Bericht über das Schlesien-Kolloquium 2024

Schlesien-Forscher trafen sich in Görlitz um ihre Projekte zu präsentieren und zu diskutieren

Die jährliche Tagung fand bereits zum 8. Mal statt.

Das Schlesien-Kolloquium, das sich als Plattform zur Förderung der internationalen Schlesien-Forschung versteht, bot erneut eine facettenreiche Auseinandersetzung mit der Geschichte und Kultur Schlesiens. Die Veranstaltung, die am 25.-26. Oktober 2024 im Schlesischen Museum stattfand, vereinte zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Qualifikationsphase und darüber hinaus und legte das Fundament für einen intensiven Austausch über schlesische Literatur, Kunst-, Regionalgeschichte und gesellschaftliche Entwicklungen.

Bereits am Vortag des Kolloquiums gab es am 24. Oktober mit der Filmvorführung „Das Schicksal“ von und mit Joanna Mielewczyk eine öffentliche Veranstaltung, zu der alle teilnehmenden Forscher und Moderatoren eingeladen wurden. Mit diesem Event sollte auf das Format Schlesien-Kolloquium aufmerksam gemacht werden.

Im Bild (v.l.n.r.): Julia Freisinger, Katarzyna Sonntag, Stephanie Cebulla, Sebastian Elsner, Lisa Haberkern, Marcin Szymczyński, Tomasz Sielicki, Emilia Henkel, Krzysztof Ruchniewicz, Agnieszka Gąsior, Susanne Orth, David Skrabania, Przemysław Dominas, Agnieszka Bormann, Oliwia Drozdowicz, Rafał Biskup (hinten), Nicolas Dreyer. Foto: Sascha Röhricht.

Zum Auftakt des Kolloquiums am 25. Oktober, das federführend durch die Kulturreferentin für Schlesien, Agnieszka Bormann, und in Kooperation mit dem Oberschlesischen Landesmuseum, Haus Schlesien und der Stiftung Kulturwerk Schlesien ausgerichtet wurde, begrüßte Dr. Agnieszka Gąsior, die Direktorin des Schlesischen Museums zu Görlitz, als Gastgeberin die Teilnehmenden und stellte das Museum vor.

Die erste Sektion des Kolloquiums war mit dem Thema Literatur überschrieben und wurde von Dr. Rafał Biskup, Universität Breslau/Wrocław, moderiert. Zu Beginn präsentierte Marcin Szymczyński von der Schlesischen Universität Kattowitz/Katowice seine Dissertation mit dem Titel „Im Schatten des Bergwerks: Die Entdeckung der Männlichkeit in der Lyrik von Paul Habraschka“. Szymczyński beleuchtete, wie der Dichter Habraschka in seinen Werken schlesische Männlichkeitskonstrukte im Kontext der industriellen Revolution darstellt, insbesondere vor dem Hintergrund einer durch den Bergwerksalltag geprägten Region.

Anschließend stellte PD Dr. habil. Nicolas Dreyer von der Universität Bamberg sein Forschungsprojekt vor, in dem er die „Akkulturation der Juden in Schlesien im literarischen Werk von Max Ring (1817–1901)“ untersucht. Dreyer zeigte auf, wie Ring in seinen Werken das jüdische Leben in Schlesien und die Herausforderung der kulturellen Integration darstellt.

Die zweite Sektion, moderiert von Dr. Agnieszka Gąsior, konzentrierte sich auf Kunstgeschichte und das kulturelle Erbe Schlesiens. Katarzyna Sonntag von der TU Dresden und Kuratorin am Schlesischen Museum zu Görlitz präsentierte ihre Dissertation zu Max Wislicenus und Wanda Bibrowicz in Schlesien. Pioniere der modernen Bildwirkerei zwischen Kunst und Kunstgewerbe zu Beginn des 20. Jahrhunderts“. Ihre Forschung beleuchtet die Entwicklung der Textilkunst in Schlesien und die Einflüsse dieser beiden Künstler, die sowohl in der Kunstwelt als auch im Kunstgewerbe eine zentrale Rolle spielten.

Julia Freisinger von der LMU München sprach anschließend über „Schlesische Stammbücher der Frühen Neuzeit (1550–1650): Freundschaftsnetzwerke in Wort und Bild“. Sie zeigte, wie die Stammbücher dieser Zeit als ein Instrument des sozialen Austauschs dienten und welche kulturellen und gesellschaftlichen Bedeutungen diese für die Menschen im Schlesien des 16. und 17. Jahrhunderts hatten.

