Der neue Film von Ronald Urbanczyk zeigt das moderne, dynamische und kulturell vielfältige Schlesien
Die ersten öffentlichen Filmvorführungen finden im Dezember 2024 in Görlitz und in Ratingen statt.
Der neue Film „Nova Silesia” von Ronald Urbanczyk zeigt den modernen, dynamischen Charakter von Nieder- und Oberschlesien, die sich durch eine rasante wirtschaftliche Entwicklung, kulturelle Vielfalt und Innovation auszeichnen. Urbanczyk gelingt es, die beiden Regionen nicht nur als industrielle Zentren, sondern auch als kulturell und historisch reiche Landschaften zu porträtieren. Mit eindrucksvollen Bildern und einer kraftvollen Erzählweise fängt er den Geist einer Region ein, die auf der Schwelle zwischen Tradition und Fortschritt steht. Dabei wird auch die enge Verknüpfung von Vergangenheit und Gegenwart deutlich, die das Selbstverständnis Schlesiens prägt.
Der Film ist ein Projekt des Oberschlesischen Landesmuseum in Ratingen, des Kulturreferates für Schlesien am Schlesischen Museum zu Görlitz und des Hauses für Deutsch-Polnische Zusammenarbeit in Gleiwitz/ Gliwice und wurde ermöglicht durch die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit.
Öffentliche Filmvorführungen am Premieren-Wochenende
- 13.12.2024, 18:00, Schlesisches Museum zu Görlitz, Eintritt frei: Deutsche Premiere von “Nova Silesia”. Filmvorführung und Gespräch mit dem Regisseur Ronald Urbanczyk
- 15.12.2024, 15:00, Oberschlesisches Landesmuseum, Ratingen, Eintritt frei: “Nova Silesia”. Filmvorführung und Gespräch mit dem Regisseur Ronald Urbanczyk
Hintergründe der Filmproduktion in einem Interview
Katarzyna Lorenc vom Oberschlesischen Landesmuseum in Ratingen sprach mit dem Filmemacher über den kreativen Prozess und die technischen und menschlichen Aspekte der Filmproduktion.
KL: Was hat Sie dazu inspiriert, diesen Film zu machen?
RU: Als Schlesier fühle ich mich mit meiner Heimatstadt Bytom (Beuthen) und der Region Oberschlesien stets verbunden. Aus der Distanz (ich lebe seit 1987 in Deutschland) beobachte ich mit kritischem Blick die Dynamik der Entwicklungen und Veränderungen, die seit dem Zusammenbruch des Kommunismus 1989 stattfinden. Neben meinem biographischen Hintergrund war es für mich ausschlaggebend, dass deutsche Medien kaum über Nieder- und Oberschlesien berichten. Oft wird von Regionen im Süden oder Südwesten Polens gesprochen, ohne Schlesien überhaupt zu erwähnen. Das Credo eines Dokumentarfilmers lautet schließlich: „Das Unsichtbare sichtbar zu machen“.
KL: Gibt es besondere Botschaften oder Themen, die Sie mit „Nova Silesia” vermitteln möchten?
RU: Die Orte in Ober- und Niederschlesien sind unterschiedlich stark vom Strukturwandel geprägt. Diese unterschiedlichen Geschwindigkeiten, aber auch Gemeinsamkeiten möchte ich in diesem Film beleuchten. Der Wandel betrifft nicht nur die postindustriellen Strukturen. Die Metamorphose ist in allen Lebensbereichen spürbar, besonders in den Bereichen Bildung, Kultur und Tourismus.
KL: Wie haben Sie die Protagonisten ausgewählt?
RU: Die Protagonisten wurden in Abstimmung mit den Projektträgern, dem Oberschlesischen Landesmuseum in Ratingen, dem Schlesischen Museum zu Görlitz und dem Haus der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit ausgewählt. Die Kontaktherstellung wurde durch die langjährige Zusammenarbeit dieser Organisationen mit Expertinnen und Experten und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erleichtert. Manchmal geschah die Auswahl aber auch spontan, abhängig von den kulturellen Ereignissen, die den Film lebhaft mitprägten.
