Breslau/ Wrocław: Die Jahrhunderthalle ist wieder für Touristen geöffnet

Nach einer halbjährigen Pause öffnet das Visitor Centre mit der multimedialen Ausstellung zur Geschichte des Objektes

Das berühmteste Bauwerk von Max Berg ist ein lohnendes Ausflugsziel.

Nach langen Renovierungsarbeiten und der Corona-bedingten Schließzeit öffnete am 6. Mai 2021 die Jahrhunderthalle in Breslau/ Wrocław wieder ihre Pforten für individuelle Touristen und kleine Gruppen.

Auf die Besucher warten neue Eindrücke. Die Ausstellung in dem Visitor Centre, die 2020 zum 150. Geburtstag von Max Berg (1870-1947), dem Architekten der Jahrhunderthalle, entstanden ist, wurde neugestaltet und multimedial ausgebaut. Es werden zwei virtuelle Exkursionen in der VR-Technologie angeboten. Sie ermöglichen, die (virtuelle) Bekanntschaft mit dem Architekten der Halle zu machen sowie jene Orte in dem Bau zu sehen, die den Besuchern normalerweise verborgen bleiben. Mit Hilfe der VR-Brille kann man sich weit über das Ausstellungsgelände begeben und die Anlage von der Höhe der Stahlnadel – „Iglica“ – sehen. Es ist auch möglich, sich die 42-Meter hohe Kuppel virtuell genau anzuschauen und die Informationen über den Monumentalbau zu bekommen. Viele Elemente, die bei der vorherigen Ausstellung besonders beliebt waren, sind erhalten geblieben.

Man kann sich einen 20-minutigen Film über die Geschichte der Jahrhunderthalle anschauen, sich den Klang der größten Orgel der Welt, die ursprünglich in der Halle waren, anhören, man kann sich über den Max Berg und andere geniale Architekten der damaligen Zeit, z.B. Hans Poelzig, informieren und eine Animation zur Art und Weise des Bauens der Jahrhunderthalle ansehen. Denn das war ja ein Meisterstück! Der Beton wurde in die Verschalungen rund um die Uhr gegossen. Um die Arbeit einfacher zu machen, wurde spezielle Konstruktion entworfen. Es wurde eine Bahn mit Kranichen rund um den runden Bauplatz gebaut, die mit dem großen Turm in der Mitte verbunden war. Die kleinen Wagen mit Beton wurden nach oben gezogen. Dasselbe betraf die Fester – sie wurden unten hergestellt und fertig nach oben transportiert. Das und viel mehr kann man in der Ausstellung erfahren, bevor man sich unter die Kuppel begibt.

Die Jahrhunderthalle ist das größte und bedeutendste Werk von Max Berg. Breslau entwickelte sich Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts sehr rasch und wollte unbedingt noch den eigenen Rang erhöhen. Deshalb brauchte es ein Gelände für Messen, denn wo die Messen stattfanden, wuchs auch das Prestige der Stadt. Ein guter Anlass dazu kam im Jahre 1913. Genau hundert Jahre früher wurde in Breslau der Aufruf „An mein Volk“ des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. verkündet und somit das Volk zum Kampf gegen Napoleon aufgerufen. Im Jahre 1813 wurde Napoleon in der Völkerschlacht bei Leipzig geschlagen. Und so entschied sich die Stadt Breslau, eine Festhalle zur Erinnerung an die Befreiungskriege zu bauen und eine Jahrhundertausstellung zu organisieren. Man hatte Hoffnung, bei dieser Gelegenheit, etwas Geld vom Staat zu bekommen. Letztendes ist der Kaiser nicht einmal zur Eröffnung gekommen (er schickte zur Eröffnung den Thronnachfolger Wilhelm) und die ganzen Kosten des Baus und Organisation der Jahrhundertausstellung musste die Stadt selbst tragen. Aber aus der heutigen Perspektive war das einer der besten und mutigsten Schritte der damaligen Zeit. Das Lob gilt nicht nur dem Architekten Max Berg, sondern auch dem Oberbürgermeister Dr. Georg Bender.

Beide sind mit dem Bauwerk in die Weltgeschichte eingegangen. Die Spannweite der Kuppel (65 Meter), die das Pantheon in Rom übertraf, macht bis heute einen gewaltigen Eindruck. Und vor allem das Baumaterial: Eisenbeton ohne jede Verkleidung und Verschönerung. Die Berechnungen mussten vier Mal nachgeprüft werden. Die Angst vor einem Baufehler war sehr groß. Die Bauarbeiter weigerten sich z.B., die Verschalungen zu entfernen – aus Furcht, dass das Gebäude zusammenbricht. So musste Max Berg auf die Straße gehen, einen zufälligen Passanten mit einer Goldmark überreden, beim Ablösen der ersten Spannschraube mitzuhelfen. Die Jahrhunderthalle steht bis heute und dient den Menschen – sie ist, so wie Max Berg es wollte, ein Kulturtempel und „Kathedrale der Demokratie“.

Text und Fotos: Małgorzata Urlich-Kornacka