Vor 175 Jahren wurde die Oberschlesische Eisenbahn fertiggestellt

Breslau – Myslowitz in (nur) 6,5 Stunden!

Mit der Eröffnung der ersten Eisenbahnlinie in Oberschlesien begann ein neues Kapitel in der Geschichte der Region.

Kattowitz/ Katowice, Hindenburg/ Zabrze, Ruda/ Ruda Śląska, Kandrzin/ Kędzierzyn – die Liste der  Städte, die ohne die Oberschlesische Eisenbahn in der uns bekannten Form wohl nie entstanden wären, ist viel länger. Dank dem neuen Verkehrsmittel wurde der peripher gelegene und von drei Seiten vom fremden Gebiet umgebene Teil Preußens effektiv mit dem Rest des Königreichs verbunden. Stark beschleunigte dadurch die wirtschaftliche Entwicklung, auch die des noch in den Kinderschuhen steckenden Industriereviers im Osten der Region. Seit der zweiten Hälfte der 1840er Jahre war der Transport der oberschlesischen Bodenschätze und Erzeugnisse, der bis dahin vor allem über die Oder und den Klodnitz-Kanal erfolgte, nicht mehr von Wetter und Jahreszeit abhängig.

Bahnlinien in Schlesien und den benachbarten Regionen (dicke Linien: Bahntrassen, dünne Linien: Straßen). Ausschnitt aus der „Bahnkarte von Deutschland und Nachbarländern 1849”. Quelle: Wikimedia-Commons.

Die Idee, eine Eisenbahnlinie zu bauen, die Breslau/Wrocław mit Oberschlesien verbinden würde, gab es schon in den 1830er Jahren. Ihrem Bau gingen allerdings langwierige Diskussionen über die Zweckmäßigkeit dieses Verkehrsmittels, den Trassenverlauf und die Finanzierung voraus. Letzten Endes entstand die Oberschlesische Eisenbahn als Vorhaben einer privaten Gesellschaft, später wurde sie jedoch verstaatlicht. Die 196 km lange Strecke wurde von der schlesischen Metropole Breslau aus in östlicher Richtung gebaut. Sie führte über Ohlau/Oława, Brieg/Brzeg, Oppeln/Opole, Kandrzin/Kędzierzyn, Gleiwitz/Gliwice und Kattowitz/Katowice nach Myslowitz/Mysłowice. Der erste Abschnitt von Breslau nach Ohlau wurde im April 1842 eröffnet, ein Jahr später wurde die Linie bis Oppeln und 1845 bis Gleiwitz verlängert. Die feierliche Inbetriebnahme der gesamten Strecke von Breslau nach dem an der Grenze zu Russisch-Polen und dem österreichischen Galizien gelegenen Myslowitz fand im Oktober 1846 statt. Ehrengast war der preußische König Friedrich Wilhelm IV. Ursprünglich wurde der an der Grenze zu Österreich-Ungarn gelegene Ort Neu Berun als östlichster Punkt der Oberschlesischen Eisenbahn in Betracht gezogen, der Abschnitt Myslowitz – Neu Berun/Nowy Bieruń wurde jedoch erst 1859 und im Rahmen eines anderen Bauvorhabens in Betrieb genommen. Keinen Anschluss an die OSE hatte zunächst Beuthen/Bytom – eine der größten Städte der Region. Die dortige Verwaltung beugte sich dem Druck vonseiten der Transportunternehmen (vor allem der Fuhrleute) und stimmte der Streckenführung über die Stadt nicht zu.

Die Oberschlesische Eisenbahn war eine der ersten Bahnlinien in diesem Teil Europas. Über die Niederschlesisch-Märkische Eisenbahn (eröffnet 1846) hatte sie einen direkten Anschluss nach Berlin und einen indirekten an das westeuropäische Bahnnetz. Nach der Inbetriebnahme der Bahnstrecken in den benachbarten Staaten unterhielt sie auch Verbindungen nach Wien, Krakau und Russisch-Polen. Die in den 1840er Jahren eröffnete Linie bildet auch heute fast auf ihrer gesamten Länge eine wichtige Eisenbahntrasse in Mitteleuropa und stellt einen Teil des Paneuropäischen Verkehrskorridors III dar.

Fahrplan der Oberschlesischen Eisenbahn, 1848/1849. Quelle: Wikimedia-Commons.

Text: Dawid Smolorz