KL: Wie beeinflussen Ihre persönlichen Erfahrungen oder Ansichten diesen Film und Ihre Filme im Allgemeinen?
RU: Ich erinnere mich immer wieder gerne an die Worte meiner Professorin Dr. Eva Warth, die einmal sagte: „Wenn ihr Filme macht, werdet ihr meistens in die Schublade reingesteckt, wo ihr ursprünglich herkommt.“ So macht Fatih Akin mit seinem türkischen Migrationshintergrund deutsch-türkische Filme, und ich mache seit zwanzig Jahren deutsch-polnische Versöhnungsfilme. Für mich ist es eine Mission, als Botschafter beider Nationen unterwegs zu sein, um zu beobachten, wo das Zusammenwirken zwischen Deutschen und Polen gut funktioniert und wo es noch offene Baustellen gibt.
KL: Wie lange hat die Produktion insgesamt gedauert, von der ersten Idee bis zur Fertigstellung?
RU: Ein guter Film braucht schon seine Zeit, um reifen zu können. 2020 fanden die ersten Gespräche statt. Uns wurde schnell klar, dass wir den Strukturwandel nicht nur auf Oberschlesien beschränken wollten, sondern auf ganz Schlesien, um Ober- und Niederschlesien als kohärente Einheit zu betrachten. „Nova Silesia“ ist daher etwas Einzigartiges, denn es gab bisher keinen Film, der diese beiden zusammengehörenden Regionen als einen pulsierenden Organismus abbildet. Letztendlich schenkte uns die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit ihr Vertrauen, und so konnten wir eine finanzielle Basis für das Filmprojekt sichern. Nach intensiven Recherchen begannen schließlich 2024 die Dreharbeiten.
KL: Gab es besondere Momente vom Set, die Ihnen im Gedächtnis geblieben sind?
RU: Besonders in Erinnerung geblieben ist mir der unaufhörliche Regen, der uns Mitte September die letzten Dreharbeiten erschwerte, sodass viele Drehtage verschoben werden mussten. Die Stimmung in Niederschlesien war besorgniserregend, da die Städte aufgrund drohender Flutwellen um ihre Deiche bangten. Die Interviews mit Prof. Krzysztof Ruchniewicz in Wrocław (Breslau) und Dr. Weronika Wiese in Opole (Oppeln) fanden im Ausnahmezustand statt, während die wertvollen Bestände der Archive evakuiert wurden.
Eine weitere überraschende Erfahrung war die Beobachtung, dass die deutsche Hinterlassenschaft heute von den Polen wiederentdeckt und gepflegt wird, wie etwa die restaurierten Schlösser im Hirschberger Land oder das Gerhart-Hauptmann-Haus des gleichnamigen Nobelpreisträgers in Jagniątków (Agnetendorf), das vom polnischen Schriftsteller Sławomir Gortych zu neuem Leben erweckt wird. Die „Neuen Schlesier“ identifizieren sich mit ihrer Region, betrachten sie selbstverständlich als ihre Heimat und interessieren sich sehr für die deutsche Geschichte, während die Erlebnisgeneration der Flüchtlinge und Vertriebenen langsam verschwindet…
Zum Filmemacher
Ronald Urbanczyk (Jg. 1976) ist ein deutsch-polnischer Filmemacher. Der gebürtige Schlesier zog 1987 mit seiner Familie als Aussiedler nach Deutschland. 2011 gründete er die Arche Noah Filmproduktion. Urbanczyk hat in beiden Ländern, in Deutschland wie in Polen, als Drehbuchautor, Regisseur, Kameramann, Cutter und Produzent gearbeitet und konzentriert sich auf anspruchsvolle, unabhängige Filmprojekte, oft abseits des Mainstreams. Seine Filme umfassen Dokumentationen und experimentelle Arbeiten, die sich kritisch mit der Gesellschaft auseinandersetzen.
Text: Katarzyna Lorenc, OSLM Ratingen
Das Interview ist auch in Schlesien heute 11/2024 erschienen.