Neue Stolpersteine in Wrocław (Breslau)

Im Oktober werden vor dem Sitz der Stiftung OP ENHEIM auf dem Salzmarkt vier neue Stolpersteine enthüllt

Auf diese Weise soll die Familie Herz gewürdigt werden, die im Erdgeschoss des Hauses ein bekanntes Schuhgeschäft besaß.

Im Oktober 2023 werden vor dem Sitz der Stiftung OP ENHEIM in Wrocław (Breslau) vier neue Stolpersteine enthüllt. Auf diese Weise soll an die Familie Herz erinnert werden, die im Erdgeschoss des Bürgerhauses Oppenheim auf dem Salzmarkt 4 (heute Plac Solny 4) ein bekanntes Schuhgeschäft (Schuhversandhaus) besaß.

Die Stolpersteine werden auf Polnisch „kamienie pamięci“, also „die Steine der Erinnerung“ genannt. Wegen der sprachlichen Verschiedenheit war die genaue Übersetzung nicht möglich. Im polnischen Namen kommt aber dennoch zum Ausdruck, was man am wichtigsten bei diesem Projekt findet: die Erinnerung an die Menschen, die wegen ihrer Herkunft, Hauptfarbe oder Sexualität verfolgt oder ermordet wurden. Dem Künstler Gunter Demnig, der dieses Projekt 1992 ins Leben gerufen hat, ging es darum, an die Opfer nicht als anonyme Masse, sondern an einzelne Menschen als Individuen mit Vor- und Nachnamen zu erinnern. So erlaubt das Vorhaben, die Erinnerung an ganz normale Menschen zu behalten. Die Stolpersteine sollen verursachen, dass man „emotionell stolpert“, dass man überlegt, wer der Mensch war, der hier lebte und warum er verschwunden ist. Über 100.000 Stolpersteine gibt es bereits in der ganzen Welt.

Die kleinen Gedenktafeln sind in vielen europäischen Ländern vertreten und gelten als das größte dezentrale Mahnmal der Welt. Seit einigen Jahren kann man sie auch in Polen finden, z. B. in Zamość, Oświęcim, Mińsk Mazowiecki, Biała Podlaska, Łomża. Vor kurzem (Juli 2023) wurden drei ersten in Warschau enthüllt. Wrocław war die erste Stadt in Polen, wo das Projekt umgesetzt wurde. Der erste Stein wurde 2008 für Edith Stein verlegt. Zur Zeit sind es 20, aber immer wieder kommen neue dazu. Nicht in allen Städten wurden sie zugelassen. In Krakau beispielsweise findet man die Idee kontrovers – solche Art und Weise des Gedenkens gilt hier als unwürdig, man würde die Opfer niedertrampeln.

Die Stolpersteine sind kleine Betonwürfel 10 x 10 cm, die oben eine Schicht aus Messing haben. Auf dieser Schicht wird der Vor- und Nachname, Geburts- und manchmal Todesdatum des Opfers eingraviert und die Information, was mit der Person passiert ist: wo sie ermordet wurde oder wohin sie fliehen musste. Die Stolpersteine werden meistens vor dem letzten (freiwilligen) Wohnort des Opfers platziert, denn es geht darum, die Personen in dem öffentlichen Raum zu würdigen, wo sie gelebt haben. Die Informationen über die Opfer sind in der jeweiligen Landessprache angegeben – also auch im Fall von den deutschen Juden, die in dem Vorkriegsbreslau gelebt haben, sind sie jetzt auf Polnisch zu lesen.

Im Rahmen des Breslauer SIMCHA-Festivals (Festival der Jüdischen Kultur) wurde ein Spaziergang auf den Spuren der Stolpersteine organisiert. Die Idee des Projekts wurde von Karolina Jara von der Stiftung OP ENHEIM erklärt.

