Minderheitenschulwesen im Oberschlesien der Zwischenkriegszeit

Im November jährt sich bereits zum 91. Mal die Eröffnung des polnischen Gymnasiums in Beuthen (Bytom)

Die Einrichtung war die erste weiterführende Schule mit polnischer Unterrichtssprache im Deutschen Reich.

Mit der Gründung des polnischen Gymnasiums in Beuthen (Bytom) wurden langjährige Bemühungen polnischer Minderheitenorganisationen um eine Schule mit dem Abitur als Abschluss gekrönt. Zum Zeitpunkt ihrer Eröffnung am 8. November 1932 hatte die private Anstalt 92 Schüler, die nicht nur aus Oberschlesien, sondern auch aus Westfalen, Pommern und Ostpreußen stammten. Deren Zahl stieg in den Folgejahren kontinuierlich an, um im Rekordjahr 1936/1937 299 zu erreichen. Nach der Eröffnung eines zweiten polnischen Gymnasiums 1937 wechselten ca. 80 Schüler nach dem ostpreußischen Marienwerder (Kwidzyn). Im letzten Schuljahr 1938/1939 besuchten das Beuthener Gymnasium 181 Schüler. Wie alle polnischen Minderheitenschulen im Deutschen Reich wurde es nach dem Ausbruch des Krieges im September 1939 geschlossen. Die Lehrer wie auch ein Teil der Schüler sowie deren Eltern unterlagen fortan brutalen Schikanen, einschließlich der Internierung in einem Konzentrationslager.

Polnisches Gymnasium im deutschen Beuthen. Quelle: Nationales Digitalarchiv NAC, Warschau / Narodowe Archiwum Cyfrowe Warszawa.

Das Recht auf Gründung von Minderheitenschulen wurde in dem kurz vor der faktischen Teilung der Region im Mai 1922 in Genf unterzeichneten deutsch-polnischen Abkommen über Oberschlesien festgeschrieben. Mitte der 1920er Jahre gab es ca. 90 deutsche Schulen im polnischen und über 50 polnische Schulen im deutschen Teil der Region. Vor allem die Anzahl der letzteren sank mit der Zeit deutlich und zwar bereits vor der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten. Anfang der 1930er Jahre existierten in der von Oppeln aus regierten preußischen Provinz Oberschlesien nur noch zwölf polnische Schulen, wobei diese Entwicklung auf mehrere Ursachen zurückzuführen war. Hierzu zählte unter andrem ihre Lage. Die meisten Einrichtungen befanden sich in kleinen Ortschaften, wodurch der Kreis der Interessierten von Anfang an begrenzt war. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch der mehr oder weniger verschleierte Druck, den die Behörden auf die Eltern ausübten, damit sie ihre Kinder doch auf eine deutsche Schule schickten.

Das frühere deutsche Eichendorff-Lyzeum im polnischen Königshütte (Chorzów), heute Juliusz-Słowacki-Allgemeinbildendes Lyzeum Nr. 1. Quelle: Paweł Drozd, Wikimedia Commons.

Einen solchen Druck übte aber auch die Verwaltung der polnischen Woiwodschaft Schlesien auf die Eltern aus, die für ihre Kinder deutsche Schulen wählten. Sowohl Oppeln als auch Kattowitz waren je nach Periode mit verschiedener Intensität bemüht, die Einrichtung und der Betrieb von Minderheitenschulen durch bürokratische Hindernisse zu erschweren. Anzumerken sei an dieser Stelle, dass ungefähr die Hälfte aller Beschwerden, die die Angehörigen der deutschen Minderheit in Polnisch-Oberschlesien und der polnischen Minderheit in Deutsch-Oberschlesien zwischen 1922 und 1937 beim Kontrollorgan – der Gemischten Kommission für Oberschlesien – einreichten, sich auf tatsächliche oder vermeintliche Benachteiligung im Zusammenhang mit dem Minderheitenschulwesen bezog.

Text: Dawid Smolorz