Johannes Maximilian Avenarius und sein Geist in der Villa Wiesenstein

Gerhart Hauptmann ließ sich die Eingangshalle in seinem Haus am Fuße des Riesengebirges von Avenarius ausmalen

Avenarius‘ Erinnerungen an die Arbeit an der Paradieshalle wurden zur Vorlage für ein Theaterstück, das jetzt dort gespielt wird.

„Aber wie wäre es denn… wenn Sie… mir… hier… so“ und dabei drehte er sich um sich selbst und wies wieder mit den Armen nach allen Richtungen, „die ganze Halle… meine ich… ausmalen würden?“

Er hat mir später erzählt, daß ich daraufhin kreideweiß geworden sei, und daß er mich hätte am Arme packen müssen, um mich zu stützen.

Dann aber riß mich die Freude hoch! Und nun ging es los bei Hauptmann und mir, die Fantasie ging mit uns durch… Wünsche und Gedanken überstürzten sich. „Jaaa… seliges Land… Wissen Sie… unendlich!“ so schwärmten er und ich durcheinander. „Über die ganze große Wand hier … alles voller Engel, Fabeltiere, Schmetterlinge… herrlichste Vögel…, Blumen… Musik ohne Ende! Die Himmelsleiter und oben der Herrgott! „Und Adam und Eva essen vom Baume des Lebens!… Das Hannele fährt mit kindlichem Gefolge hin… über die selige Stadt ins Himmelreich!” riefen wir. ,,Und es muß überall voll sein von seligem Getümmel!”

So beschrieb Johannes Maximilian Avenarius in seinen Erinnerungen das Treffen mit Gerhart Hauptmann, als dieser dem Maler zu helfen vermochte und ihm den Auftrag zur Ausmalung der Empfangshalle in der Villa Wiesenstein in Agnetendorf (heute Jagniątków, Teil von Jelenia Góra/ Hirschberg) gab.

Wiesenstein – Paradieshalle, Johannes Maximilian Avenarius vor Malerei ©SMG.

In der ersten Hälfte des Jahres 1921 befand sich Johannes Maximilian Avenarius (1887-1954), der von den Freunden Johma (Abkürzung von den Initialen J(oh).M.A.) genannt wurde, in einer schwierigen finanziellen Lage. Es war die Zeit einer großen Inflationsnot. In dieser Situation hat er sich entschieden, den Freund Gerhart Hauptmann um Rat zu bitten. Der Nobelpreisträger, der bald (im November 1922) seinen 60. Geburtstag feiern sollte, fand einen Ausweg: Avenarius sollte die ganze Empfangshalle in seinem Haus ausmalen. Und die Arbeit hat wiederum der andere Freund – der Neustädter Fabrikant und Kunstmäzen Max Pinkus bezahlt. Das war sein besonderes Geschenk zum Hauptmanns Geburtstag.

Haus Wiesenstein – Paradieshalle, Johannes Maximilian Avenarius und Ernst Paul Weise als Helfer und Farbbeobachter auf Arbeitsgerüst ©SMG.

Die Arbeiten wurden am 1. März 1922 begonnen und dauerten fast ununterbrochen bis zum 25. September 1922. Avenarius arbeitete mit seinem Assistenten Ernst Paul Wiese. So erinnert sich Avenarius an diese Zeiten:

Wir arbeiteten wie die „Alten“: während ich auf schwankendem Brette an der Wand malte, saß mein Helfer weit entfernt hinter mir und beobachtete die Wirkung des in die Wand eingesetzten Farbtupfes. Die Farbe mußte naß an den noch nassen vorherigen Pinselstrich gesetzt werden. Korrekturen waren nach dem Eintrocknen kaum möglich. „Blauer!“ so rief Weise zum Beispiel, „noch blauer! Und heller! Noch mehr Weiß – immer noch mehr! So, jetzt wird’s gut!“ Die Skizze stand so, daß er und ich sie zugleich sehen konnten. Viele Teile des Ganzen entstanden überhaupt erst aus dem Pinsel, getreu der Losung, die mir Hauptmann gab: „Fabulieren Sie nur darauf los!“ (…) Wir arbeiteten von Tagesbeginn bis in die sinkende Nacht, Pausen wurden kaum gemacht. Wir gönnten uns keine Ruhe. Weise war durch seine Tätigkeit des „Farb-Beobachtens“ oftmals völlig erschöpft, weit mehr denn ich, der erfinden und gestalten konnte. Die Zeit verging wie im Fluge!

„Ich freue mich unendlich und wünsche mir nur, daß ich noch viele Jahre zu leben hätte, um alles zu entdecken und zu genießen, was Sie mir hier gemalt haben!“ – sagte Gerhart Hauptmann, als er das Werk von Avenarius sah. Foto. Małgorzata Urlich-Kornacka.

Dieses „im Fluge“ hat zusammen mit der Vorbereitungszeit acht Monate gedauert. Die Fülle der Motive entzückt bis heute. Es sind Szenen aus Hauptmanns Werk (z. B. die Ankunft des Kindes im Himmel als „Hanneles Himmelfahrt“), biographische Elemente (auf der Geige spielende Engel, die an die Hausherrin, Gegenspielerin Margarete Hauptmann, geb. Marschalk, anknüpfen oder Benvenuto, Hauptmanns Knabenkopf), biblische Motive (z. B. „das entsühnte Menschenpaar“, das im Paradiese Hauptmanns unbekümmert vom Baum des Lebens isst) und ornamentaler Schmuck. Es konnten auch regionale Akzente nicht fehlen, z. B. das von den Schlesiern erträumte Himmelreich: „Hier auf die Stützbögen des Umgangs kommt alles, von dem ein Schlesier erwartet, daß es unbedingt im Himmel vorhanden sein muß: Hühner und Gänse, Ziegen und Kühe, Jahrmarkt und Schützenfest… ganze Schüsseln voll Klöße, Tabakpfeife und Christbaum… alles nebeneinander und durcheinander, so wie sich das gehört für die himmlische Freude!“

Im Jahre 2018 wurde durch das Städtische Museum „Gerhart-Hauptmann-Haus“ in Jagniątków (Agnetendorf) ein Theaterstück (Monodrama) mit dem Titel „Die Insel, also die Paradieshalle nach Avenarius“ vorbereitet. Der Hauptdarsteller – der Schauspieler des C. K. Norwid Theaters in Jelenia Góra (Hirschberg) Jacek Paruszyński, der auch für die Bearbeitung des Textes verantwortlich war, hat sich in die Rolle von Avenarius versetzt, der nach Jahren in die Halle reingeht, alles noch einmal sieht und sich an seine Arbeit aus dem Jahr 1922 erinnert. Das Stück beruht auf Erinnerungen von Avenarius „Die Malereien in der Paradieshalle auf Wiesenstein“, die 2018 deutsch-polnisch veröffentlicht wurden, und dem Buch des damaligen Direktors des Museums Janusz Skowroński „Zapomniane tajemnice Karkonoszy“ („Vergessene Geheimnisse des Riesengebirges“). Das Stück wird noch heute zu besonderen Anlässen gespielt.

Die Uraufführung des Monodramas „Wyspa czyli Hala Rajska według Avenariusa“ fand am 26. Oktober 2018 in der Paradieshalle statt. Es wird immer noch gespielt. Foto. Małgorzata Urlich-Kornacka.

Text: Małgorzata Urlich-Kornacka