Das Rätsel von Peiskretscham

Die Brückenbögen unweit des Bahnhofs Peiskretscham erinnern an antike Aquädukte

Die unvollendeten Bauten von 1937-43 wirken geheimnisvoll. Ihre geplante Funktion ist nicht eindeutig geklärt.

Das überschaubare Peiskretscham (Pyskowice, etwa 16 km nördlich von Gleiwitz/Gliwice) war bereits im späten 19. Jahrhundert ein wichtiger regionaler Eisenbahnknoten. Dort mündete nämlich die Trasse von Beuthen (Bytom) in die wichtige Fernlinie Breslau (Wrocław) – Oppeln (Opole) – Kattowitz (Katowice). Die Bedeutung des Ortes stieg zusätzlich nach 1922, als die „Eisenbahner-Stadt“ Tarnowitz (Tarnowskie Góry) mit ihrem großen Rangierbahnhof Polen zugesprochen wurde. Da Peiskretscham wegen seiner Lage verkehrstechnisch ein Tor zum Oberschlesischen Industriegebiet darstellte, wurde in den 1930er Jahren beschlossen, dort einen neuen Rangierbahnhof zu bauen, der einer der größten im Osten Deutschlands sein sollte. Zwischen 1937 und 1943 entstanden daher über dem Tal des Flusses Drama mehrere riesengroße Elemente der Bahninfrastruktur, vor allem Ziegel- und Betonbrücken. Die meisten von ihnen wurden nie genutzt.

Die Größe der nie unvollendeten Bauten bot nach Kriegsende Stoff für diverse Spekulationen. Unter andrem verband man die Investition mit der von den Nazis geplanten so genannten Breitspurbahn mit einer Spurweite von 3.000 Millimetern (die Normalspur hat eine Spurweite von 1.435 Millimetern). Das Projekt, das Adolf Hitler persönlich in die Wege geleitet hat, wurde wegen der sich verschlechternden Frontlage nie verwirklich. Eine der Trassen, deren Verlauf über Peiskretscham durchaus nachvollziehbar gewesen wäre, hätte die Reichshauptstadt Berlin über Breslau, Kattowitz (Katowice) und Krakau (Kraków) mit Kiew verbinden sollen.

Bały Pyskowice: Lost Place und Veranstaltungsort

Heute sind die malerischen Brücken beliebt unter den Liebhabern von verlassenen Orten (Lost Places), Kletterern und Bungee-Jumpern. Die „Bały“, wie man sie in Anlehnung an das deutsche Wort „Bau“ bzw. „Bauten“ im Volksmund nennt, stellen auch ein attraktives Fotomotiv für die Freunde der Industrie dar. In den letzten Jahren fanden unter den Bögen der nie vollendeten Objekte auch Konzerte (Bały House Opening) und Sportveranstaltungen statt.

Text: Dawid Smolorz
Fotos: Bały Pyskowice