Das tragische Schicksal eines außergewöhnlichen Ortes in Oberschlesien
Mit der Vertreibung der letzten großen Gruppe der deutschen Einwohner vor 80 Jahren hörte der Ort in seiner bisherigen Form auf zu existieren.
Schönwalds Untergang war kein punktuelles Ereignis. Den Beginn der Agonie markierten die Flucht eines Teiles der Dorfbewohner in Richtung Mähren und die Besetzung des Ortes durch die Sowjets am 25. Januar 1945, einen Tag nach dem Rückzug der deutschen Wehrmacht. Die Soldaten mit den roten Sternen an ihren Mützen rächten sich in grausamster Weise für die Verbrechen, die in den Jahren zuvor im Namen Deutschlands im Osten begangen worden waren. Unter den etwa 200 Opfern der sowjetischen „Befreiung“ waren viele Frauen und Kinder. Vergewaltigungen, Brandstiftungen und Plünderungen prägten vor allem die frühe Phase der sowjetischen Herrschaft.

Nach der Übernahme des Ortes durch die polnische Verwaltung kam es zwar zu keinen systematischen Verbrechen mehr, doch herrschte weiterhin Anarchie. In die Häuser der Schönwälder, auch in die bewohnten, zogen nun allmählich Polen ein, überwiegend Aussiedler aus den sowjetisch annektierten Südostgebieten. Die bisherigen Besitzer wurden dadurch oft zu Knechten in eigenen Bauernhöfen. In dem großen Dorf, das vor Kriegsausbruch ca. 5.000 Einwohner zählte, lebten im Sommer 1945 noch ca. 1.000 Einheimische. Etwa 800 bis 900 von ihnen folgten an einem Oktobertag 1945 dem Befehl der polnischen Volkspolizei MO und versammelten sich in einem großen Garten hinter der sog. Weißen Schule. Von dort wurden sie in ein Übergangslager nach Gleiwitz (Gliwice) getrieben und wenige Tage später mit Viehwaggons in die sowjetische Besatzungszone verbracht. Kleinere Gruppen daheimgebliebener Schönwälder wurden bis Mitte 1946 gezwungen, ihren Heimatort in dieselbe Richtung zu verlassen.


Durch die Vertreibung der Deutschen und die Ansiedlung der Polen aus den südöstlichen, aber auch aus den zentralen Regionen des Landes, verlor das Dorf seinen bisherigen Charakter vollständig. In dem Ort, der inzwischen zunächst in Szywałd und kurze Zeit später in Bojków umbenannt wurde, durfte nur eine Handvoll Einheimischer bleiben. Es handelte sich dabei ausschließlich um Menschen, die einen Ehepartner oder einen Elternteil hatten, der aus einem der slawischsprachigen Nachbardörfer stammte. Auf diese Weise konnten sie ihre Bindungen zum polnischen Kulturraum nachweisen. Die Pflege des Schönwälder Dialekts und der lokalen Tradition war über die gesamte Zeit der Volksrepublik verboten.

Schönwald wurde Mitte des 13. Jahrhunderts im Rahmen einer Siedlungsaktion der Zisterzienser aus Groß Rauden (Rudy) in einem großen Waldgebiet gegründet. Seine ersten Einwohner stammten höchstwahrscheinlich aus Franken. Ihren Nachkommen gelang es bis 1945, die aus der Urheimat mitgebrachten Bräuche und den Dialekt aufrechtzuerhalten. Aus diesem Grund bildete der Ort jahrhundertelang in zweierlei Hinsicht eine Sprachinsel. Denn umgeben war er von meist slawischsprachigen Dörfern und der Stadt Gleiwitz, in der Hochdeutsch gesprochen wurde. Weit die über die Grenzen Oberschlesiens bekannt war Schönwald wegen seiner Volkskultur und seiner Stickereien. Seit den 1970er Jahren ist der Ort ein Stadtteil von Gleiwitz.
Mehr zur Entstehung und Geschichte des Ortes unter Schönwald/ Bojków – eine Sprachinsel in Oberschlesien – Silesia News
Text: Dawid Smolorz