Die letzte Sektion des ersten Kolloquiumstages widmete sich Oberschlesien und wurde von Lisa Haberkern von der Stiftung Kulturwerk Schlesien moderiert. Dr. Stephanie Cebulla von der TU Chemnitz stellte ihre Dissertation zu „Stigma, Sprache und Identität: Die Auswirkungen der polnischen Bildungsreform 2017 auf oberschlesische Sprachlehrerinnen und –Erzieherinnen“ vor. Sie beleuchtete die Herausforderungen, denen sich oberschlesische Lehrerinnen bei der Vermittlung der Regionalsprache in einem sich wandelnden politischen und sozialen Umfeld gegenübersehen.

Dr. Sebastian Elsbach von der Universität Jena präsentierte sein Forschungsprojekt über „Kampf um Schlesien: Deutschsprachige Quellen zu den Nachkriegskämpfen in Schlesien“. Er analysierte die Zwischenkriegszeit in Oberschlesien und die Möglichkeiten, die deutschsprachige Quellen bieten, um ein verbessertes Verständnis der politischen und sozialen Konflikte zu erlangen, die die Region prägten und prägen.

Der zweite Tag des Schlesien-Kolloquiums 2024 setzte den intensiven wissenschaftlichen Austausch fort. Die Moderation der vierten Sektion übernahm Susanne Orth vom Viadrina Center of Polish and Ukrainian Studies an der Europa-Universität Viadrina. Die erste Präsentation hielt Emila Henkel von der Universität Jena mit der Vorstellung ihrer Dissertation zu „‚Roma waten durch die Neiße – die sächsisch-polnische Grenze bei Görlitz-Zgorzelec als Raum neuer Migration(sabwehr) in den frühen 1990er Jahren“. Ihre Analyse der grenzüberschreitenden Dynamiken, insbesondere die Reaktionen auf die Migration von Roma, regte zu einer tiefgehenden Diskussion über nationale Identitäten und Grenzpolitik an.

Im Anschluss präsentierte Oliwia Drozdowicz vom Willy-Brandt-Zentrum für Deutschland- und Europastudien an der Universität Breslau ihr Forschungsprojekt zu „Brücken an der deutsch-polnischen Grenze“. Drozdowicz beleuchtete die Symbolik und die funktionalen Aspekte von Brücken an der Grenze zwischen Deutschland und Polen, die nicht nur geografische Trennlinien markieren, sondern auch als Metaphern für die Transformation und Annäherung zwischen den beiden Ländern seit dem Ende des Kalten Krieges dienen.

Die fünfte Sektion des Kolloquiums wurde von Prof. Krzysztof Ruchniewicz moderiert. Zu Beginn stellte Dr. Tomasz Sielicki, Regionalist, Wissenschaftler, Autor und Verleger, sein Forschungsprojekt vor, das sich mit dem „Neptunbrunnen in Breslau – überraschende Entdeckung eines berühmten Denkmals“ beschäftigte. Wir berichteten hierüber im Schlesischen Kulturspiegel: Ausgabe 1/2023, S. 1–3. Seine Präsentation zeigte, wie sich die Bedeutung von Denkmälern über die Jahrhunderte verändert und wie sie als kulturelle Erbstücke in den regionalen Diskurs integriert werden.

Anschließend stellte Dr. habil. Przemysław Dominas, ebenfalls Regionalist und Wissenschaftler, sein Forschungsprojekt zu „Ingenieur Curt Bachmann, der Erbauer der wichtigsten schlesischen Talsperren“ vor. Die Präsentation vermittelte nicht nur technische Details zu Bachmanns Ingenieurbauten, sondern stellte auch dessen Einfluss auf die Entwicklung der Region und die Bedeutung der Talsperren für die Wasserversorgung und den Hochwasserschutz in Schlesien heraus.

Den Abschluss des Kolloquiums bildete eine zusammenfassende Diskussion, die von Prof. Dr. Krzysztof Ruchniewicz moderiert wurde. In der lebhaften und offenen Debatte wurden die Themen der vergangenen Tage aufgegriffen, reflektiert und miteinander verknüpft. Es wurde insbesondere die Bedeutung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Polen sowie die Rolle von regionaler Forschung und Kultur im übergeordneten europäischen Kontext hervorgehoben.

Das 8. Schlesien-Kolloquium war eine herausragende Gelegenheit für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, sich interdisziplinär über Aspekte der Schlesienforschung auszutauschen. Der Diskurs, der die verschiedenen Sektionen miteinander verband, eröffnete neue Perspektiven auf präsentierte Themen und legte Grundsteine für interdisziplinäre Zusammenarbeiten.

Das nächste, 9. Schlesien-Kolloquium findet am 24.-25. Oktober 2025 im Haus Schlesien in Königswinter statt. Die Informationen zum Format und zur Anmeldung sind unter https://www.schlesisches-museum.de/kulturreferat/schlesien-kolloquium zu finden.

Text: Lisa Haberkern