Vor 100 Jahren wurde im Breslauer Zoo ein Filmatelier eingerichtet

„Breslau soll Filmstadt werden“ hieß es ehrgeizig in der Fachpresse

Ein frühes Kapitel der Kinogeschichte der niederschlesischen Metropole spielte sich im Affenhaus ab.

Vor einhundert Jahren, am 1. April 1921, wurde infolge der Wirtschaftskrise der Breslauer Zoo geschlossen. Das gesamte Gelände wurde u.a. an die ersten Filmproduktionsfirmen vermietet: Matador-Filmwerke, Rochus-Gliese-Film und Eulag.

Schon im September 1921 berichtete Der Kinematograph: „Breslau soll Filmstadt werden. Mit amerikanischem Gelde sollen hier Filmgesellschaften gegründet werden. Die erste Breslauer Filmgesellschaft mit Namen Matador-Filmwerke bringt ihren ersten Film in den hiesigen Ah-Lichtspielen zur Uraufführung“ (Quelle: Frank Götz, Der Kinematograph, 11.09.1921, Nr. 760, S. 16).

Mit dem ersten Film wurde die Komödie Die Liebesinsel von Oskar Paulsen gemeint (leider unzugänglich). Über den Inhalt der Komödie erfahren wir aus dem Kinematograph: „Ein Bauernmädchen – (Lisl Frankhé) liebt einen Lehrer (Paul Westermeier). Der Vater (Bruno Wiesner) wünscht sich aber einen anderen Schwiegersohn (diesen spielte der Schauspieler aus dem Breslauer Schauspielhaus Ludwig Stössel)“. Die Rezension des Filmes von Frank Götz war nicht besonders positiv: der Inhalt „ist schon unzählige Male verarbeitet worden“ – schrieb er.

Für die Breslauer Filmforscher ist der Film aber aus zwei Gründen besonders wichtig: Er wurde ausschließlich in Breslau und in seiner Umgebung gedreht und er ist ein Beweis dafür, dass sich die Breslauer Filmindustrie schon vor dem Zweiten Weltkrieg entwickelt hatte. Und dabei spielte der Breslauer Zoo eine große Rolle: Hier befanden sich die Ateliers. Bei der Werbung des nächsten Filmes – des Dramas Hyänen des Glücks mit Alfred Abel (der später u.a. in Phantom von Friedrich Wilhelm Murnau spielte) wird als Adresse des Ateliers  „Breslau, Zoo“ erwähnt. Die Anzeige hat in den „Breslauer Neusten Nachrichten“ (Dezember 1921 und Januar 1922) Dr. Andrzej Dębski gefunden, der sich seit Jahren mit der Breslauer Kinogeschichte beschäftigt und zu diesem Thema publiziert.

Auch in der „Schlesischen Tageszeitung“ aus dem Jahr 1943 wurde ein interessantes Interview gefunden. Der Aufnahmeleiter Gustav Lorenz erinnert sich an die Zeit, als sein Abenteuer mit dem Film begann. Zufällig ist er einem Filmspielleiter in einer Gaststätte in der Ohlauer-Straße in Breslau begegnet. Da Herr Lorenz gerade im Kriminaldienst beim Polizeipräsidium tätig war und die Stadt gut kannte, wurde ihm ein Job bei einer neu gegründeten Produktionsgesellschaft Eulag angeboten. Er überlegte nicht lange und widmete sich der zehnten Muse.

Aus dem Artikel kann man ein paar interessante Fakten über die Anfänge der Breslauer Kinematographie erfahren: „Das Elefantenhaus wurde zum Atelier umgebaut, das Affenhaus wurde Kopieranstalt und Werkstätte, die anderen Gehege konnten als Unterkünfte und dergleichen benutzt werden“ – berichtete Lorenz. Seiner Meinung nach, wurden zwischen 1921 und 1924 etwa sechs oder sieben Filme gedreht, u.a. das Liebesdrama Brüder. Ein Drama zwischen Himmel und Erde von Rochus Gliese, ein Drama mit Spionage-Intrige Im Namen des Königs von Erich Schönfelder und ein Hochgebirgsdrama Winterstürme von Otto Rippert. Einige Aufnahmen für diese Filme entstanden in Breslau, andere in weiteren Teilen Niederschlesiens (z. B. in Glatz/ Kłodzko und im Riesengebirge). Sie wurden unter Beteiligung von Breslauer Schauspielern von Lobe- und Thaliatheater gedreht, es waren aber auch Amateure dabei. An einen – Herrn Bloch – erinnert sich z. B. der Regisseur Rochus Gliese. Er schrieb, dass Herr Bloch zwar gut aussah, aber nur dann, wenn er ausgeschlafen war. Meistens war es aber nicht der Fall, weil Herr Bloch ein „intensives erotisches Leben führte“ und die Ehefrauen reicher Männer oder der Produktionsleiter verführte.

Und wer weiß, vielleicht lag es an Herrn Bloch, dass sich Breslau der Vorkriegszeit doch nicht zu einer Filmmetropole entwickelte… Dabei waren die Pläne sehr ehrgeizig: In der Nähe der Jahrhunderthalle, am Vier-Kuppel-Pavillon, wo nach dem Krieg das polnische Spielfilmstudio eingerichtet wurde, sollte bereits in den 1920er Jahren ein riesiges Aufnahmeatelier entstehen.

Text und Fotos: Małgorzata Urlich-Kornacka