Ein Stück Rom in Niederschlesien lebt an Ostern auf

Die Heilige Stiege in Sośnica (Schosnitz) bei Wrocław (Breslau) wird in der Osterzeit zum Pilgerort

Sie stammt aus dem 18. Jahrhundert und ist dem Original der Scala Santa in Rom nachempfunden.

Das Osterfest ist das wichtigste Fest aller Christen. Es wird natürlich unterschiedlich gefeiert – je nach Konfession, Land und Region. Es gibt aber Orte, die seit Jahrhunderten mit dieser besonderen Zeit stark assoziiert werden. Zu diesen Orten gehört zweifelsohne das kleine, ca. 20 km westlich von Wrocław (Breslau) liegende Dorf Sośnica (Schosnitz, ab 1936 Reichbergen – alle Ortsnamen mit der Endung „witz“ oder „nitz“ mussten in der NS-Zeit als slawisch-klingende geändert werden).

Im Zentrum des Dorfes steht eine Kirche, die im 14. Jahrhundert errichtet wurde. In den nächsten Jahrhunderten ausgebaut, bekam sie 1776 einen einmaligen Anbau – eine Kapelle, die die Heilige Stiege beherbergt. Seit dem 18. Jahrhundert kommen hier Gläubige aus Schosnitz und Umgebung, um den Leidensweg Christi zu bedenken und die Stiege kniend zu erklimmen. Besonders in der Fastenzeit ist dieser Pilgergang von Bedeutung: am Karfreitag ist das Erklimmen der Heiligen Stiege mit einem vollkommenen Ablass für den Pilger verbunden.

Karl Feist, ein ehemaliger Bewohner von Schosnitz, schrieb 1960: „Es fanden sich immer Beter ein, die des Leidens und Sterbens Christi gedachten. Am Karfreitag wollte der Besucherstrom nicht abreißen. Es war üblich, im Laufe der Kartage in drei Kirchen das Heilige Grab zu besuchen. Gerade nach Schosnitz ging man gern, schon deshalb, um auch einmal einer „Stiegenandacht“ beiwohnen zu können. Die Kirche glich einem kleinen Wallfahrtsort“ (Karl Feist, „Beiträge zu einer Dorfchronik von Schosnitz. Kreis Breslau“, 1960, S. 74-74).

Bis heute lebt die Tradition. Die Kirche ist am Karfreitag voll. Die Einwohner und Pilger kommen zu Osterzeit hier und gehen betend auf den Knien die Stiege zum Heiligen Grab hinauf.

Die bekannteste „Scala Santa“ (Heilige Treppe) befindet sich in Rom, gegenüber der Lateranbasilika (Basilica San Giovanni in Laterano) in dem ehemaligen Papstpalast. Die Stufen führen zur Kapelle „Sancta Sanctorum“. Der Überlieferung nach, sind die Stufen im 4. Jahrhundert von der heiligen Helena, der Mutter von Kaiser Konstantin, nach Rom gebracht worden. Die Treppe stammt aus dem Palast von Pontius Pilatus, der Jesus von Nazareth verhörte und zum Tode durch die Kreuzigung verurteilen ließ.

Im Heiligen Jahr 1775 begab sich eine fromme sechzigjährige Witwe, die Gräfin Maria Josepha von Würtz und Burg aus Schosnitz, zu einer Pilgerfahrt nach Rom. Davon beeindruckt hat sie sich entschieden, ein kleines Stück Rom zurück in die Heimat mit zu nehmen. Die Gräfin gehörte zu einer frommen Familie von Osterberg. Ihr Opa, Daniel Paschasius von Osterberg, stiftete in Albendorf (heute Wambierzyce) das sog. „schlesische Jerusalem“, eine prächtige Kirche und einen Kappellenberg. Die Gräfin hatte also ein gutes Beispiel. Sie ließ in Schosnitz eine Kapelle mit der Heiligen Stiege errichten: achtundzwanzig Stufen aus Marmor – genau wie in Rom. Sie brachte auch Reliquien der Heiligen, die unter den kleinen Glaskapseln in den Stiegen eingesetzt wurden. Auch ein Stück von der Nadel aus dem Christi-Kreuz sollte dabei sein.

Das Treppenhaus wurde mit den Fresken geschmückt, die die Szenen aus der Leidensgeschichte Christus darstellen. Sie wurden von Johann Heinrich Kühnast (Kinast) und seinem Sohn gefertigt. Oben, über dem Altar, ist auf der Decke die Hl. Hedwig zu sehen. Auf Wunsch der Stifterin, der Gräfin von Würtz und Burg, wurde die ganze Kapelle der Schutzpatronin Schlesiens gewidmet.

Text und Fotos: Małgorzata Urlich-Kornacka