Im Februar 1945 begannen die Verschleppungen der Oberschlesier in die Sowjetunion

Geschichten von vor  77 Jahren

Seit 2015 gibt es in Radzionkau/Radzionków das Zentrum für Dokumentation der Deportationen der Oberschlesier in die UdSSR.

Diese im Beisein des damaligen polnischen Staatspräsidenten Bronisław Komorowski eröffnete Einrichtung verbindet unter einem Dach gleich zwei Funktionen. Zum einen – wie ihr Name schon ankündigt – beschäftigt sie sich mit der Dokumentation dieses eines der tragischsten Kapitels der regionalen Geschichte. Zum anderen beherbergt sie auch ein modernes Museum.

Das Zentrum sammelt Dokumente und Gegenstände, die mit den Deportationen von 1945 und der Zwangsarbeit der Oberschlesier in der Sowjetunion zusammenhängen. Überdies verfügt es über in verschiedenen Formen festgehaltene Erinnerungen von Überlebenden und Zeitzeugen. Die Einrichtung besitzt eine große Sammlung von Briefen, die die Verschleppten aus der UdSSR an ihre Angehörigen schickten, sowie Tagebüchern und nicht zuletzt auch anderen schriftlichen Materialien, die zwar später entstanden, aber den Alltag der Menschen schildern, die in Stalins Reich Sklavenarbeit leisten mussten.

Ehemaliger Bahnhof Radzionkau. Quelle: www.fotopolska.eu, Piotr Brzezina.

Die multimediale Ausstellung ist nicht allzu groß, aber äußerst durchdacht und nicht nur für Nachkommen der Verschleppten emotional. In interessant gestalteten Räumen zeigt sie ausgewählte originale Unterlagen und Gegenstände und erzählt in Wort und Bild vom Schicksal deportierter Oberschlesier und ihrer Angehörigen. Einen wichtigen Teil bilden Aussagen von Überlebenden und ihren Nachkommen, die als Tonmaterial, Video und in schriftlicher Form präsentiert werden.

Die Einrichtung entstand als Ergebnis der Kooperation von fast 30 oberschlesischen Kommunen.  Die Initialzündung stellte die 2003 vom Regionalen Büro des Instituts für Nationales Gedenken (IPN) konzipierte und im Oberschlesischen Museum Beuthen/Bytom präsentierte Ausstellung über die Verschleppungen in die Sowjetunion dar. Wenige Jahre später signalisierte die Stadt Radzionkau ihre Bereitschaft, einen stillgelegten Bahnhof in eine Museums- und Dokumentationseinrichtung umfunktionieren zu wollen. Zwar steht das Objekt in keinem direkten Zusammenhang mit den Verschleppungen, doch die dramatischen Ereignisse des Jahres 1945 prägten stark das Kollektivgedächtnis der lokalen Gemeinschaft von Radzionkau.

Sitz des Zentrums, im Vordergrund ein Waggon als Symbol der Deportationen. Quelle: wikimedia commons, Zentrum für Dokumentation der Deportationen der Oberschlesier in die UdSSR, Radzionkau.

Kurz nach der Eroberung Oberschlesiens durch die Rote Armee begann eine groß angelegte Deportation der oberschlesischen Bevölkerung in die Sowjetunion. Die Verschleppung deutscher Zivilbevölkerung als „lebender Kriegsreparation“ in die UdSSR wurde im Rahmen der Konferenz von Jalta zum Teil nachträglich von den Westalliierten akzeptiert. In Oberschlesien umfassten die Deportationen sowohl frühere deutsche als auch polnische Bürger und zwar unabhängig von ihrer tatsächlichen Volkszugehörigkeit. Im Sowjetimperium mussten sie meistens unter unmenschlichen Bedingungen in Bergwerken, Steinbrüchen oder beim Holzfällen arbeiten. Außer in den europäischen Republiken wurden die Verschleppten auch im Kaukasus, in Uralregionen und in Sibirien eingesetzt. Die äußerst hohe Sterberate war auf Krankheiten, Kälte, Unterernährung aber auch auf die Brutalität der Wächter zurückzuführen. Die genaue Zahl der Verschleppten bleibt bis heute unbekannt. Das Zentrum für Dokumentation der Deportationen geht von mindestens 40.000  Menschen aus Oberschlesien aus. Schätzungsweise kehrte nur jeder fünfte heim. Bis 1945 war dieses Thema ein Tabu.

Logo des Zentrums. Quelle: wikimedia commons, Gliwi.

Text: Dawid Smolorz

Webpräsenz des Zentrums für Dokumentation: www.deportacje45.pl

Eine kurze filmische Führung durch das Radzionkauer Museum in polnischer Sprache ist unter folgenden Links zu finden:

Teil 1: 

Teil 2: 

Teil 3: