Ein Zeichen der Hoffnung und Menschlichkeit in schwieriger Zeit: Das Kreuz in Esdorf/ Opoczka wurde vor 75 Jahren aufgestellt

Zu Ostern 1946 sendeten Deutsche und Polen im kleinen niederschlesischen Dorf wichtige Botschaft in die Welt

Gastbeitrag des Zeitzeugen Eckhard Hoffmann.

Heute, Ostern 2021, befinden wir uns durch die Corona-Pandemie in einer schwierigen Zeit. Vor 75 Jahren, wir schreiben das Jahr 1946, bedrückten uns in die Zukunft blickend nicht weniger große Sorgen und Ängste. Die Geschichte eines Kreuzes in einem kleinen, unscheinbaren Dorf Schlesiens in der Nähe der heutigen Begegnungsstätte Krzyżowa/ Kreisau offenbart uns die Vergänglichkeit bedrückender und belastender Gegenwartsgeschehen.

Eckhard Hoffmann mit seiner Frau Margit vor dem Kreuz in Opoczka, 2018.

Sehr oft habe ich die Geschichte dieses Kreuzes anlässlich von vielen Begegnungen (Ausstellungen oder Vorträge über den Polyglotten Emil Krebs, Bruders des jetzt im Mittelpunkt stehenden Alfred Krebs) in Schlesien angesprochen. Ausnahmslos begegnet mir dann großes Erstaunen, oft auch Zweifel, Nachdenklichkeit und Dankbarkeit. Dieses Kreuz und dessen bereits 1946 erbetener Friedenswunsch zwischen Polen und Deutschen bedeutet für mich eine Verpflichtung im Sinne meines Großvaters, zumal ich, damals noch ein fünfjähriges Kind, diese Kreuzsetzung selbst erleben durfte.

Doch nun ein Sprung ins Jahr 2009. Anlässlich der Vorbereitung einer Reise von früheren Bewohnern unserer alten Heimatgemeinde Esdorf-Schwengfeld/ Opoczka-Makowice nach Schweidnitz/ Świdnica fand ich durch Zufall in den noch vorhandenen Unterlagen meines längst verstorbenen Großvaters Alfred Krebs (+ 1953) die Abschrift einer Urkunde aus dem Jahr 1946. Sie ist in Alt-Deutsch geschrieben. Der Inhalt berührt mich auch heute noch sehr.

Diese Reise in die alte Heimat mit über 30 Personen führte uns durch Vermittlung des damaligen Prälaten der katholischen Kirche in Świdnica, Pfr. Bagiński, zu einem gemeinsamen Gottesdienst in die katholische Kirche in Makowice (20. Sept. 2009). Die polnischen und deutschen Besucher dieser Andacht waren sehr bewegt und dankbar. Die Bürgermeisterin Hanna Chmal begleitete uns dann durch Opoczka und manche Tür öffnete sich zu einer Begegnung mit heutigen Bewohnern.

Am Abend trafen wir uns, die früheren Bewohner der beiden Dörfer mit den heute dort Beheimateten zu einem gemütlichen Beisammensein im Gemeindehaus. Hier nun erinnerte mein Verlesen des Zufallsfundes an die zwischenzeitlich vergessene und wohl nicht überlieferte Geschichte des Kreuzes an unser beiderseitiges Leid der direkten Nachkriegszeit; nun jedoch mit einem uns alle verbindenden Rückblick in die Vergangenheit und einem Ausblick in die Zukunft. Die vorliegende Abschrift der Urkunde des Alfred Krebs aus dem Jahr 1946 offenbart für die damalige Zeit Undenkbares:

Im April 1946 errichten der deutsche Protestant Alfred Krebs zusammen mit dem katholischen Polen Łukasz Sotnik ein großes Kreuz im Garten des Hauses Nr. 7 in Esdorf/ Opoczka. Geweiht wird es Ostern 1946 (am 21. April) durch einen polnischen katholischen Geistlichen. Diesem Kreuz wird die von Alfred Krebs verfasste Urkunde beigelegt. Im Laufe der Jahrzehnte wird es morsch und durch ein neues Kreuz an der gleichen, geweihten Stelle ersetzt. Die unter dem alten Kreuz aufgefundene Flasche mit der Urkunde wird ungeöffnet dem neuen Kreuz wieder beigefügt, ohne den Inhalt der Schrift zu kennen. Somit wird das Vermächtnis des deutschen Alfred Krebs und des Polen Łukasz Sotnik und dessen Ehefrau Franciszka aus dem Jahre 1946 in die heutige Gegenwart und Zukunft getragen. Im August 1946 mussten wir, wie viele andere schon 1945, Esdorf verlassen; heute jedoch sind wir immer gern willkommen und manche Freundschaften haben sich in den vergangenen Jahren ergeben. Auch Dank des Kreuzes – Symbol des Leidens, aber auch der Auferstehung und neuen Lebens.

Hier nun der gekürzte Wortlaut der Urkunde:

Urkunde (Abschrift)

In den schweren Nachkriegswirren, in denen Menschen ihres Hab und Gutes beraubt, vergewaltigt und gequält wurden, setzten dieses Kreuz gemeinsam ein Deutscher und ein Pole, die sich als Menschen achteten und schätzten. „Unser König Jesus Christus“ sei der Hüter, dass nicht Hass die Menschen beherrsche, sondern die Liebe, die alles versöhnt, die Wunden heilt und wahren Frieden bringt, – das war der leitende Gedanke, das Kreuz von dem Zimmermann Fritz Fischer und dem Kunstschnitzer Walter Partecke herstellen und von dem röm. katholischen Polen Lukas Sotnik und seiner Ehefrau Franziska und dem protestantischen Deutschen Alfred Krebs, aufrichten zu lassen.

Wenn einst nachkommende Geschlechter diese Urkunde finden, so sollen sie wissen: Glücklich haben sich die deutschen Menschen in Esdorf gefühlt bis im Jahre 1945 der Russe ins Land kam und furchtbar hauste. Da schieden 12 Menschen freiwillig aus dem Leben, weil sie die seelische Belastung und die körperlichen Qualen unerträglich fanden.

Dieses Kreuz wurde zu Ostern (21.4.) 1946 durch einen polnischen Geistlichen geweiht.

Es weist mit einem Balken nach oben zu dem Vater, der da hilft und mit seinen Armen breitet es sich über die schöne Erde, die wir bebauten.

Esdorf, den 18. April 1946

Alfred Krebs, Baumeister, und Tochter Elsa Hoffmann, geb. Krebs mit ihrem Sohn Eckhardt und Tochter Waltraut Krebs

Text und Bilder: Eckhard Hoffmann, Potsdam