Das kleinste Bauwerk von Max Berg in Breslau/ Wrocław wird zu einem Café

Das Café Berg sucht einen Betreiber – Angebote bis zum 27. Juli 2020

In Breslau wurde an den 150. Geburtstag des großen Architekten erinnert.

Am 17. April 2020 feierte die Stadt Breslau den 150. Geburtstag von Max Berg (1870-1947) – Corona-bedingt viel bescheidener als geplant. Der geniale Architekt und Erbauer der Jahrhunderthalle wurde in Stettin geboren und Ende 1908 zum Stadtbaurat nach Breslau berufen, wo er bis Anfang 1925 arbeitete. Und obwohl er wegen zahlreicher Konflikte mit dem Stadtrat acht Jahre früher aus seinem Amt zurücktrat als vertraglich vereinbart (seine Amtszeit dauerte offiziell bis zum Ruhestandantritt im Jahre 1933), hinterließ er Werke, die in die Architekturgeschichte eingegangen sind, allen voran die Breslauer Jahrhunderthalle, heute Hala Stulecia. Wir möchten Ihnen aber nicht das größte sondern das kleinste Werk von ihm vorstellen – aus aktuellem Anlass.

Direkt am Schweidnitzer Stadtgraben (heute Podwale) in Breslau befindet sich ein zweistöckiges Stahlbetongebäude. Es handelt sich um ein altes Milchhäuschen, das 1910 von Max Berg entworfen wurde. Was waren die „Milchhäuschen“ und wozu dienten sie? Das Trinken von Milch und Molke, der Verzehr frischer Milchprodukte und Spaziergänge im Freien wurden Ende des 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als gute Kur angesehen. Sie sollte wirksam bei der Behandlung vieler Krankheiten werden. Deshalb entstand der Trend, direkt an den Promenaden oder Parks solche Milchhäuschen einzurichten. Der größte „Boom“ kam in den 1920er Jahren – damals entstanden solche Milchhäuschen in fast jeder Stadt und in jedem Kurort.

Dank der alten Postkarte wissen wir genau, wie das Breslauer Milchhäuschen aussah. Oben ist ein kleiner Balkon zu sehen – hier konnte man sich mit einem Milchbecher über das Geländer lehnen (in dem Geländer sind originalerhaltene spezielle Löcher erhalten geblieben, wo man die Becher reinstecken konnte) und die Menschen auf dem Stadtgraben beobachten. Denn gegenüber dem Häuschen, bei der damaligen Liebichshöhe, gab es einen „Gondel-Verleih“. Hier konnte man sich ein Boot ausleihen und den Tag auf dem Wasser mitten im Stadtzentrum verbringen!

Nach dem Krieg diente das Objekt anderen Zwecken, u. a. konnte man hier fast 30 Jahre lang einen zusätzlichen Hausschlüssel machen lassen und etwas kopieren. Im Jahre 2018 wurde beschlossen, das Gebäude zu renovieren. Das Wiederaufbau- und Revitalisierungsprojekt wurde von der Architektin Anita Luniak (Gruppe 33_03) durchgeführt. Das Gebäude wurde gründlich restauriert: Am Fußboden und auf der Treppe wurden originelle Terrazzo-Fliesen entdeckt, die Stahlbetonpfeiler wurden freigelegt, das originelle Geländer am Balkon wurde restauriert und ergänzt. Die Fläche zwischen den Pfeilern wurde mit Glasscheiben, die man verschieben kann, ausgefüllt. Auf diese Art und Weise wird es möglich sein, den Innenraum beim schönen Wetter nach außen zu öffnen. Die Arbeiten dauerten über ein Jahr und kosteten ca. 320 Tausend Euro (ca. 1,4 Millionen Złoty). Der nächste Schritt wird die Auswahl eines Unternehmens sein, das hier das Café Berg betreiben wird. Die Ausschreibung läuft bis zum 27. Juli 2020, weitere Informationen sind im Amtsblatt unter bip.zzk.wroc.pl (in polnischer Sprache) erhältlich. Für das 90 qm große Lokal wird eine Miete in Höhe von mindestens 1400 Złoty verlangt (ca. 350 Euro) – nach oben offen.

Bald kann man im Café Berg einen Kaffee oder eben Milch genießen.

Text und Fotos: Małgorzata Urlich-Kornacka