Vor 80 Jahren fand die Erstürmung der Neiße bei Görlitz als Teil der großen Schlacht um Berlin statt
Dabei wurde das am östlichen Neißeufer liegende Dorf Tormersdorf dem Erdboden gleichgemacht.
Vor 80 Jahren fand die Erstürmung der Neiße bei Görlitz als Teil der großen Schlacht um Berlin statt. Daran nahmen Einheiten der Polnischen Volksarmee teil. Das Dorf Tormersdorf auf der östlichen Seite des Flusses stand im Zentrum des Angriffs und wurde dem Erdboden gleichgemacht. Heute stehen dort nur noch von einer schwierigen Geschichte belastete Gedenkstätten.


Etwa 25 km nördlich von Görlitz, an der Lausitzer Neiße, liegt die Stadt Rothenburg. Mehr oder weniger gegenüber, auf der anderen Seite des Flusses, lag bis 1945 das Dorf Tormersdorf, nach dem Krieg Toporów (militärischer Code-Name) oder Prędocice (offizieller Name) genannt. Einst waren Rothenburg und Tormersdorf durch eine Brücke verbunden. Nach dem Krieg blieben von ihr nur die Brückenköpfe übrig, die heute als Aussichtspunkte genutzt werden.
Vom ehemaligen Tormersdorf sind nur noch Ruinen übrig, die im Wald immer schwieriger zu finden sind. Dort befinden sich auch die Reste des ehemaligen Dorffriedhofs. Leichter zu finden sind Grabenlinien, Reste von Unterständen oder die alten Artilleriestellungen.
Das einzige Bauwerk, das heute dort steht, ist ein Denkmal für die Soldaten, die 1945 bei der Erstürmung der Neiße gefallen sind. Es zeigt einen Adler ohne Krone – ein Symbol für Volksrepublik Polen. Und in den Flussauen steht noch immer ein Obelisk, der an die Soldaten der Einheit erinnert, die genau an dieser Stelle die Neiße durchquerte.

Wie Tormersdorf verschwand
Im Februar 1945 erreichten die sowjetischen Truppen die Lausitzer Neiße. Hier hielt die Front für mehrere Monate an. Es war relativ ruhig – bis zum Frühjahr. In dieser Zeit gingen die Kämpfe um Niederschlesien weiter, auch in der Nähe von Lauban (heute Lubań).
Anfang April trafen hier Truppen der II Polnischen Armee ein – Einheiten, die von den Russen aufgestellt und kontrolliert wurden. Sie sollten sich an der Erstürmung der Neiße („Forsowanie Nysy”) beteiligen. Die Operation begann am 16. April.
Und in Tormersdorf befand sich der zentrale Punkt des Angriffs der polnischen Truppen. Auch der Gefechtsstand war hier untergebracht. Die Gebäude des Dorfes wurden durch Artilleriebeschuss völlig zerstört. Nach dem Krieg wurde das Dorf nicht wiederaufgebaut.
In der kommunistischen Zeit wurden das oben erwähnte Denkmal und der Obelisk errichtet. Anlässlich der Jahrestage der Schlacht und der Erstürmung der Neiße fanden regelmäßig Feierlichkeiten statt. Soldaten der Polnischen Volksarmee standen hier Schulter an Schulter mit Soldaten der Sowjetarmee. Toporów (Prędocice) hatte seinerzeit eine wichtige propagandistische Bedeutung. Doch nach 1989 und der politischen Wende wurde die Erinnerung an die Polnische Volksarmee, die eindeutig mit der Zeit der Abhängigkeit Polens von der Sowjetunion verbunden war, in den Hintergrund gedrängt.

Es ist eine andere Erinnerung
In den letzten Jahren ist das Interesse an der Stätte wieder aufgelebt. Und das Gefühl, dass sie mit „unserer Geschichte“ verbunden ist, wie es die örtliche Regierung formulierte, als sie die Einwohner aufforderte, sich an einer Aufräumaktion rund um das Denkmal zu beteiligen. Natürlich erfolgt dies ohne den alten ideologischen Kontext, der auch für jüngere Generationen immer schwieriger zu verstehen ist. Heute geht es vor allem um das Gedenken an die Ereignisse und die Gefallenen.
Im Alltag aber bleibt die Gedenkstätte im ehemaligen Tormersdorf vergessen und verloren im Wald. Dies umso mehr, als hier niemand wohnt. Von hier aus sind es mehrere Kilometer bis zur nächsten asphaltierten Straße. Das ehemalige Dorf kann nur zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreicht werden. Prędocice gibt es nicht wirklich. Es ist nur ein Name auf einer Landkarte.
Und dann gibt es noch eine interessante Tatsache. Im Jahr 1813, während der napoleonischen Kriege, kämpften französische Truppen gegen eine Kosakengruppe um die Brücke bei Tormersdorf. Offenbar sind im Wald auch noch verschiedene Artefakte aus dieser Zeit zu finden.
Text & Bilder: Sławomir Szymański