Der größte Tannenbaum Europas steht in Breslau/ Wrocław

Die über 90 Meter hohe Stahlnadel (poln. Iglica) vor der Jahrhunderthalle verwandelt sich mit Laser-Kunst zum Weihnachtsbaum

Die 1948 entstandene Iglica wird auch außerhalb der Weihnachtszeit durchaus positiv konnotiert.

Kurz vor Weihnachten verwandelt sich die über 90 Meter hohe Stahlnadel (Iglica) bei der Jahrhunderthalle in Breslau in den größten Tannenbaum Europas. Natürlich symbolisch, weil sie mit Laser grün beleuchtet wurde. Die Aktion bereitete die Verwaltung der Jahr-hunderthalle vor, um den Einwohnern ein bisschen Freude in diesen schwierigen Zeiten zu bereiten und das Klima des Weihnachtsfestes näherzubringen. Es war nicht das erste Mal, dass die Stahlnadel als ein Tannenbaum diente. Im November 2007 wurde sie wirklich mit der Lichterkette geschmückt und war neben der Eislaufbahn die größte Attraktion der Stadt. „Der größte Weihnachtsbaum Europas“ wurde selbstverständlich als Marketing-Slogan entsprechend ausgenutzt.

Kurz vor Weihnachten wurde die Jahrhunderthalle und die Stahlnadel grün beleuchtet.

Die Stahlnadel wurde 1948 zur „Ausstellung der Wiedergewonnenen Gebiete“ aufgestellt. Ihre drei Beine sollten die drei Jahre der Zugehörigkeit zum polnischen sozialistischen Staat symbolisieren oder – wie in der damaligen Presse mitgeteilt wurde – die drei Schichten der Nation, die „in den Bemühungen um den Wiederaufbau der Stadt“ geeint sind: die Arbeiter, die Bauer und die arbeitende Intelligenz. Die Stahlnadel, die als Symbol des Fortschritts und der Entwicklung der Stadt unter der sozialistischen Herrschaft diente, ist das Projekt von Professor Stanisław Hempel. Sie war ursprünglich 106 Meter hoch. An ihrer Spitze befand sich ein runder Kreis mit Spiegeln, die an eine Art von Regenschirm erinnerte. Der Spiegel-kreis wurde im Juli 1948 (genau vor dem wichtigsten kommunistischen Fest des 22. Juli) vom Gewitter beschädigt und die gefährlichen Spiegel mussten abgetragen werden. Die schwierige Aufgabe übernahmen zwei junge Alpinisten oder genauer gesagt „Taternisten“ (wie man die Bergsteiger aus der Hohen Tatra in Polen nennt) und kletterten nach oben, um die Spiegel nach unten zu werfen. Die Aktion dauerte 24 Stunden (vom 15. Oktober bis zum 16. Oktober 1948) und wurde von den Tausenden Zuschauern beobachtet.

Die Aktion bereitete die Verwaltung der Jahrhundertjahre vor, um den Einwohnern ein bisschen Freude in diesen schwierigen Zeiten zu bereiten

Im Jahre 1964 wurde die Stahlnadel zum ersten Mal hingelegt, saniert und gekürzt. Im Jahre 1979 wurde die Aktion noch einmal wiederholt. Damals wurde die Stahlnadel um weitere 5 Meter gekürzt. Das letzte Mal wurde die Sanierung im Jahre 2016 durchgeführt. Die Stahl-nadel wurde hingelegt, die alte Ölfarbe wurde entfernt und die Stahlnadel wurde neu gestrichen – grau, so wie es ursprünglich war. Der ganze Prozess dauerte 7 Monate – im März 2017 wurde die 44-Tonnen schwere Stahlnadel innerhalb eines Tages aufgestellt. Wiederum sammelten sich Tausende Zuschauer, um diesem historischen Moment beizu-wohnen. Die Mehrheit der Kosten übernahm die norwegische Firma Jotun, die auf den eigenen Verdienst verzichtete und für sich auf diese Weise Werbung machte. Sie war u.a. für die Renovierung des Eiffelturmes in Paris verantwortlich. Den anderen Teil der Kosten übernahm die Jahrhunderthalle.

Die letzte Renovierung der Stahlnadel fand 2016/2017 statt. Fot. Boga Piter.

Obwohl die Stahlnadel als ein Teil der damaligen Propaganda-Ausstellung entstand, wurde sie von den Einwohnern schnell akzeptiert. Heutzutage könnte man sich die Jahrhundert-halle ohne sie überhaupt nicht vorstellen. Und sie wird nicht wie der Kulturpalast in Warschau negativ empfunden. Im Gegenteil – sie ist zum starken Symbol der Stadt und zum Schauplatz wichtiger historischen Ereignisse geworden. An ihrer Spitze wurde z. B. 1982, in der Zeit des Kriegszustandes in Polen, die Solidarność-Fahne für einige Tage aufgehängt oder 2008 die Fahne von Tibet, als Zeichen der Solidarität mit dem von der chinesischen Regierung verfolgten Volk. Im August 2015, als man das 35. Jubiläum der Solidarność in Polen feierte, wurden zwei Fahnen gehisst: die Solidarność und die polnische Fahne.

Im Jahre 2018, als man den 100. Jahrestag der Unabhängigkeit Polens feierte, wurde die Stahlnadel weiß-rot beleuchtet.

Die Nadel präsentiert sich auch hervorragend als der größte Tannenbaum Europas. Sie gibt Hoffnung für bessere Zeiten und für ein besseres Jahr 2021. Und das sollen wir uns unbedingt wünschen. Frohe Weihnachtsgrüße aus Breslau!

Text und Fotos: Małgorzata Urlich-Kornacka   

Der Weihnachtsbaum auf dem Ring. Frohe Weihnachtsgrüße aus Breslau!