Breslauer Jesuitenkonvikt erstrahlt im neuen Glanz

Das Barockgebäude des ehemaligen Jesuitenkonvikts auf dem Universitätsplatz ist wieder ein architektonisches Juwel 

Zu den berühmtesten Schülern des Konvikts gehört zweifelsohne Joseph Freiherr von Eichendorff.

Das Barockgebäude des ehemaligen Jesuitenkonvikts an der Kuźnicza-Straße 35 (früher Schmiedebrücke), das heutzutage der Breslauer Universität gehört, wurde gründlich saniert. Nach fünf Jahren Renovierung ist es wieder ein architektonisches Juwel der Stadt. Besonders malerisch ist der innere Hof mit charakteristischen großen Fenstern. Im Hof steht die Statue der Heiligen Lucia.

Mit dem Bau des von J. Frisch und J. B. Peintner entworfenen Gebäudes wurde 1734 begonnen. Das Gebäude diente zunächst als ein Konvikt (St.-Joseph-Konvikt), also ein Internat für etwa 50-60 arme Schüler und Erzieher des St.-Matthias-Gymnasiums. Im Erdgeschoss befanden sich die St.-Joseph-Kapelle, Wirtschaftsräume und das Refektorium – ein Ort für Mahlzeiten, Diskussionen oder Wiederholung des Unterrichts. Im ersten Stock gab es unter anderem eine Bibliothek, ein Übungsraum für das Fechten und Wohnräume. Die Wohnräume gab es auch im zweiten Stock.

Die Joseph-Eichendorff-Tafel an der Fassade des Gebäudes.

Zu den berühmtesten Schülern des Konvikts gehörten zweifelsohne die Brüder von Eichendorff, die von 1801 bis 1805 das St.-Matthias-Gymnasium besuchten. Die Entscheidung, die Freiherren zur Schule nach Breslau zu schicken, wurde von der Mutter getroffen, die sich um das Schicksal ihrer Söhne sorgte, da die Familie Eichendorff große finanzielle Schwierigkeiten hatte. Bereits 1801 floh der Vater vor seinen Gläubigern und kehrte erst nach acht Monaten nach Lubowitz (heute Łubowice) zurück. Im Breslauer Gymnasium konnten sich Eichendorffs musikalisch und theatralisch entwickeln: Wilhelm interessierte sich für Musik, Joseph fürs Theater. In dem ungeheizten Zimmer des Josephskonvikts las Joseph Eichendorff Klassiker, führte ein Tagebuch und schrieb die ersten Gedichte. Als das erste gedruckte Gedicht gilt das Gedicht “Am frühen Grabe unseres Bruders Gustav”, das die beiden Brüder nach dem Tod ihres kleinen sechsjährigen Bruders Gustav schrieben. Das von einem Lehrer überarbeitete Gedicht erschien am 30. Mai 1803 in den “Schlesischen Provinzialblättern”.

Der Fechterjunge und das Steffens-Haus.

Während des Siebenjährigen Krieges wurde das Gebäude als Gefängnis und Lazarett genutzt. Im Jahr 1765 wurde ein Teil der Räumlichkeiten als Zweigstelle der Königlich Preußischen Bank zu Berlin eingerichtet. Nach dem Säkularisationsprozess wurde das Gebäude der neu gegründeten Friedrich-Wilhelm-Universität übergeben. In die Räume des ehemaligen Konvikts zogen die Arbeiter der Alma Mater ein. Unter ihnen war der Philosoph, Physiker und Anthropologe Henrik Steffens, der 1811 wegen der napoleonischen Truppen aus Halle nach Breslau kam. Hier, in dem Gebäude appellierte er an die Studenten, dass sie sich anmelden und gegen Napoleon kämpfen. Ihm zu Ehren wurde das Gebäude später als Steffens-Haus bekannt.

Die Edith-Stein-Tafel vor der Renovierung des Gebäudes.

Später beherbergte das Gebäude die Vorlesungs- und Lehrräume der naturwissenschaftlichen Fakultäten der Universität, darunter auch die Anthropologie, Philosophie und Psychologie. Eine der Studentinnen war Edith Stein, die vier Semester lang an der Breslauer Universität Germanistik, Geschichte, Psychologie und Philosophie studierte. Sie besuchte u.a. Vorlesungen von Professor William Stern, dem Schöpfer des IQ-Begriffs und der IQ-Skala und von Richard Hönigswald. In dem Breslauer „Konviktgebäude“ nahm sie an den philosophischen Vorlesungen und Treffen der sog. „Pädagogischen Gruppe“ teil. Aus der Initiative der Edith-Stein-Gesellschaft wurde eine Tafel an die Fassade gebracht, die in drei Sprachen (auf Polnisch, Deutsch und Hebräisch) darüber informiert, dass hier in den Jahren 1911-1913 Edith Stein studierte.

Die Fassade des ehemaligen Jesuitenkonvikts nach der Renovierung.

Nach dem Krieg wurde das zerstörte Gebäude 1953 gründlich renoviert. Danach ging es von der Breslauer Wissenschaftlichen Gesellschaft an die Polnische Akademie der Wissenschaften über. Die letzte kostspielige Sanierung (15 Mio. Zloty) begann 2018 mit der Reparatur des Daches. Ein Jahr später wurde die Decke des Dachbodens isoliert und die Kellerwände wurden gegen Feuchtigkeit geschützt. Die letzte Phase der Sanierung, die vor kurzem beendet wurde, umfasste die Restaurierung der Fassade (die gesamte Fläche der Fassade wurde handgestanzt, die Farbe ähnelt der Vorkriegsfarbe), Umbau der Innenräume, Sanierung des Innenhofes, Austausch von Fenstern, Installationen und Einbau eines Aufzugs. Das Gebäude gehört jetzt wieder der Universität Wrocław und dient den Verwaltungszwecken. Unter der Woche sind die Türen immer offen, so dass jeder reinschauen kann.

Text und Bilder: Małgorzata Urlich-Kornacka