Relikte der ersten piastischen Fürstenburg auf der Dominsel in Breslau (Wrocław) als touristische Attraktion
Auch die Hl. Hedwig hatte hier ihr Breslauer Domizil.
In den Kellern des Hauses der Kongregation der Armen Schulschwestern de Notre-Dame in Breslau (Dom Notre Dame, Wrocław) wurden zahlreiche Relikte einer Burg enthüllt, die den schlesischen Piasten gehörte. Vor kurzem wurde eine neue Route unter dem Titel Piastensiegel – die Relikte der Fürstenburg auf der Dominsel vorbereitet.
Die Piasten waren die erste Dynastie, die in Polen herrschte. Ab dem 12. Jahrhundert gab es verschiedene Linien der Piasten, weil einer der polnischen Herzöge, der Herzog Boleslaw III. Krzywousty („Schiefmund“), das Land unter seinen vier Söhnen teilte (er wollte vermeiden, dass sie um den Thron und die Macht kämpfen). Mit seinem Tod 1138 begann die bis 1320 anhaltende Periode der Zersplitterung Polens (Partikularismus) – auch das Herzogtum Schlesien ist im Jahre 1138 entstanden. Schlesien übernahm der älteste Sohn von Bolesław, Herzog Władysław II. Wygnaniec („der Vertriebene“). Er und sein Nachfolger – Bolesław Wysoki (der Lange) gelten als Begründer der Linie der schlesischen Piasten.
Die Anfänge von Breslau sind mit der Dominsel (Ostrów Tumski) verbunden. Hier war der Herzog- und Bischofsitz. Wenn man sich die Siedlung visuell vorstellen möchte, sollte man sie mit einem Ring vergleichen: den kleineren Teil bildete die fürstliche Ecke mit der Burg und der befestigten Burgsiedlung, den anderen größeren Teil – die bischöfliche Ecke.
Lange Zeit wusste man nicht, wo genau die Burg der Piasten stand, was sie beinhaltete und wie groß sie war. Nachdem man u. a. Relikte der Burg des Herzog Bolesław des Langen entdeckte, d. h. Teile des runden Donjons mit Verteidigungsmauer, wurde klar: es musste die größte Burg des damaligen Europas sein.
Unter Bolesław dem Langen und dann Heinrich I. dem Bärtigen und der Heiligen Hedwig wurde ein 18-eckiger Bau entworfen, der auf einigen Etagen fürstliche Wohnräume und eine Kapelle beherbergte. Im 13. Jahrhundert wurde die Burg in ein langes Palatium ausgebaut. Sie gehörte zu den größten und wichtigsten in Polen (nach der Wawel-Burg in Krakau). Dank den letzten archäologischen Arbeiten war es möglich, mehr über das Leben der Piasten zu erfahren. Man kann hier auch die ältesten Ziegelsteine in Polen sehen, die speziell für den Bau der Burg hergestellt wurden.
Die Burg wurde besonders imposant in den Zeiten Heinrich IV. („Probus“), als er sich bemühte, die zersplitterten polnischen Gebiete zu vereinigen und König von Polen zu werden. Es entstand damals eine Burg mit einer achteckigen Aula in der Mitte, einer Kapelle mit Apsiden, derer Patron unbekannt ist und einer zusätzlichen St-Martin-Kapelle, die an dieser Stelle stand, wo sich heute die St-Martinskirche befindet. Die Anlage bildete ein Manifest des ehrgeizigen Herrschers. Die Burg und die befestigte Burgsiedlung hat den ganzen nordwestlichen Teil der Dominsel ausgefüllt. Das ganze Areal schätzt man auf 9.000 Quadratmeter.
In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts haben die letzten in Breslau herrschenden Piasten entschieden, das Gebiet der Kirche zu übergeben. Mit der Zeit bildete sich hier der sog. „Schlesische Vatikan“. Die Burgreste wurden in die Kanoniker-Häuser umgebaut und im 19. Jahrhundert wurde an dieser Stelle St.-Anna-Konvikt errichtet. Mit der Zeit vergaß man völlig, dass sich in den Kellern noch große Teile der damaligen mittelalterlichen Burg befinden. Erst Ende der 1980er Jahre wurden die zahlreichen Relikte entdeckt, aber es fehlte an Geld für die archäologischen Untersuchungen und weitere Arbeiten.
Die neue Zeit begann 2012. Zuerst wurde ein Teil des Gebäudes, das während des Zweiten Weltkrieges zerstört wurde, wiederaufgebaut. Danach – 2014 – wurde mit den archäologischen Arbeiten begonnen. Dank den Arbeiten wurden die Relikte der ursprünglichen Burg vollständig enthüllt. Nach vielen Jahren wurde eine Route vorbereitet, auf der man die Relikte der Burg zeigen kann. Dadurch möchte man die Bedeutung und die Größe der ersten Dynastie in Polen zeigen und das Wort „Piasten“ entzaubern.
In der kommunistischen Zeit wurde nämlich ständig über Piasten gesprochen im Zusammenhang der ideologisch verkündeten Rückkehr der Polen auf die urpolnischen Gebiete (daher „Wiedergewonnene Gebiete“ in der Propagandasprache). Nach so langer Zeit weckte es in Wrocław nur schlechte Emotionen, vor allem nach der Wende. Jetzt ist endlich der Moment gekommen, in dem man frei von jeglichen Ideologien anhand der Relikte über die Geschichte der Stadt erzählen und zeigen kann, dass die Piasten wirklich eine der reichsten und bedeutendsten Herrscher des damaligen Europas waren.
Das Haus Dom Notre Dame, befindet sich in Wrocław an der ul. św. Marcina 12, gegenüber der St. Martinskirche. Es bietet Übernachtungen und beherbergt auch ein Café.
Besuch der Burgrelikte “Piastensiegel” ist zu folgenden Öffnungszeiten möglich:
- vom 1. April bis 31. Oktober Di-Fr 11-19, Sa-So 11-19
- vom 1. November bis 31. März Di-So 12-18
- montags geschlossen.
Text & Bilder: Małgorzata Urlich-Kornacka