Der Gottesdienst, der am 12. November 1989 in Krzyżowa stattfand, gilt als Symbol des Neuanfangs in den deutsch-polnischen Beziehungen
35 Jahre danach wird nicht nur erinnert.
Die große Bedeutung des Gottesdienstes vom 12. November 1989 in Krzyżowa (Kreisau) läßt sich schon an dem Wort „Versöhnungsmesse” ablesen. Unter dieser Bezeichnung ging das Ereignis in die Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen ein.
An dem vom Erzbischof Alfons Nossol zelebrierten Gottesdienst nahmen Tadeusz Mazowiecki, der erste Ministerpräsident des freien Polen, und Helmut Kohl, Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, teil. Dies war Teil eines längeren Staatsbesuchs des Bundeskanzlers in Polen, der im Allgemeinen wegweisend war und fand zu einem außergewöhnlichen Zeitpunkt statt. Während des Aufenthalts wurde die Frage der endgültigen Anerkennung der Grenze an der Oder und Lausitzer Neiße durch Deutschland oder die Situation der deutschen Minderheit erörtert. Zur gleichen Zeit fiel die Berliner Mauer.
Das Ereignis in Krzyżowa spielte jedoch eine besondere Rolle. Vor allem ein Moment, der auf Fotos festgehalten wurde, ist in die Geschichte eingegangen – als der Ministerpräsident und der Bundeskanzler einander das Friedenszeichen gaben und sich in einer Geste umarmten, die zum Symbol der deutsch-polnischen Versöhnung geworden ist. Er hatte eine ähnliche Bedeutung für die deutsch-französischen Beziehungen wie der Händedruck, den Kohl und der französische Präsident Francois Mitterrand 1984 am Ort der Schlacht von Verdun austauschten.
Europäische Einigung in Sicht
Warum wurde die Versöhnungsmesse in Kreisau abgehalten? Die deutsche Seite schlug ursprünglich vor, die Veranstaltung auf dem St. Annaberg (Góra św. Anny) in Oberschlesien, heute Wojewodschaft Oppeln, zu organisieren, wo während der Schlesischen Aufstände 1919-21 heftige Kämpfe stattfanden und der daher ein Symbol für den polnisch-deutschen Konflikt ist. Vielleicht etwas ähnlich wie Verdun in der deutsch-französischen Geschichte.
Die polnische Seite wählte jedoch Kreisau in Niederschlesien, das ehemalige Gut der Familie von Moltke. Dort trafen sich während des Zweiten Weltkriegs Mitglieder des Kreisauer Kreises, einer Gruppe, die nicht nur gegen das Naziregime war, sondern auch Polen und den anderen deutschen Nachbarn freundlich gesinnt war und ein Programm der europäischen Integration vertrat.
Heute hat die Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung, die unter anderem eine der größten internationalen Jugendbegegnungsstätten Europas betreibt, ihren Sitz in Krzyżowa.
Was im Jubiläumsprogramm steht
Anlässlich des 35. Jahrestages der Versöhnungsmesse sind in Krzyżowa mehrere Veranstaltungen geplant. Am 15. und 17. November treffen sich dort Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu einer Konferenz. Sie werden unter anderem darüber diskutieren, wie die Geschichte der polnisch-deutschen Beziehungen und der Kontext der Ereignisse von 1989 den jüngeren Generationen, für die diese Vergangenheit zunehmend in Vergessenheit gerät, näher gebracht werden kann.
In der Zwischenzeit findet am Samstag, den 16. November um 12 Uhr ein ökumenischer Gottesdienst statt. Er wird von den Bischöfen der katholischen und der evangelischen Kirche aus Polen und Deutschland zelebriert. An der Veranstaltung werden Vertreter der polnischen und der deutschen Regierung teilnehmen.
Mehr Informationen unter 35. Jahrestag der Versöhnungsmesse in Kreisau.
Text: Sławomir Szymański
Lese-Tipp: Ausstellung in Haus Schlesien “AUFBRUCH – UMBRUCH – DURCHBRUCH. Schlesien Rückkehr in die Mitte Europas”: 35 Jahre nach der Versöhnungsmesse in Kreisau (Krzyżowa) – Silesia News
Mut und Versöhnung, Fragment der Ausstellung auf dem Gelände der Stiftung Kreisau, Foto. Sławomir Szymański