Literarischer frischer Wind aus Oberschlesien

Szczepan Twardoch gehört zu den interessantesten Schriftstellern in Polen

Der in Pilchowitz/ Pilchowice bei Gleiwitz/ Gliwice lebende Autor (geb. 1979) ist eine der größten Entdeckungen in der polnischen Literatur des 21. Jahrhunderts.

Seine Bücher sind spannend, die Themenauswahl originell und die Sprache dynamisch. Von Anfang an weckte Szczepan Twardoch aber auch Kontroversen. Für einen nicht geringen Teil der Öffentlichkeit in Polen war es schwer zu begreifen, dass ein Autor, der sehr gute Romane in polnischer Sprache schreibt, konsequent betont, dass er kein Pole sei, sondern Oberschlesier. Und dass er selbstbewusst behauptet, Oberschlesisch, das die meisten Einwohner des Landes – auch Sprachwissenschaftler – für einen Dialekt halten, sei eine eigene Sprache.

Twardoch hat oberschlesischen Themen in Polen eine neue Dimension und eine zum Teil unbekannte Perspektive verliehen. Denn entgegen dem in der Volksrepublik Polen (aber oft auch nach 1989) lancierten Bild einer ewig polnischen Region mit polnisch-patriotisch gesinnter Bevölkerung ist Oberschlesien in Twardochs Büchern ein multiethnischer, mehrsprachiger, eindeutig deutsch geprägter Landstrich, in dem die polnische Gesinnung nur eine von mehreren ist. In der polnischen Originalausgabe von „Drach“ (Originaltitel: „Drach”) verwenden die Protagonisten drei Sprachen: Polnisch, Deutsch und Oberschlesisch. Deutsche Dialoge wurden dabei nicht ins Polnische übersetzt, sodass sich der Leser selbst helfen muss. Die Botschaft konnte nicht eindeutiger sein: Auch die deutsche Sprache gehört zu der Region.

Umschlag der polnischen Originalausgabe von „Drach“.

Doch im Mittelpunkt der Bücher Twardochs stehen nicht nur Oberschlesien und deutsch-polnische Themen. Die Handlung seines Bestseller-Romans „Der Boxer“ (Originaltitel: „Król”) spielt beispielsweise in den 1930er Jahren in der jüdischen Unterwelt Warschaus. Als erstes Buch des oberschlesischen Schriftstellers wurde „Der Boxer“ in diesem Jahr verfilmt. Auch für „Morphin“ (Originaltitel: „Morfina“) bildet die polnische Hauptstadt die Kulisse. Einige seiner Romane – u. a. „Drach“, „Der Boxer“, „Das schwarze Königreich” (Originaltitel: „Królestwo“) und „Morphin“ –  wurden bereits ins Deutsche übersetzt. Vor Kurzem erschien ein neues Buch von Szczepan Twardoch mit dem Titel „Pokora“, in dem Oberschlesien, Deutsche und Polen erneut im Vordergrund stehen.

Text: Dawid Smolorz

Szczepan Twardoch, Quelle: Zorro2212, Wikimedia Commons