Bielitz (Bielsko) – Mittelpunkt des protestantischen Lebens im Teschener Land

Teschener Land gilt als Hochburg der Lutheraner in Oberschlesien

Über die konfessionelle Landschaft in dem seit einem Jahrhundert durch die polnisch-tschechische Grenze geteilten Teschener Schlesien.

Zwei Gebiete in Oberschlesien galten traditionell als Hochburg der Lutheraner: die Gegend um Kreuzburg (Kluczbork) und das Teschener Land. Das erstere Gebiet verlor infolge der Grenzverschiebung und Vertreibung von 1945 und der späteren Abwanderung der einheimischen Bevölkerung in die Bundesrepublik weitgehend seinen protestantischen Charakter. Anders gestaltet sich die Situation in dem seit einem Jahrhundert durch die polnisch-tschechische Staatsgrenze geteilten Teschener Schlesien, wo die Evangelischen bis heute in der konfessionellen Landschaft nicht zu übersehen sind.

Erlöserkirche mit Luther-Platz. Quelle: Marek Kocjan, Wikimedia Commons.

Bielitzer Zion

Zu den wichtigsten Zentren des Lutherischen Glaubens in diesem Teil der Region gehörte seit der Reformation die Stadt Bielitz (heute Bielsko). Doch wie überall im Habsburger Reich wurden auch dort die Protestanten mehr als ein Jahrhundert lang in verschiedener Form schikaniert. Erst das 1781 durch Kaiser Joseph II. erlassene Toleranzpaket ermöglichte ihnen eine freie Ausübung ihrer Religion sowie die Errichtung eigener Kirchen und Schulen.

Verwaltungshochschule im ehemaligen evangelischen Priesterseminar. Quelle: Gaj777, Wikimedia Commons.

Bereits ein Jahr nach der Einführung der neuen Regelung wurde in der Bielitzer Obervorstadt mit dem Bau eines evangelischen Gotteshauses begonnen. Innerhalb von wenigen Jahrzehnten entwickelte sich diese Gegend zu einem protestantischen Viertel, in dem mehrere für diese Gemeinschaft wichtige Objekte und Einrichtungen entstanden. Hierzu zählten neben der Erlöserkirche vor allem das evangelische Priesterseminar, vier konfessionelle Schulen und ein Friedhof.

Der Pastorenbrunnen heute. Quelle: Silar, Wikimedia Commons.

Der Pastorenbrunnen

Das jüngste Element des Bielitzer Zions ist der 1934 aus einer älteren Grabplatte errichtete Pastorenbrunnen. Seine Funktion war dabei nicht nur wörtlich zu verstehen. Denn er sollte das Wasser des Lebens symbolisierten, also Wort Gottes, aus dem die Bielitzer Geistlichen geschöpft haben. An den vier Seiten wurden Namen verdienter Pastoren aus der Stadt eingemeißelt. Nach 1945 wurden die Inschriften im Rahmen der „Entdeutschung“ unkenntlich gemacht und das verstümmelte Objekt in eine Grünanlage integriert. Erst seit 2016 bildet der auf Initiative des Altbischofs Jan Szarek erneuerte Pastorenbrunnen wieder ein sichtbares Element des Bielitzer Zions.

Alter evangelischer Friedhof innerhalb des Bielitzer Zions. Quelle: Kamil Czaiński, Wikimedia Commons.

Das einzige Luther-Denkmal in Polen

Obwohl nach 1945 nicht alle Objekte des Viertels ihre ursprünglichen Funktionen behielten, stellt dieser Teil der Stadt nach wie vor einen der Mittelpunkte des evangelischen Lebens im Teschener Schlesien. Dort befinden sich u. a. der Sitz des protestantischen Bischofs der Diözese Teschen (Cieszyn) und der evangelische Verlag „Augustana“. Hervorzuheben sei zudem, dass an dem innerhalb des Bielitzer Zions gelegenen Plac Marcina Lutra das einzige Luther-Denkmal Polens steht.

Das Lutherdenkmal vor der Erlöserkirche in Bielitz. Quelle: Silar, Wikimedia Commons.

Die 1951 durch einen Zusammenschluss des schlesischen Bielitz und des kleinpolnischen Biala (Biała) entstandene Doppelstadt Bielitz-Biala hat heute ca. 170.000 Einwohner. Nur knapp zwei Prozent von ihnen sind protestantisch. Anders sieht jedoch die Situation in einigen kleineren Städten des Teschener Landes und auf dem Land aus, wo es nach wie vor Ortschaften mit einem hohen Anteil (teilweise über 50%) der Lutheraner gibt. Von den insgesamt ca. 60.000 polnischen Protestanten leben etwa 70% in der Diözese Teschen.

Text: Dawid Smolorz