Ein fröhlicher Frauentag in Breslau (Wrocław)

Clara Immerwahr, Hedwig Kohn, Margarethe Siems, Margarethe Kauffmann, Olivia Newton-John haben biografische Bezüge zu Breslau

Den Spaziergang „Berühmte Breslauerinnen“ hat die Stadtverwaltung organisiert.

Die Abteilung für Soziale Vielfalt der Stadtverwaltung in Breslau (Departament Różnorodności Społecznej Urzędu Miejskiego Wrocławia) organisierte anlässlich des Internationalen Frauentags einen Spaziergang, dessen Thema berühmte Breslauerinnen waren. Geführt wurde er von Ewa Pluta, Mitarbeiterin des Stadtmuseums, die sich seit Jahren mit Frauengeschichten beschäftigt. Unterwegs warteten auf die Teilnehmenden musikalische Überraschungen, die die Musiker der Band „Gentelmen’s Jazz“ vorbereitet haben. Das interessante Thema und das sonnige Wetter haben über 100 Personen zu der Veranstaltung gelockt.

Das sonnige Wetter und das interessante Thema haben über 100 Personen angelockt.
Anfang mit Operndivas

Der Spaziergang fing bei der Breslauer Oper an, wo u.a. zwei besondere Frauen, zwei echte Divas, vorgestellt wurden. Die eine lebte in der Vorkriegszeit: Margarethe Siems, die 1879 in Breslau geboren wurde und eine Weltkarriere als Sopranopernsängerin machte. Sie tritt in Dresden, Berlin, Wien und London auf, sang in ihrem Leben fast 50 verschiedene Partien. Besonders beliebt und bekannt war ihre Rolle der Marschallin im „Rosenkavalier“. Die Singkariere beendete sie 1926 auf der Bühne des Breslauer Stadttheaters (der heutigen Oper). Sie hat aber weiter als Lehrerin gearbeitet. Als die Nazis an die Macht kamen, wollte sie mit ihnen nichts zu tun haben. Und sie hat es geschafft – sie war so berühmt, dass man sie in Ruhe gelassen hat, obwohl es bekannt war, dass sie mit einer Lebensgefährtin in einer Villa in Bad Landeck (heute Lądek-Zdroj) lebte. Im Jahre 1946 musste sie Niederschlesien verlassen.

Die andere Diva, an die erinnert wurde, war mit der Nachkriegsgeschichte der Oper verbunden. Am 8. September 1945 wurde zum ersten Mal im polnischen Wrocław die Oper „Halka“ von Stanisław Moniuszko aufgeführt. Damals war das eine sehr große Herausforderung: das Orchester war deutsch, die Balletttruppe bestand nur aus deutschen Tänzern (sie mussten in kurzer Zeit traditionelle polnische Tänze erlernen), nur die Solisten waren Polen. Man hatte auch keine notwendigen Kostüme. Sie wurden aus der Beuthener Oper ausgeliehen und dabei half die Diva Franciszka Platówna-Rotter, die in dieser Oper die Hauptrolle von Halka spielte. Sie verpfändete ihren Diamantring, um die Kostüme auszuleihen. Und so sicherte sie die erste Oper-Aufführung in der Nachkriegsgeschichte von Wrocław.

Weiter führte der Spaziergang am Geburtshaus von Max Born (Max-Born-Forum) – hier wurde an seine Mutter, die Klavierspielerin Margarethe Kauffmann und an seine Enkelin, Olivia Newton-John erinnert, die im Musical „Grace“ zusammen mit John Travolta spielte.

In der Altstadt wurde die Malerin Hanna Krzetuska vorgestellt, die zusammen mit ihrem Mann Eugeniusz Geppert die Kunstakademie nach dem Zweiten Weltkrieg in Wrocław organisierte. Während des Spazierganges wurden nicht nur berühmte Frauen wie z. B. Katharina Staritz, die in der Zeit des Nationalsozialismus die evangelische Angehörige jüdischer Abstammung in Verteidigung nahm (ihrer Schwester nach rettete sie circa 120 Juden, indem sie ihnen Dokumente und eine Familie im Ausland, die die Flüchtlinge einnahm, erledigte), sondern auch einfache Frauen, wie z. B. das Ellen-Malchen. Eigentlich hieß die Frau Amalie Renner und verkaufte 60 Jahre lang (zwischen 1824 und 1884) jeden Abend verschiedene Schreibwaren und Kleinspielzeug im Schweidnitzer Keller. Sie war so beliebt, dass der Besitzer des Bierkellers ihr zum Arbeitsjubiläum eine Torte schenkte, aus der beim Durchschneiden 50 Thaler rausfielen. Über ihr Leben weiß man nicht viel, aber – was überraschen kann – sie wurde auf vielen Grafiken, Postkarten, Gegenständen abgebildet und in Gedichten und Liedern verewigt.

Frauen in Wissenschaft und Forschung

Die Tour endete an der Universität, wo die Situation der Frauen am Anfang des 20. Jahrhunderts vorgestellt wurde. Hier wurden hervorgehoben: Clara Immerwahr-Haber, die im Jahr 1900 als erste Frau an der Breslauer Universität den Doktortitel in Chemie erwarb, und Hedwig Kohn, die 1913 als dritte Frau in Deutschland den Doktortitel in Physik erwarb und als erste Frau in der Geschichte der Breslauer Universität wissenschaftlich arbeitete und Vorlesungen hielt (bis 1933, als man sie wegen der jüdischen Herkunft ausgewiesen hat). Dank dem Engagement der Freunde im Ausland ist es ihr gelungen 1940 zu emigrieren und weiter für die Wissenschaft zu arbeiten.

Text und Bilder: Małgorzata Urlich-Kornacka