In Schlesien wird an den Reformpädagogen und radikalen Demokraten Karl Friedrich Wilhelm Wander erinnert

Wander hat die Geschichte der Volksschule und ihrer Lehrerschaft im 19. Jh. entscheidend mitgeprägt

In Buchwald (Bukowiec) wird eine Tafel in vier Sprachen über seine Verdienste informieren.

Am 3. Oktober 2020 fand in der schlesischen Gemeinde Bukowiec (früher Buchwald) eine Gedenkfeier für den Reformpädagogen und radikalen Demokraten Karl Friedrich Wilhelm Wander (27. Dezember 1803 – 4. Juni 1879) statt. Wander hat die Geschichte der Volksschule und ihrer Lehrerschaft im 19. Jahrhundert entscheidend mitgeprägt. Über seinen Wirkungskreis im Hirschberger Tal und Schlesien hinaus gehörte er neben dem Pädagogen Adolph Diesterweg zu den bedeutendsten Lehrerpersönlichkeiten, die sich für die Organisation und Emanzipation der Volksschullehrer maßgebend einsetzten. Er war der Verfasser des berühmten „Aufrufs an Deutschlands Lehrer“, der 1848 zur Gründung des „Allgemeinen Deutschen Lehrervereins“, einem Vorläufer der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), führte. Fritz Thiele, der Bundesgeschäftsführer der GEW nannte ihn 1953 „eine der ehrwürdigsten Gestalten der deutschen Lehrerschaft“, einen „der Edelsten, die unser Stand hervorgebracht hat“.

In der Zeit des Vormärz ab 1830 kämpfte Wander für die Emanzipation der Schule von der kirchlichen und obrigkeitsstaatlichen Bevormundung. Nachdem er bereits 1832 einen Lehrerverein im Hirschberger Tal gegründet hatte, versuchte er von 1840 bis 1842 die Lehrerschaft in Schlesien durch die Lehrerfeste zu mobilisieren. Schon 1845 sprach er sich für die Einrichtung von pädagogischen Fakultäten an Universitäten aus, um „Lehrer und Erzieher“ zu bilden.

Er vertrat die Auffassung, dass der Lehrer zum Volk gehört. Aktiv beteiligte er sich an Bürgerversammlungen. 1845 wurde er wegen des Verdachts der Beteiligung an einer kommunistischen Verschwörung – Anlass war der Weberaufstand in Schlesien – verhaftet und vom Dienst suspendiert.

Die Revolution von 1848 wurde von Wander freudig begrüßt. Er nahm an dieser Volksbewegung auf Seiten der Demokraten aktiv teil und wurde zum stellvertretenden Abgeordneten für die preußische Nationalversammlung gewählt.

Nach dem Scheitern der Revolution von 1848 ging die staatliche Obrigkeit mit allen Machtmitteln besonders gegen die Lehrerschaft vor: Hausdurchsuchungen, Verhaftungen, Amtssuspensionen bis zu Berufsverboten folgten; so auch für Wander.

Im „Schwarzen Buch“ 1854, das für die Hand des Polizeibeamten im preußischen Obrigkeitsstaat bestimmt war, heißt es über Wander:

„Wander, Wilhelm, ehemaliger Lehrer zu Fischbach in Preußen, seit 1846 im Verdachte hochverräterischer Gesinnung stehend, vorzüglich mit Schlöffel vertraut, 1848 wüthender Volksmann, Aufwiegler und Verführer zu Aufruhr und Rebellion, 1850 seines Amtes entsetzt, der Revolutions-Emissärschaft dringend verdächtig“. Seine Gegner sprachen verächtlich vom “Rothen Wander” und einem der “frechsten Radikalen”.

Aber er ließ sich nicht beugen. Zunächst floh er in die USA, kam 1851 wieder zurück und führte nun einen regelrechten Kleinkrieg gegen die preußischen Behörden. Dabei unterstützte ihn A. Diesterweg, mit dem er einen regen Briefwechsel pflegte.

Seine ganze Liebe aber galt den Sprichwörtern. In den fünfziger und sechziger Jahren widmete er sich intensiv der Herausgabe des “Deutschen Sprichwörter-Lexikons”, eine wissenschaftliche Leistung, die auf diesem Gebiet bis heute wohl unübertroffen ist. Die Zahl seiner weiteren Veröffentlichungen wird auf etwa 4 000 geschätzt, darunter über 70 Bücher.

