Nach zwei Jahren Renovierung wurden erste Arbeitsergebnisse an der ehemaligen Taschenbastion (früher auch Liebichshöhe genannt) präsentiert
Bald ist die Stadt Wrocław um eine touristische Attraktion reicher.
Am 23. März 2024 wurde an der ehemaligen Taschenbastion zum ersten Mal „der Tag der offenen Tür“ organisiert. Es wurde auch eine Zeitkapsel eingemauert. Untergebracht darin wurden unter anderem Dokumente sowie Andenken aus dem Jahr 2024 wie die Fahne der Stadt, ein Stadtplan mit eingezeichneten Investitionen des Jahres 2024, Projektdokumentation, Fotos von der Baustelle und speziell für diesen Anlass geprägte Münzen.
Das Interesse an der Veranstaltung war so groß, dass es schon um 12 Uhr keine Freikarten mehr gab. Kein Wunder – viele Breslauer hatten mit diesem Ort schöne Erinnerungen. Hier verbrachte man früher gern Wochenenden mit der Familie, hier fanden tolle Tanzabende statt. Dann musste man Jahre lang hinschauen, wie der Platz verfiel und in die Vergessenheit geriet. Jetzt endlich bekommt er seinen Glanz wieder.
Die Besichtigung der Taschenbastion musste in kleinen 20-Personen-Gruppen und in den Helmen organisiert werden, denn es ist immer noch eine Baustelle. Die Renovierung verlängert sich etwas, weil man bei den Arbeiten auf einige Überraschungen stoß. Man fand z. B. bisher unbekannte Räume unter der Kolonnade, die Fragmente eines weiteren Brunnens (sein Becken wurde ebenerdig gefunden) und die Spuren eines Schießstandes, die aus dem 16. Jahrhundert stammen.
Die meisten Arbeiten wurden jedoch schon ausgeführt: der große Brunnen in den Gang gesetzt, Laternen rekonstruiert und die originalen Farben zurückgebracht. Bis Ende April sollen die Arbeiten abgeschlossen werden und ab Mai werden die Breslauer und Touristen die Möglichkeit haben, hier die Freizeit zu verbringen. Bald kommt ein Café und Restaurant dazu. Die erste Etappe der Renovierung kostete 30 Millionen Zloty (18 Mio. davon kommen aus dem Programm der polnischen Regierung „Polski Ład”).
Historischer Hintergrund
Die ursprüngliche Taschenbastion (so wird der Ort auch jetzt wieder auf Polnisch heißen: Bastion Sakwowy) war ein Teil der Verteidigungsanlage, die im 16. Jahrhundert gebaut wurde. Sie verteidigte die Stadt bis zum Jahre 1807, als Jérôme-Napoléon Bonaparte – der jüngste Bruder des Kaisers Napoleon I. – die Stadt erobert hat. Danach wurden alle Befestigungswerke geschliffen. Aus der Perspektive der Zeit stellte sich heraus, dass das eine sehr gute Entscheidung für die weitere Entwicklung der Stadt war. Nach langen Gesprächen und Streitigkeiten setzte sich Johann Friedrich Knorr mit seinem Projekt durch: an der Stelle der Befestigungsanlagen wurde die grüne Stadtpromenade angelegt. Von der ehemaligen Taschenbastion blieb nur ein Hügel mit einigen alten Kasematten – es war zu aufwendig, sie zu zerstören.
Liebichshöhe – ein Denkmal der brüderlichen Liebe
Eine neue Etappe in der Geschichte des Ortes begann in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, als der Zuckerfabrikbesitzer in Klettendorf – Adolf Liebich – seinen älteren, 1857 verstorbenen Bruder Gustav verewigen wollte. Er beauftragte 1866 den Baumeister Carl Schmidt mit der Errichtung eines Erholungsortes mit einem Kolonnadenhof, einem Springbrunnen und einem Belvedere. Liebich bezahlte für den Bau der Anlage 71 Tausend Taler (das Stadtbudget betrug damals ca. 30 Tausend Taler) und verzichtete auf Einnahmen aus der Vermietung von Räumlichkeiten. Dafür wurde er mit dem Titel des Ehrenbürgers der Stadt ausgezeichnet und die Höhe bekam den Namen Liebichshöhe. Diesen Namen trug der Ort bis 1945. Ein besonders schönes Element der damaligen Liebichshöhe war der 32-hohe Aussichtsturm mit der Victoria-Figur an der Spitze. Leider wurde der Turm während des Zweiten Weltkrieges weggesprengt. Die unterirdischen Kasematten dienten nämlich als der erste Gefechtsstand des Festungskommandanten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Ort wieder genutzt, aber in den 1960er Jahren kam es während eines Studentenfestes zu einer Baukatastrophe: eine Person kam ums Leben, 20 wurden schwer verletzt. Die Höhe wurde renoviert, aber nur provisorisch – es fehlte an Geld. Im Jahre 1990 wurde sie durch eine Firma gemietet, die nichts gemacht hat. Der lange Prozess hat 2017 dazu geführt, dass die Stadt den Ort zurückbekam. Nun konnte die gründliche Sanierung starten. Schon jetzt sieht man, dass der Ort seine ursprüngliche Seele zurückbekommt.
Text und Bilder: Małgorzata Urlich-Kornacka