Die Initiative für die Verlegung von (neuen) Stolpersteinen kommt von den Familien, Freunden, Vereinen, historischen Organisationen. Die Kosten für die Herstellung eines Stolpersteins sind nicht hoch (ca. 140 Euro). Viel teurer ist aber später das architektonische Projekt und die Vermietung einer Firma, die die Arbeiten vor Ort durchführt. Der Künstler Gunter Demnig ist nicht immer imstande, persönlich zu kommen.

In Wrocław findet man aktuell folgende Stolpersteine:

  • Für Edith Stein in der Nowowiejska Straße 38 (Michaelisstraße, vor dem Sitz des Edith-Stein-Hauses). Die Erinnerung an die anderen Mitglieder der Familie wird im Museum lebendig gehalten. Im Jahr 2019 wurde im Flur des Edith-Stein-Hauses eine Vitrine aufgestellt, in der symbolisch Steine für Rosa, Elfriede, Eva sowie Ediths Bruder Paul, der in der ehemaligen Yorkstraße (heute Jemiołowa) wohnte, und seine Frau Gertrude, die 1942 in Theresienstadt ermordet wurden, aufgestellt wurden. Die Steine wurden vom Institut Yad Vashem in Jerusalem gebracht, auf dessen Gelände sich das Tal der getöteten Gemeinden befindet. Dort wird an jüdische Gemeinden aus verschiedenen Orten, darunter auch aus Wrocław, gedacht.
  • Für die Familie Zorek in der Jedności Narodowej Straße 95 (vier Stolpersteine), wo Alfred, Frieda, Erna und Werner Zorek vor dem Zweiten Krieg wohnten. Von der gesamten Familie überlebte nur Werner Zorek den Krieg. Die anderen starben 1943 in Auschwitz-Birkenau.
  • Für die Familie Treitel (Mutter und Tochter) in der Świdnicka Straße 38 (zwei Stolpersteine). Anita Treitel, zur Zwangsarbeit geschickt, beging 1941 Selbstmord. Rose Bernstein Treitel wurde in das Ghetto nach Izbica deportiert und 1942 ermordet.
  • An der Ecke der Zielińskiego und Swobodna Straße (6 Stolpersteine): Zwei der Stolpersteine sind dem Gedenken an Alfred Dressel und seine Frau Kaete gewidmet – Ehepartner, die in Auschwitz-Birkenau den Tod fanden. Weitere vier Stolpersteine erinnern an Magdalena und Maks Brandt und ihre Tochter Helena Ilsa Dattel, die 1943 in Auschwitz-Birkenau ums Leben kamen, sowie an David Henoch, der nach Dachau, dann nach Buchenwald und Kaunas deportiert wurde und von dort nicht mehr zurückkehrte.
  • In der Romualda Traugutta Straße 19/21, am Gebäude der Eugeniusz-Geppert-Akademie für die Schönen Künste (drei Stolpersteine). Hier stand einst ein Mietshaus, in dem die Familien Zernik und Hamburger lebte. Die Stolpersteine sind dem Gedenken an Hedwig, Fedor und Kurt Zernik gewidmet, die 1943 in Auschwitz-Birkenau ihr Leben verloren.
  • In der Piłsudskiego-Str. 38 (vier Stolpersteine) für die Familie Zucker: Alfred, Käthe Brieger Zucker, Paul Zucker, Heinz und Eva. Ihr Schicksal ist teilweise unbekannt.
Im OP ENHEIM wurden die noch nicht eingemauerten Stolperstein präsentiert und das Projekt zur Herz-Familie vorgestellt.

Bald werden die vier neuen Stolpersteine für die Familie Herz vor dem Eingang ins Haus OP ENHEIM eingemauert. Walter, Hilde und Steffi Herz sind nach Chile ausgewandert und haben überlebt. Die älteste, Olga Herz, hat kein Visum bekommen, wurde deportiert und ermordet.

Text & Bilder (wenn nicht anders angegeben): Małgorzata Urlich-Kornacka