Später (1874-79) gab er ein „Volksblatt für Stadt und Land“ heraus. „Volksaufklärung und sittliche Volkshebung und der Kampf gegen Aberglaube, Mystizismus und Pfaffentum“, waren seine Ziele. Ohne Volksbildung gab es für ihn keine Volksbefreiung. „Der Kampf um die Schule ist der wichtigste, was aber leider nirgend vom Volke begriffen wird“, schrieb er noch kurz vor seinem Tod in Quirl am 04. Juni 1879. Wie der „Bote aus dem Riesengebirge“ berichtete, nahmen an der Trauerfeier am 8. Juni auf dem Hirschberger Friedhof ca. 2000 Menschen teil.

Zu seinem 100. Geburtstag am 27. Dezember 1903 fand in Hirschberg eine große Wanderfeier statt. Der Schlesische Provinzial-Lehrer-Verein hatte gemeinsam mit dem Hirschberger Lehrerverein alle Lehrer durch Ankündigungen in der Schlesischen Schulzeitung (H. 51 und H. 52) dazu eingeladen. Nicht nur in der Schlesischen Schulzeitung (1. Ausgabe 1904), sondern deutschlandweit (z.B. Deutsche Lehrerzeitung, Hannoversche Schulzeitung, Pädagogische Reform, Pädagogische Zeitung, Pädagogische Warte) wurde über diese Feier berichtet. Aus ganz Deutschland kamen ca. 200 Gäste zu dieser Feier, die zunächst mit einer Kranzniederlegung an Wanders Grab auf dem Hirschberger Kommunalfriedhof begann. Der West- und Ostpreußische Provinzial-Lehrerverein, die Gesellschaft der Freunde des vaterländischen Schul- und Erziehungswesens Hamburg, der Deutsche Lehrerverein, der Preußische, der Berliner, der Königsberger, der Pommersche und zahlreiche Lehrervereine aus Schlesien nahmen mit Grußworten teil sowie Abordnungen aus den Provinzen Brandenburg, Sachsen und Hannover. Auch der Reichstagsabgeordnete für den Hirschberger Wahlkreis, Dr. Bruno Ablaß von der Deutschen Freisinnigen Volkspartei, sprach auf dem Friedhof. „Er hat gekämpft für die Emanzipation der Volksschule und ihrer Lehrer im Interesse der Volksbildung und Volksfreiheit“, sagte 1903 der Festredner Lehrer Hillger aus Hirschberg.

Vor dem Podium sah man die vom Schlesischen Provinziallehrerverein gestiftete und für Wanders Sterbehaus in Quirl bestimmte Gedächtnistafel aus schwedischem Granit mit folgender Inschrift: “Zum Gedächtnis des Lehrers / K. F. W. Wander / *27.12.1803 ϯ 4.6.1879 / Der Schlesische / Provinzial-Lehrer-Verein / 1903”.

Diese Tafel wurde im Mai 2019 auf dem Friedhof in Bukowiec (Buchwald), Kreis Jelenia Góra (Hirschberg), innerhalb eines Lapidariums, mit deutschen Grabsteinen im Kies liegend von dem Ehrenvorsitzenden des Vereins zur Pflege Schlesischer Kunst und Kultur (VSK), Karsten Riemann, entdeckt.

Die Wander-Tafel im Lapidarium auf dem Friedhof in Buchwald, Foto: Karsten Riemann.

Da Karsten Riemann regelmäßig diesen Ort besucht, kann die Tafel dort noch nicht lange gelegen haben. Vermutlich hat der polnische Eigentümer des Wanderhauses die Tafel nach 1945 entfernt und eingelagert, sodass sie noch in sehr gutem Zustand ist. Jetzt wurde sie – so die Vermutung – von Nachkommen gefunden und ins Lapidarium gelegt, bezugnehmend zu den deutschen Grabsteinen.

Nach Kenntnisnahme beauftragte der Vorstand des VSK seinen Ehrenvorsitzenden, für die Platte einen würdigen Platz zu finden. Da er gute Kontakte zum Bürgermeister der Großgemeinde Zillerthal-Erdmannsdorf/ Mysłakowice, zu der Buchwald gehört, und zur Direktorin der Buchwalder Stiftung hat, haben diese beiden dann die Sache in die Hand genommen und die Zustimmung von der Denkmalpflege und der örtlichen Verwaltung eingeholt.

Die Tafel erhielt im Rahmen einer Feier des VSK am 3. Oktober 2020 nun ihren Platz an einer Mauer im Park von Buchwald, zusätzlich wird demnächst ein QR-Code mit einer viersprachigen Erläuterungstafel über das Leben von K. F. W. Wander angebracht. 

Text: Dr. Diethelm Krause-Hotopp