Die polnische Gauck-Behörde

Seit 1999 untersucht das Institut für Nationales Gedenken (IPN) verschwiegene Fakten aus der jüngsten Vergangenheit Polens

Die weißen Flecken der oberschlesischen Geschichte deckt das Kattowitzer Büro des IPN auf.

Den Schwerpunkt der Untersuchungen und Ermittlungen des IPN (poln. Instytut Pamięci Narodowej) bilden in erster Linie Ereignisse, die in der kommunistischen Zeit von der offiziellen Geschichtsschreibung nicht erforscht werden durften. Zwar existierte schon vor 1989 eine ähnliche Einrichtung – die Hauptkommission zur Untersuchung der Naziverbrechen in Polen – doch wie der Name schon besagt, setzte sie sich weder mit den sowjetischen noch mit den kommunistischen Repressalien und Gewalttaten auseinander. Somit konnte ein wichtiger Teil der tragischen Vergangenheit Polens nicht aufgearbeitet werden.

Eines der Warschauer IPN-Büros, Quelle: Adrian Grycuk, Wikimedia Commons.

Das IPN ist unter anderem für die Verwaltung und Auswertung der Akten des kommunistischen Sicherheitsamtes zuständig. Aus diesem Grund wird es oft mit der Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik verglichen. Doch trotz vieler Ähnlichkeiten unterscheidet beide Institutionen einiges. In dem Kompetenzbereich der polnischen Einrichtung liegt auch die Durchführung staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen zu nationalsozialistischen, sowjetischen und kommunistischen Verbrechen. Überdies setzt das IPN im Rahmen seiner Aktivitäten im Bereich der öffentlichen Bildung wissenschaftliche und Forschungsprojekte um, veranstaltet Konferenzen und gibt Veröffentlichungen heraus. Interessanterweise untersucht die Behörde nicht nur Ereignisse, die innerhalb der heutigen Grenzen Polens stattfanden. Auch die Gewalttaten an polnischer Bevölkerung in den Ostgebieten der Zweiten Republik, beispielsweise die völkermordähnlichen Massaker in Wolhynien 1943 bis 1945, stellen einen der Schwerpunkte der Arbeit des IPN dar.

Archiv am früheren Sitz des IPN in Warschau, Quelle: Adrian Grycuk, Wikimedia Commons.

Neben der Warschauer Zentrale hat das Institut für Nationales Gedenken elf regionale Außenstellen, eine davon in Kattowitz/Katowice. Diese ist speziell auf oberschlesische Themen ausgerichtet. Unter anderem untersuchte sie die deutschen Kriegsverbrechen, die bei der Besetzung Ostoberschlesiens im September 1939 begangen worden waren, ermittelte gegen die Angehörigen der kommunistischen Spezialeinheit ZOMO, die an der blutigen Zerschlagung des Streiks im Bergwerk „Wujek“ im Dezember 1981 beteiligt gewesen waren und untersuchte ausführlich das Problem der Deportationen der Oberschlesier in die Sowjetunion 1945.

Büro des IPN in Kattowitz, Quelle: Marek Mróz, Wikimedia Commons.

Das Kattowitzer IPN-Büro versuchte zudem vergebens, die Auslieferung von Salomon Morel aus Israel zu erwirken, dem brutalen Kommandanten des Lagers des polnischen Ministeriums für Öffentliche Sicherheit „Zgoda“ in Schwientochlowitz/Świętochłowice, in dem 1945 mehr als 2.000 Deutsche und antikommunistisch gesinnte Polen ermordet oder zu Tode gequält worden waren.

Im Jahr 2020 hatte das IPN insgesamt über 2.000 Mitarbeiter und verfügte über einen Haushalt in Höhe von umgerechnet ca. 100 Mio. Euro.  

Text: Dawid Smolorz

Logo des IPN.