte in Witkowitz im böhmischen Riesengebirge bei Rochlitz. Er schloss im März 1617 mit der Hochreichsgräflichen Herrschaft Schaffgotsch einen Vertrag und baute die Glashütte an der Weißbach zu Schreiberhau. Die Glashütte in Witkowitz wurde parallel weitergeführt.

Doch zurück zum Jubilar. Otfried Preußler ist der erfolgreichste und bekannteste Kinderbuchautor. Er hat 38 Kinder- Jugend- und Bilderbücher verfaßt. Die bekanntesten Bücher sind: „Der kleine Wassermann“, „Die kleine Hexe“, „Der Räuber Hotzenplotz“, „Das kleine Gespenst“ und „Krabat“. Insgesamt wurden Preußlers Bücher in 55 Sprachen übersetzt. Nur wenige wissen, dass Otfried Preußler auch Gedichte geschrieben hat. Zwei wurden 1942 in der Zeitschrift „Der Wanderer im Riesengebirge“ veröffentlicht.

Otfried Preußler ist am 18. Februar 2013 in Prien am Chiemsee verstorben. Er war wie seine Eltern zunächst Lehrer. Inzwischen führen in Deutschland 22 Schulen den Namen Otfried-Preußler-Schule.

In seiner Heimatstadt Reichenberg/ Liberec findet am 20.-21. Oktober 2023 die Tagung „Otfried Preußler (1923–2013): zu Hause in vielen Welten. Internationale Tagung zu medialen und transkulturellen Kontexten in Leben und Werk zum Gedenken und Erleben von Otfried Preußler statt. Den Programmflyer finden Sie hier.

Text: Ullrich Junker
Redaktion: Agnieszka Bormann